BERLIN. Rund drei Monate nach dem Aus des Anti-Gender-Portals „Agent*In“ hat der linke Soziologe Andreas Kemper angekündigt, den Online-Pranger in Eigenregie fortzuführen. „Wir werden das Projekt nun in einer überarbeiteten Form fortsetzen“, sagte Kemper queer.de.
Nachdem die Seite agentin.org Anfang August vom Netz genommen worden war, hatte die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung vor wenigen Tagen den endgültigen Ausstieg verkündet. „Die Stiftung wird in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und Angriffen auf feministische und gleichstellungspolitische Errungenschaften zukünftig andere Formate der politischen Bildungsarbeit nutzen und neu entwickeln“, hieß es in einer Stellungnahme.
#agentin Wir machen weiter. Nachdem der interne Diskussionsprozess der Heinrich-Böll-Stiftung abgeschlossen ist, gehen wir jetzt wieder online (ohne HBS).
— AndreasKemper (@AndreasKemper) November 9, 2017
Die im Stile eines Online-Lexikons aufgebaute Seite listete Personen und Kampagnen auf, die durch angebliche „Angriffe gegen Feminismus, Gleichstellungspolitik, sexuelle Selbstbestimmung, gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechterforschung“ aufgefallen sein sollen.
Darunter befanden sich etwa die Publizistin Birgit Kelle, die AfD-Politikerin Beatrix von Storch oder die Journalisten Roger Köppel und Harald Marteinstein. Einige Einträge waren stark verzerrt oder konjunktivistisch gehalten. Bei Köppel stand: „Roger Köppel scheint in der Weltwoche antigenderistischen Positionen eine Plattform zu geben.“ Zu Kelle hieß es: „Birgit Kelle scheint enge Kontakte zu den Legionären Christi zu haben.“ Zudem bestand die Möglichkeit, betroffene Personen nach Parteizugehörigkeit zu listen.
Kemper sieht hinter dem Ausstieg der Heinrich-Böll-Stiftung das Ergebnis einer jahrelangen Kampagne. „Zur diffamierenden Kritik ‘Online-Pranger‘ läßt sich feststellen, daß diese Angriffe so gut funktionierten, weil seit Jahren an der Verschwörungsideologie des sogenannten ‘Gender-Faschismus‘, der ‘totalitären Homolobby‘ usw. gearbeitet wird und die Heinrich-Böll-Stiftung als Stiftung einer potentiellen Regierungspartei hierfür die ideale Angriffsfläche bot.“
Künftig könne das Projekt nicht mehr mit den Grünen oder einer möglichen Regierung in Verbindung gebracht werden. „Dieser giftige Wind kann nun keine Segel mehr blähen.“ Eine Listenfunktion werde es künftig jedoch nicht mehr geben. „Diese Kritik haben wir sehr ernst genommen“, sagte Kemper. (ls)