Dezentralisierung, Eigenverantwortung, unbürokratische Staatsapparate – das sind bewährte liberale Grundprinzipien, die sich über Jahrzehnte im Liberalismus wiedergefunden haben. Doch ausgerechnet in puncto EU-Politik scheint die deutsche FDP den Liberalismus neu definieren zu wollen, wenn sie ein zentralistisches Machtgefüge legitimiert, das neben einer katastrophalen Europolitik, die die Sparguthaben der deutschen Steuerzahler nachhaltig entwertet hat und selbst für deutsche Verhältnisse noch ein ungewohnt großes Ausmaß an Bürokratie mit sich bringt.
Die FDP selbst begründet dies mit der Möglichkeit des Fundaments einheitlicher Marktregelungen, die einen neuartigen Föderalismus mit übergeordneten Leitlinien schaffen soll. Wie kann eine Partei sich „Freie Demokraten“ nennen, wenn sie gleichzeitig eine undemokratische und zentralistische Bestrebung verfolgt? Der Ansatz der EU ist fernab von Dezentralisierung und Eigenverantwortung.
Der „Föderalismus“ nach FDP-Gusto ist gänzlich antiföderal
Dies mit einer Stärkung des Föderalismus zu begründen, ist nicht nur fragwürdig, es ist geradezu zynisch. Den Grundstein hierfür legte die FDP bereits vor einigen Wochen, als sie der eigentlich gegen die Verträge verstoßenden „Schulden-Union“ zustimmte. Die FDP bewies sich einmal mehr als Umfaller-Partei, hatte sie doch genau das vorher kategorisch ausgeschlossen. Daran änderte auch das Statement von Parteichef Christian Lindner nichts, wonach er dem Gesetz nur zustimme, um später genau das, was das Gesetz ausmacht – gemeinsame Verschuldung und EU-Steuern – zu bekämpfen.
"Persönlich werde ich dem #Wiederaufbaufonds zustimmen – aber aus ganz anderen Gründen als @OlafScholz. Alles, was Herr Scholz daran rühmt (gemeinsame Schulden und EU-Steuern), wollen wir als @fdpbt politisch in der Zukunft verändern – und das passiert in den nächsten Jahren!" TL pic.twitter.com/XYxNPbUkHJ
— Christian Lindner (@c_lindner) March 25, 2021
Allerdings läßt sich nicht nur an dieser Episode feststellen, daß die FDP aktuell einen ideologischen Wandel durchläuft. Eine Partei, die einst Werte wie Freiheit, Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und freie Märkte als liberales Fundament in ihrer ideologischen Ausrichtung verankert hatte, würde niemals für einen Lockdown, der Existenzvernichtung bedeutet, CO2-Deckel oder gar eine EU und – womöglich in nicht all zu ferner Zukunft – als Endstufe davon den Vereinigten Staaten von Europa (USE), einen supranationalen bürokratischen Superstaat stimmen. Der „Föderalismus“ nach FDP-Gusto ist gänzlich antiföderal.
Wer die FDP wählt, wählt die EU
Was sagt das über die FDP aus? Ist sie noch der Vertreter eines wahrhaftigen Liberalismus oder nur ein liberales Feigenblatt, das letztendlich mit einer Reihe an Widersprüchen maximal als vermeintlich liberale Option wahrgenommen wird? Die Wahrheit befindet sich vermutlich nicht an einem der beiden Extrema, jedoch sollte sich jeder, der aktiv in Betracht zieht, die FDP zu wählen, darüber im Klaren sein, daß es mit diesem gelben Abklatsch einer liberalen Partei maximal einen Minimal-, wenn nicht sogar Scheinliberalismus auf dem Wahlzettel gibt.
Eine Partei, die letzten Endes keinen Widerstand gegen ein supranationales Machtgefüge bildet und damit folglich auch den Wettbewerb zwischen den EU-Ländern minimieren wird, wie sie es aktuell auch für die Bildung in Deutschland versucht, indem sie die Souveränität der Länder in Sachen Bildung kritisiert, ist nicht liberal.
Die FDP weist weitaus mehr zentralistische Strukturen und Ideologien auf, als dies bei einer liberalen Partei der Fall sein sollte. „Manche meinen, sie seien liberal geworden, nur weil sie die Richtung ihrer Intoleranz geändert haben“, notierte der Schriftsteller Wieslaw Brudzinski. Heute trifft das leider auf die FDP zu. Wer die FDP wählt, wählt weder Freiheit noch Liberalismus, er wählt die EU.