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Revolution in der Medizin: MicroRNA ist doch kein genetischer Müll

Revolution in der Medizin: MicroRNA ist doch kein genetischer Müll

Revolution in der Medizin: MicroRNA ist doch kein genetischer Müll

Thomas Perlmann (r), Sekretär der Nobelversammlung, verkündet die Gewinner des Nobelpreises für Medizin 2024, Victor Ambros (l-r, Leinwand) und Gary Ruvkun, von denen Fotos auf eine Leinwand projiziert werden. Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung.
Thomas Perlmann (r), Sekretär der Nobelversammlung, verkündet die Gewinner des Nobelpreises für Medizin 2024, Victor Ambros (l-r, Leinwand) und Gary Ruvkun, von denen Fotos auf eine Leinwand projiziert werden. Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung.
Victor Ambros und Gary Ruvkun gewinnen den Medizinnobelpreis 2024: microRNA hat enormes Potential. Foto: picture alliance/dpa | Steffen Trumpf
Revolution in der Medizin
 

MicroRNA ist doch kein genetischer Müll

Die Medizin ist im Aufbruch. Von der Aktivierung des Immunsystems bis zur Regulierung der Proteinproduktion: MicroRNA revolutioniert unser Verständnis von Krankheiten und eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten.
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Am 10. Dezember wurden in Stockholm die diesjährigen Nobelpreise überreicht. Den für Medizin bekamen die US-Forscher Victor Ambros (UMass Chan Medical School) und Gary Ruvkun (Harvard Medical School) für die bahnbrechenden Entdeckungen bezüglich der microRNA. Mit gutem Grund, da diese winzigen Moleküle bei einer ganzen Reihe von Krankheiten wie Krebs, Autoimmunleiden und Herz- und neurologischen Erkrankungen an der Schwelle zur Anwendung stehen. Die größere Messenger-RNA (mRNA) trägt den Bauplan für die Produktion von Proteinen in Zellen – im Gegensatz zu der nicht-kodierenden, kurzkettigen microRNA, welche bislang wegen ihrer vermeintlichen Nutzlosigkeit auch als genetischer Müll bezeichnet wurde.

Ambros und Ruvkun entdeckten jedoch, daß diese microRNA die Entwicklung von Organismen beeinflussen und dafür sorgen kann, daß bestimmte Proteine zur rechten Zeit im richtigen Körpergewebe in der benötigten Menge produziert werden. Mutationen der microRNA hingegen können an der Entstehung von Tumoren, der Herzinsuffizienz, des angeborenem Hörverlustes oder Sehstörungen beteiligt sein. Eine microRNA kann Tumor-hemmende Gene unterdrücken und damit die Entstehung oder das Fortschreiten von Krebs begünstigen. Potentiell könnten microRNA oder darauf abgestimmte Wirkstoffe auch das Immunsystem gegen Krebs aktivieren.

MicroRNA kann Krankheitsprozesse verlangsamen

Über die Brustdrüse in die Muttermilch abgegebene microRNA spielt möglicherweise eine wichtige Rolle für die Genregulierung, bei der Reifung der angeborenen Immunität im Darm, sowie bei der Entwicklung des Mikrobioms des Kindes. Somit hat man in Zukunft ein faszinierendes Werkzeug, um Krankheitsprozesse zu verlangsamen oder Heilungsprozesse zu optimieren. Weit fortgeschritten ist ein in Hannover entwickelter Wirkstoff (CDR132L), welcher eine microRNA bindet, die für das Fortschreiten der Herzinsuffizienz mitverantwortlich ist. Momentan wird eine breit angelegte Studie mit knapp 300 Patienten nach Myokardinfarkt und einem microRNA-Ansatz durchgeführt.

Die Cardior Pharmaceuticals GmbH testet diesen Ansatz auch gegen Nieren- und Lungenfibrose. Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk – bekannt für die Abnehmspritze Wegovy – hat im April Cardior für etwa eine Milliarde Euro übernommen. Möglicherweise auch, da sich diese kleinen Moleküle zusätzlich bei der Diagnostik von Krebs, Alzheimer und anderer neurologischer Erkrankungen einsetzen lassen.

Auch die Chemie forscht an Proteinen

Der Chemie-Nobelpreis ging an David Baker (University of Washington), Sir Demis Hassabis und John Jumper – und auch hier gibt es eine medizinische Komponente. Denn Baker wurde für „rechnergestütztes Proteindesign“ ausgezeichnet. Proteine als zentraler Bestandteil des Lebens werden auf zellulärer Ebene erst in ihrer dreidimensionalen Faltung aktiv, um ihre Funktion beispielsweise als Katalysator, Transportprotein zellulärer Substanzen oder als Antikörper gegen Infektionserkrankungen zu erfüllen.

Bakers Arbeitsgruppe entwickelt Proteine, die auch für Pharmazeutika und Impfstoffe eingesetzt werden können. Hassabis und Jumper erhielten den Preis für die Vorhersage der komplexen Strukturen von Proteinen mittels ihres KI-Modells „AlphaFold2“. Das wird global genutzt, um beispielsweise bei Antibiotika-Resistenzen oder beim Einsatz von Enzymen zum Abbau von Kunststoffen zu helfen. Hassabis ist Chef der Google-Tochterfirma DeepMind, der 39jährige Jumper ist dort Direktor. Er zählt laut Time-Magazin zu den 100 einflußreichsten Menschen in der KI-Welt.

Victor Ambros und Gary Ruvkun gewinnen den Medizinnobelpreis 2024: microRNA hat enormes Potential. Foto: picture alliance/dpa | Steffen Trumpf
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