Der sogenannte Sichelschnitt der deutschen Panzer durch die Ardennen 1940 ist eine der bekanntesten Militäroperationen des Zweiten Weltkrieges. Ihr Schöpfer Erich von Manstein ist bis heute einer der berühmtesten Heerführer des 20. Jahrhunderts. Das Bild seiner strategischen Leistungen trüben jedoch Schatten, die symptomatisch für den Weltanschauungskrieg waren.
Der spätere Generalfeldmarschall erblickte am 24. November 1887 in Berlin das Licht der Welt als zehntes Kind des Offiziers Eduard von Lewinski und seiner Frau. Gemäß einer Vereinbarung mit einer kinderlosen Tante adoptierte diese den Jungen, wodurch er den Nachnamen von Manstein erhielt.
Seine Kindheit und Jugend verliefen, wie es aus heutiger Sicht wohl klischeehaft für einen Preußen mit so einem Familienhintergrund erscheinen mag. Der junge Erich besuchte die Kadettenanstalten Plön und Groß-Lichterfeld, bevor er nach bestandenem Abitur in Preußens Armee die Offizierslaufbahn einschlug.
Von Manstein eckte an
Im Ersten Weltkrieg kämpfte von Manstein an der Ost- und Westfront, wo er schon im November 1914 im Nahkampf schwer verwundet wurde. Nach der Genesung diente er auch ohne entsprechende Ausbildung im Generalstab. Bis Kriegsende erhielt er beide Klassen des Eisernen Kreuzes.
Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches gehörte von Manstein zu den wenigen Soldaten, die das Glück hatten, in der Armee bleiben zu können. Der Weimarer Republik stand er wie viele seiner Standesgenossen und Teile der Bevölkerung ablehnend gegenüber. Im nach den Vorgaben des Versailler Vertrages verbotenen Generalstab kultivierte er sein Talent für Strategie und Heeresplanung. So überarbeitete er Mobilmachungspläne. Zugleich eckte er wegen seines selbstbewußten Auftretens bei Vorgesetzten an.
Die Regierungsübernahme der Nationalsozialisten bedeute für den ehrgeizigen Berufssoldaten keine Zäsur. Er stand den neuen Machthabern wohlwollend gegenüber. Jedoch störte ihn die Einführung des sogenannten Arierparagraphen im Offizierskorps; sah er darin doch einen Eingriff in Autonomie der militärischen Personalführung und gegen die Kameradschaft.
Ardennen-Vorstoß schien zu riskant
Das tat seiner Karriere jedoch keinen Abbruch. Ab Juli 1935 war er Chef der Operationsabteilung im Generalstab des Heeres. Er widmete sich in Denkschriften unter anderem der Schaffung einer Begleitartillerie auf Selbstfahrlafetten zur Infanterieunterstützung. Von Manstein wurde so zum „Vater der Sturmartillerie“. Diese Entwicklung war ein Ergebnis der Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, daß Infanterie durch mobile Geschütze unterstützt werden muß, um Durchbrüche zu erzielen.
Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 und dem siegreichen Polenfeldzug tat von Manstein in den Herbst- und Wintermonaten, was er am besten konnte: Pläne schmieden. Seine Überarbeitung für den Angriffsplan im Westen legte er dem Oberkommando des Heeres vor. Doch seine Idee, die Alliierten mittels eines Panzervorstoßes durch die Ardennen in Nordfrankreich einzukesseln, schien zu riskant.
Doch ein Adjutant Hitlers arrangierte im Frühjahr 1940 ein Treffen von Mansteins mit dem Diktator. Dieser zeigte sich äußerst angetan von dem Sichelschnitt-Plan und legte ihn schließlich als Grundlage für den Westfeldzug fest. Der Rest ist Geschichte: Der „Blitzkrieg“ gegen Frankreich gelang in sechs Wochen und von Manstein brachte er im Juli das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ein.
Die Zweifel am Diktator wuchsen
Im Krieg gegen die Sowjetunion war es ab 1942 unter anderem von Mansteins Aufgabe, die Krim zu erobern. Dabei verstrickte sich auch der Preuße in Kriegsverbrechen. Neben der Umsetzung des sogenannten Kommissarbefehls, der die Erschießung von Kommissaren der Roten Armee vorsah, drängte er auch Einsatzgruppen von SS und Sicherheitsdienst (SD) zu Massenerschießungen von Juden und Zigeunern in seinem Zuständigkeitsbereich, wie neuere Forschungen zeigen.
Militärisch zeichnete sich der im Mai 1942 zum Generaloberst Erhobene durch die Besetzung der Krim und der Eroberung der dortigen Festung Sewastopol aus. Für seine Taten belohnte man ihn mit der Beförderung zum Generalfeldmarschall. Weitere Siege gelangen ihm 1943 während der deutschen Gegenoffensiven bei Charkow und Belgorod.
Doch parallel dazu wurden seine Zweifel an Hitlers Führungsfähigkeiten immer größer. Ihren Ursprung hatte diese Entwicklung in der Niederlage von Stalingrad, als Hitler einen Ausbruch der eingekesselten 6. Armee verbot und damit den Untergang seiner Soldaten besiegelte. Unterschiedliche Auffassungen über die Umsetzung der letzten deutschen Großoffensive im Sommer 1943 verstärkten die Kluft zwischen dem General und seinem Befehlshaber weiter.
Widerstand warb vergeblich um von Manstein
Als von Manstein im Frühjahr 1944 schließlich gegen einen Befehl Hitlers die 1. Panzerarmee zurücknahm und so vor der Vernichtung bewahrte, war für den Diktator das Maß voll. Der Generalfeldmarschall erhielt zwar noch das Eichenlaub zum Ritterkreuz; doch zugleich auch die Versetzung in die Führerreserve, was ihm vom Kommando der Heeresgruppe Süd entband.
Bereits seit dem Vorjahr bemühte sich der militärische Widerstand um von Manstein. Doch er konnte sich nicht von den Konventionen lösen, die ihn als Offizier prägten. So soll er gegenüber den Verschwörern um Claus Schenk Graf von Stauffenberg geäußert haben: „Preußische Feldmarschälle meutern nicht.“
Nach Kriegsende mußte sich von Manstein vor dem Gericht der Siegermächte verantworten. Unter anderem wegen Erschießungen von Kriegsgefangenen und der Auslieferung von Polit-Kommissaren an den SD wurde er zu 18 Jahren Haft verurteilt. Aufgrund eines Augenleidens erhielt er 1952 jedoch Haftverschonung.
Wissen über Frontlage änderte nichts
Untätig blieb er danach nicht. So war er bis 1960 als einziger ehemaliger Feldmarschall der Wehrmacht als inoffizieller Berater der Bundesregierung beim Aufbau der Bundeswehr beteiligt. Als von Manstein schließlich am 10. Juni 1973 zu Grabe getragen wurde, sprach der Generalinspekteur der Bundeswehr, Admiral Armin Zimmermann, die Abschiedsworte.
Das Leben Erich von Mansteins, der vier Staatsformen auf deutschem Boden erlebte, illustriert zugleich die Tragik des deutschen Militärs. Die Eidtreue verhinderte, daß er zum Widerständler wurde. Dabei wußte er wie nur wenige im Reich, wie katastrophal sich die Lage an den Fronten seit der Kriegsmitte entwickelte. Ob sein Engagement etwas am Ausgang des 20. Juli 1944 geändert hätte, bleibt unklar.
So bleibt bei allem strategischen Können und seiner militärischen Erfolge das ambivalente Credo eines preußischen Offiziers: „Preußische Feldmarschälle meutern nicht.“