Jede historische deutsche Landschaft verfügt an mindestens einer ihrer Universitäten über einen Lehrstuhl für die jeweilige Landesgeschichte. So auch bislang die Christian Albrechts Universität zu Kiel, deren Lehrstuhlinhaber nach dem Krieg, ob Alexander Scharff, Christian Degn oder Erich Hoffmann, einen wissenschaftlichen Ruf weit über die Landesgrenzen hinaus hatten. Nun ist für das Grenzland Schleswig-Holstein die Landesgeschichte stets ein sensibles Thema, war das Land doch seit Anfang des 19. Jahrhunderts meist heftig umkämpft zwischen Dänemark und Deutschland. Zwar gehörte das Doppelherzogtum unstreitig überwiegend in den deutschen Kulturraum – mit Ausnahme eines schmalen Streifens im Norden -, doch war es Teil des dänischen Gesamtstaates, bis sich die deutschen Schleswig-Holsteiner 1848 dagegen erhoben, um sich „den deutschen Einigungsbestrebungen anzuschließen“, wie es in dem von der revolutionären Landesversammlung beschlossenen Staatsgrundgesetz hieß. Fast drei Jahre lang währte der blutige Krieg mit Dänemark, der mit der Niederlage Schleswig-Holsteins endete. Erst in der Folge des preußisch-österreichischen Kriegs gegen Dänemark 1864 erfüllte sich der Wunsch: Schleswig-Holstein wurde Teil des Reiches. Aber es blieben unruhige Zeiten, bis 1920 eine der Volkstumsgrenze entsprechende politische Grenze nach einer Volksabstimmung zur Befriedung führte. Diese nahm jedoch ein Ende, als nach der deutschen Niederlage einflußreiche dänische Kreise eine „Kulturoffensive mit dem Ziel volklicher Eroberung“ lostraten, um die dänische Grenze nach Süden zu verschieben. Seitdem war die deutsche Seite in der Verteidigung, bis nach den Bonn-Kopenhagener Erklärungen und noch manchen sich anschließenden, von dänischer Seite provozierten Scharmützeln (Stichwort „Slesvig Land“ oder Idstedt-Löwe) endlich vor wenigen Jahren eine allgemeine Beruhigung und Normalisierung eintrat. Die politischen Verhältnisse schlugen sich in der Besetzung des Lehrstuhls für die Landesgeschichte an der Kieler Uni nieder. Er war mit deutschen Professoren besetzt, deren wissenschaftlichen Arbeiten auch in Skandinavien hoch angesehen waren. Ein gewisses Aufsehen erregte die Berufung 1994 des dänischen Wissenschaftlers Thomas Riis durch die sozialdemokratische Landesregierung von Heide Simonis. Riis, der jetzt in den Ruhestand getreten ist, hat allerdings außer einigen Beiträgen zur mittelalterlichen Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins in der Landesgeschichte nur wenige Akzente gesetzt. Seit geraumer Zeit fordern eher linksgerichtete Politiker, aber auch Wissenschaftler, den Lehrstuhl für Landesgeschichte als „provinziell“ abzuschaffen und Schleswig-Holstein einzubeziehen in die skandinavische Geschichte. Diese Marginalisierung der Landesgeschichte stößt jedoch bei anderen auf strikte Ablehnung. Als nach der Ausschreibung sechs der Bewerber ihre Probevorlesungen präsentierten, reichte der Konvent der Universität eine Liste von vier Kandidaten beim zuständigen Ministerium ein, damit es einen auswähle. Die Wahl des Ministeriums (Minister ist der CDU-Politiker Dietrich Austermann) fiel auf Robert Bohn (54), derzeit Direktor des 1991 von der SPD-Regierung unter Björn Engholm gegen den Willen aller anderen Parteien und der Universität gegründeten „Instituts für Zeit- und Regionalgeschichte“ (IZRG) um den damaligen SPD-Sprecher Uwe Danker. Parteilichkeit, Genossenschaft, Unwissenschaftlichkeit waren die Vorwürfe. Vor einigen Jahren fiel die Prüfung des Instituts, das der nunmehr zur Universität aufgestiegenen, früheren Pädagogischen Hochschule Flensburg angeschlossen wurde, durch den Landesrechnungshof katastrophal aus. Bohn hatte bei der öffentlichen Bewerbungsvorlesung zu erkennen gegeben, daß ihm nicht an einem Lehrstuhl gelegen ist, der die gesamte schleswig-holsteinische Geschichte umfaßt – es sei denn, es handele sich um die Zeitgeschichte. Ansonsten, so der Eindruck der Hörer, wollte er seine Arbeit auf skandinavische Geschichte lenken. Einige Mitglieder des Konvents des historischen Seminars fürchten, mit der Wahl Bohns werde an der Kieler Universität ein zweites hauptsächlich der NS-Vergangenheitsbewältigung gewidmetes Institut im Stile des IZRG etabliert. Dort befassen sich die zwölf seit 2000 abgeschlossenen Forschungsprojekte alle mehr oder weniger mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, sieben davon zum Thema Zwangsarbeit in Schleswig-Holstein. Andere Kritiker an Austermanns Entscheidung lehnen prinzipiell die Abwertung der schleswig-holsteinischen Landesgeschichte ab. Und so wiesen sie mit Mehrheit den Vorschlag des Ministeriums zurück, das offenbar die politische Dimension nicht begreift, sondern nur die Sparmöglichkeit im Auge hat, würde doch bei der Wahl Bohns eine Stelle des als personell überbesetzt geltenden IZRG wegfallen. Wie es weitergeht, ist offen. Mitglieder des Konvents plädieren für eine Neuausschreibung. Im kommenden Wintersemester bleibt zunächst der Lehrstuhl für schleswig-holsteinische Geschichte unbesetzt. Foto: CDU-Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Dietrich Austermann: Linker Erfüllungsgehilfe