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Die Diskussionen darüber, ob muslimische Lehrerinnen an öffentlichen Pflichtschulen ihr Bekenntnis zum Islam durch das Tragen eines Kopftuches für jedermann sichtbar kundgeben dürfen, verebben allmählich. Manche Bundesländer haben Gesetze erlassen, die dies untersagen; die Hürden, die zu überwinden sind, ehe einer Lehrerin ein entsprechendes Verbot erteilt werden kann, sind unterschiedlich hoch. Es kehrt eine trügerische Ruhe ein, die aber jederzeit durch neue Gerichtsverfahren zerstört werden kann. Man darf hoffen, daß die von Michael Adenau verfaßte Dissertation dann zur Versachlichung des Streites beiträgt. Er erörtert die Problematik vor dem Hintergrund der christlich-abendländischen Prägung des Grundgesetzes und damit unter Voraussetzungen, die die Verfechter eines Kopftuchverbots zumindest in ihren öffentlichen Äußerungen kaum noch zu nennen wagen; die Befürworter(innen) des Kopftuchs könnten solch einen Hinweis mit allzu viel Häme aufgreifen und wären sich dabei des Beifalls weiter Bereiche der veröffentlichten Meinung sicher. Religion und Politik sind im Islam prinzipiell eine Einheit Adenau weist jedoch mit Recht darauf hin, daß sich das Prinzip der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates seit der frühen Neuzeit in der Abwehr der aus der Dominanz einer bestimmten Konfession resultierenden gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen entwickelt hat. Er hätte hinzufügen können, daß die Trennung von Religion und Politik schon in der Predigt Jesu angelegt ist und eben deshalb gegen totalitäre Bestrebungen der Kirche auch durchgefochten werden konnte. Im Islam ist eine solche Möglichkeit nicht gegeben. Im Gegenteil, die Einheit von Religion, Politik und Gesellschaft wird von den Muslimen als das wichtigste Merkmal der Botschaft Mohammeds betrachtet. Wie es verwirklicht werden solle, dazu haben sie unterschiedliche Vorstellungen herausgebildet, das Prinzip aber ist unangefochten, und damit taucht hinter dem scheinbar so äußerlichen, nebensächlichen Thema des Kopftuches ein in der Tat wesentlich gravierenderes auf, das man nicht einfach mit dem Hinweis auf die jedermann zustehende Selbstverwirklichung vom Tisch wischen kann. Adenau hebt hervor, daß der Staat, ließe er sich auf eine solche bequeme „Lösung“ des Konflikts ein, in einen Widerspruch zu den „eigenen staatsrechtlichen Wurzeln und Prinzipien“ geriete. Der Verfasser erörtert in den Einzelheiten die Voraussetzungen, unter denen in konkreten Fällen deutsche Gerichte entschieden haben, daß eine Lehrerin, die auf dem Tragen des Kopftuchs im Unterricht beharrt, nicht als Beamtin an einer öffentlichen Pflichtschule tätig werden dürfe. Das wesentliche Argument lautete, jeder Schüler habe aufgrund seiner Religionsfreiheit Anspruch darauf, nicht durch den Staat dem Einfluß einer ihm fremden Religion ausgesetzt zu werden. Selbst wenn die Lehrerin mit dem Tragen des Kopftuches keine missionarischen Absichten verbinde, übe sie mit ihrer Persönlichkeit und kraft ihres Amtes auf die ihr anvertrauten Kinder einen prägenden Einfluß aus. Nach einem anderen Urteil ist das Tragen des Kopftuches durch eine Lehrerin allerdings nur dann zu beanstanden, wenn dadurch der Schulfrieden nachhaltig gestört werde. Adenau lehnt diese Auffassung mit dem Argument ab, daß die Tolerierung eines solchen Verhaltens die der Lehrerin in Erfüllung ihrer Aufgaben und ihrer überlegenen Position eigene bestimmende Wirkung verkenne, die nicht ausdrücklich von ihr in Worte gefaßt werden müsse. An dieser Stelle wäre es nützlich gewesen, einmal nach den einschlägigen muslimischen Vorstellungen zu fragen. Wesentlich stärker als in der westlichen Zivilisation wird im islamischen Denken mit einer das Verhalten Dritter formenden Funktion des Gläubigen gerechnet. Jeder Muslim ist aufgefordert, unablässig auf Festigung der islamischen Sitten und Normen der eigenen Glaubensgenossen sowie auf die Verbreitung des Islam unter den Andersgläubigen hinzuwirken. Ansätze einer Integration stehen auf dem Spiel Die Treue zu diesem Verhaltensmuster, zur sogenannten Da_wa (Ruf zum Islam), wird den muslimischen Glaubensbrüdern durch das Tragen des Kopftuches demonstriert. Der Entschluß, dies zu tun, mag von der einzelnen Lehrerin als eine individuelle Entscheidung erfahren werden; die Folgen dieses Entschlusses sind nach islamischer Auffassung aber gerade nicht auf die Trägerin zu begrenzen, sie sollen sich vielmehr in ihrem Umfeld bemerkbar machen. Unter diesem in der von Adenau benutzten Literatur fehlenden Gesichtspunkt gewinnen seine Überlegungen zur Sicherung der staatlichen Neutralität in der Pflichtschule erst recht an Durchschlagskraft. Es geht nicht nur darum, Andersgläubige vor indirekter Missionierung zu schützen; auf dem Spiel stehen vielmehr die Ansätze einer Integrierung der zugewanderten Muslime in eine pluralistische Gesellschaft. Niedersächsische Lehrerin Iyman Salwa Alzayed im Juni 2004 bei ihrer Klage vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht: Widerspruch zu den eigenen staatsrechtlichen Wurzeln und Prinzipien Michael Adenau: Der Islam und das deutsche Schulwesen. Religiös akzentuierte Kleidung des islamischen Lehrpersonals an der öffentlichen Pflichtschule. Dissertation, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Bonn 2003 Prof. Dr. Tilman Nagel lehrt seit 1981 Arabistik an der Universität Göttingen. In seinen zahlreichen Publikationen behandelte er auch speziell dieses Thema in „Staat und Glaubensgemeinschaft im Islam“ (München, 1982).

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