BERLIN. Verdi-Chef Frank Werneke hat eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit in Deutschland abgelehnt. Er hält die Vorstellung, daß Arbeitnehmer einfach mehr leisten sollten, für eine realitätsferne Simplifizierung.
Die zunehmende Belastung, insbesondere in körperlich und psychisch anspruchsvollen Berufen wie der Paketzustellung, der Abfallwirtschaft oder in Krankenhäusern und Kitas, mache eine weitere Ausdehnung der Arbeitszeit unzumutbar.
Zudem verweist Werneke auf die steigende Zahl von Krankheitsausfällen aufgrund psychischer Belastungen. Laut dem Psychreport der DAK-Gesundheit erreichten die Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen im Jahr 2023 einen Höchststand. Angesichts dieser Entwicklungen zeigt er Verständnis für Überlegungen zu einer Vier-Tage-Woche, betont jedoch, daß dies derzeit keine zentrale Forderung in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst sei.
Verdi ist für Streiks gewappnet
Stattdessen setzt Verdi laut einem Bericht in Welt auf eine Kombination aus Lohnerhöhungen und zusätzlichen freien Tagen. Für Gewerkschaftsmitglieder werden vier zusätzliche freie Tage gefordert, für andere Arbeitnehmer drei. Diese Forderung hat sich als Streitpunkt in den laufenden Verhandlungen mit Bund und Kommunen erwiesen. Da bislang keine Einigung erzielt wurde, wurde ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, das unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet. Binnen einer Woche soll eine Empfehlung erarbeitet werden, die als Basis für weitere Gespräche dient.
Sollte die Schlichtung scheitern, drohen flächendeckende Streiks. Bereits in den vergangenen Wochen kam es zu Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Nahverkehr, bei der Müllabfuhr und in sozialen Einrichtungen. Werneke sieht Verdi für längere Auseinandersetzungen gewappnet: Die Streikkasse sei gut gefüllt.
Kritik an angeblich zu geringen Arbeitszeiten in Deutschland weist Werneke entschieden zurück. Vorschläge, wie die Streichung eines Feiertages zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, hält er für unangebracht. Das eigentliche Problem liege nicht in mangelndem Arbeitseinsatz, sondern in ungenutzten Erwerbspotentialen. So gebe es Millionen Menschen ohne Schulabschluß oder in schlecht bezahlten Teilzeitjobs, die durch bessere Rahmenbedingungen stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Vor einer Diskussion über längere Arbeitszeiten müsse hier angesetzt werden. (rr)