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Schuldenbremse und Staatsfinanzen: Das Sondervermögen läutet die fiskalische Zeitenwende ein

Schuldenbremse und Staatsfinanzen: Das Sondervermögen läutet die fiskalische Zeitenwende ein

Schuldenbremse und Staatsfinanzen: Das Sondervermögen läutet die fiskalische Zeitenwende ein

Eine rote Notbremse in einem Zug der Deutschen Bahn – ein Symbolbild für die Schuldenbremse, die die künftige Bundesregierung wohl per Sondervermögen umgehen will, unter anderem um die Bundeswehr wegen des Ukraine-Kriegs aufzurüsten
Eine rote Notbremse in einem Zug der Deutschen Bahn – ein Symbolbild für die Schuldenbremse, die die künftige Bundesregierung wohl per Sondervermögen umgehen will, unter anderem um die Bundeswehr wegen des Ukraine-Kriegs aufzurüsten
Eine Notbremse in einem Zug (Symbolbild) / Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Ardan Fuessman
Schuldenbremse und Staatsfinanzen
 

Das Sondervermögen läutet die fiskalische Zeitenwende ein

Union, SPD und Grüne wollen die Bundeswehr und die Infrastruktur neu aufsatteln – und planen „Sondervermögen“ jenseits der Schuldenbremse. Doch das könnte gefährliche Folgen haben.
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Union, SPD und auch Grüne wollen dem Staat mehr Geld beschaffen. Dazu will man entweder die 2009 eingeführte Schuldenbremse im Grundgesetz (Artikel 109 und Artikel 115) aussetzen oder sie umgehen, indem neue „Sondervermögen“ aufgemacht werden, die außerhalb des Bundeshaushaltes stehen. Vorbild ist Artikel 87a, der im Zuge der Ukraine-„Zeitenwende“ 2022 um den Absatz 1a ergänzt wurde: „Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Nach nur drei Jahren ist dieser neue Schuldentopf weitgehend aufgebraucht. Nun soll es um noch gewaltigere Summen gehen: 400 Milliarden Euro für die Bundeswehr und wohl 500 Milliarden Euro für Infrastruktur sollen noch im März mit alten Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden. Die damit einhergehende zusätzliche Verschuldung ist ruinös für die Staatsfinanzen.

Allein 2024 kletterte das Finanzierungsdefizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen von 103,8 auf 118,8 Milliarden Euro. Ende vergangenen Jahres belief sich der in sieben Jahrzehnten aufgebaute Schuldenstand der vier Staatsbereiche auf etwa 2.750 Milliarden Euro – das entspricht fast sechs Bundeshaushalten. Pro Kopf gerechnet entspricht das einer Verschuldung in Höhe von etwa 32.900 Euro – Staatsschulden, die von Bürgern und Firmen zu tragen sind, zusätzlich zu ihrer individuellen Verschuldung.

Der Steuerzahler verschuldet sich pro Kopf um 77.700 Euro

Viel aussagekräftiger ist es, die Staatsschulden ins Verhältnis zu den tatsächlichen Lohn- und Einkommensteuerzahlern zu setzen. Die Schulden pro Steuerzahler betragen dann bereits heute 58.500 Euro. Würde die Kreditfinanzierung der „Sondervermögen“ hinzugerechnet, stiege die Pro-Kopf-Verschuldung der Steuerzahler auf 77.700 Euro.

Häufig wird die öffentliche Schuldenlast im Verhältnis zur jährlichen Wirtschaftsleistung, also zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausgewiesen. Danach lag sie 2024 bei schätzungsweise 63,9 Prozent des BIP gegenüber noch 62,9 Prozent in 2023. Die Kreditlast, die die neue Schuldenwelle mit sich bringt, ließe die Schuldenquote auf knapp 85 Prozent anschwellen – klar über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent und ein seit 1948 unerreichtes Ausmaß.

Und doch ist das alles nur die Spitze des Eisberges. Denn neben dem sichtbaren Schuldenberg gibt es auch noch die unsichtbaren Schulden, und zwar die staatlichen Leistungsversprechen, die aus zum Beispiel der Renten- und Pflegeversicherung rühren. Experten schätzen, daß bei gegebener Ausgaben- und Einnahmesituation die implizite Verschuldung schätzungsweise bei gut 17.000 Milliarden Euro liegt – also dem Sechsfachen der sichtbaren Verschuldung und damit bei etwa 400 Prozent des BIP.

Mit solider Theorie läßt sich das nicht begründen

Die anvisierte Kreditausweitung katapultiert die gesamte Schuldenlast damit auf 421 Prozent. Das ist mit vernünftigem Menschenverstand zweifelsohne als unbezahlbar zu bezeichnen. Das Ausweiten der Verschuldung ist um so besorgniserregender angesichts der düsteren demographischen und ökonomischen Entwicklung in Deutschland: Die Bevölkerung ist überaltert, das Wirtschaftswachstum stagniert bereits heute schon, ist mitunter sogar rückläufig.

Das läßt sich durch die unkontrollierte Immigration auch nicht halten, und immer weniger Nettosteuerzahler werden dann immer höhere Lasten tragen müssen. Unter diesen Bedingungen werden absehbar die Talentierten verstärkt abwandern, noch mehr Kapital das Land verlassen und Auslandskapital fernbleiben.

Die Befürworter der milliardenschweren Neuverschuldung beschwichtigen: Mit der Zusatzverschuldung lassen sich Nachfrage finanzieren, die die Wirtschaft antreiben, und so würden die Schuldenlasten tragbar. Allein: Weder mit solider Theorie noch mit Erfahrung läßt sich dieses falsche Versprechen begründen.

Der Ukraine-Krieg gibt die Steilvorlage

Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Steigende Staatsverschuldung läßt die Wirtschaft erlahmen. Vor allem die Rüstungsausgaben lenken knappe Ressourcen in unproduktive Verwendungen – Bomber, Drohnen, Panzer und Raketen kann man schließlich weder konsumieren noch zur Produktion und Wohlstandsmehrung nutzen.

Und so hat auch der Drang nach immer mehr Staatsschulden auch eine polit-ökonomische Ursache: In modernen Demokratien, in denen Regierungen ihre Mehrheiten erkaufen, finden sich stets Gründe, warum der Staat sich verschulden sollte: Mal geht es um „wichtige Infrastruktur“, mal um „Zukunftsinvestitionen“, mal darum, mit neuen Ausgaben eine Rezession abzuwenden. Der Ukrainekrieg und das Drohszenario eines Krieges mit Rußland scheinen nun den Politikern eine Steilvorlage zu geben, um neue Kredite aufzunehmen. Doch Staatsschulden sind ein süßes Gift.

Wachsende Staatsverschuldung bringt die Hochinflation zurück

Die „Eskalation der Staatsfinanzierung“ beginnt mit offener Besteuerung. Doch der Steuerspielraum dafür ist bald ausgeschöpft: Die Bürger merken, wie ihnen der Staat immer tiefer in die Tasche greift, und begehren dagegen auf. Deshalb steigt der Staat auf die Verschuldung um. Sie ist der Weg des geringeren Widerstands. Die Verschuldung ist scheinbar für alle gut: Der Staat gibt Anleihen aus und gelangt so an die Ersparnisse der Bürger. Letztere leihen dem Staat ihr Geld freiwillig – weil sie einen Zins bekommen, und weil sie davon ausgehen, daß nicht sie, sondern andere den Schuldendienst leisten.

Doch am Ende ist der Schuldenberg – ob für Infrastruktur oder Kriegsmaterial – untragbar, wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgekauft und mit neuem Geld bezahlt. Die Folge: Inflation, sehr wahrscheinlich Hochinflation. Daß die Kaufkraft des Euro dann den Bach runtergeht, ist so gut wie sicher. Deutschland ist dabei, das Gift der Staatsverschuldung in einer Dosis einzunehmen, die es nicht mehr verkraften kann.

Aus der JF-Ausgabe 11/25. 

Eine Notbremse in einem Zug (Symbolbild) / Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Ardan Fuessman
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