Die vom Auswärtigen Amt geförderte Studie zum einstigen Exportweltmeister Deutschland erinnert an den DDR-Witz über einen Sportwettkampf zwischen den beiden deutschen Staaten, den die Bundesrepublik haushoch gewann. Die Staatsmedien berichteten: Die DDR erzielte einen hervorragenden zweiten Platz, die BRD wurde nur Vorletzter. Heute heißt es: „Bei manchen Schmerzmitteln und Düngemitteln macht der deutsche Weltexportanteil sogar mehr als 90 Prozent aus.“ Tatsächlich waren es vor 13 Jahren noch etwa 240 Warengruppen, bei denen deutsche Unternehmen den Export dominierten, 2023 waren es nur noch 180 von 5.300 untersuchten Warengruppen.
Immerhin behaupten sich die Bereiche Chemie, Maschinenbau, Elektrotechnik und unedle Metalle. Bei bestimmten Medikamenten, chemischen Halbstoffen und optischen Mikroskopen liegt der deutsche Anteil am weltweiten Export laut der Analyse des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) bei mindestens 30 Prozent. Und von den Warengruppen mit deutscher Exportdominanz gehören nur relativ wenige zu den Bereichen Hochtechnologie und militärstrategische Sicherheit. Zahlen für 2024 gibt es noch nicht.
Die Auswirkungen von Donald Trumps Zollhürden lassen sich nur erahnen: Die USA sind bislang bei 30 Waren der Top-Abnehmer und nehmen in neun Fällen davon mindestens 30 Prozent der deutschen Exporte in der betreffenden Warengruppe ab. „Auf Platz zwei der Top-Abnehmer liegt mit deutlichem Abstand China mit sieben Waren der Fokusgruppe“, so das IW. Gemeint ist jene Produktkategorie, „bei der anhaltende Exportdominanz, Industriebezug und ein Exportüberschuß vorliegt“. Bei 27 der 57 Waren der Fokusgruppe habe sich der deutsche Exportanteil 2023 im Vergleich zu 2010 verringert. China konnte seinen Weltmarktanteil bei 23 dieser Waren im gleichen Zeitraum teils erheblich ausbauen.
Deutschland ist bedroht von Exportweltmeistern USA und China
Daß Deutschlands Exportwirtschaft künftig noch mehr in die Bredouille kommt, davor warnt auch die Bertelsmann-Stiftung („Außenwirtschaft unter Druck: Handelspolitische Themen für die nächste Bundesregierung“; PolicyBrief 3/25). Danach hängt jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland direkt oder indirekt vom Export ab. 46 Prozent der Ausfuhren gehen in Nicht-EU-Länder. Allerdings seien die deutschen Exporte nach kurzer Erholungsphase nach Corona 2023 und 2024 zwei Jahre in Folge gesunken – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Die deutsche Außenhandelsquote – also die Summe aus Exporten und Importen in Relation zum BIP – lag 2023 bei etwa 83 Prozent. Das ist die höchste Quote unter allen G7-Staaten und ein Grund für den Zorn im Weißen Haus.
Die US-Zollhürden für die Autoindustrie sind daher nachvollziehbar: Nur 881.000 E-Autos exportierten deutsche Konzerne 2024. Weitaus mehr gefragt sind Verbrenner: So wurden 1,4 Millionen Benziner, 512.000 Autos mit Dieselmotor und 584.000 Hybridfahrzeuge verkauft. Insgesamt hatten die verkauften Pkw einen Wert von 135 Milliarden Euro, was einen Rückgang um 1,3 Prozent bedeutet, während die Exportmenge um 2,5 Prozent stieg. Größter Abnehmer waren die USA mit einem Anteil von 13,1 Prozent aller neuen Autos, gefolgt von Großbritannien (11,3 Prozent) und Frankreich (7,4). Bei Fahrzeugen und Maschinen „Made in Germany“ insgesamt sind die USA und China die größten Abnehmer.
Bei Pharma-Erzeugnissen war der Exportanteil Richtung USA mit 23,3 Prozent überdurchschnittlich hoch, und der Anteil Chinas lag mit 3,5 Prozent unter dem Durchschnitt. Die guten Bilanzen sehen die IW-Forscher allerdings kritisch: Angesichts Chinas Auftreten als Systemrivale und des Agierens der US-Regierung sei es nötig, eigene kritische Abhängigkeiten zu kennen und eigene Stärken zu identifizieren. Und die Bertelsmann-Autoren weisen darauf hin, daß China nicht nur in neuen Technologien wie Batterien und E-Autos, sondern auch in Bereichen, in denen deutsche Unternehmen Weltspitze sind, wie Maschinen- und Automobilbau und Chemie, Anteile gewinnen konnte.
Deutschlands neue Regierung muß sich in Brüssel durchsetzen
Der deutsche Abstand zum Exportweltmeister China – Weltanteil über 30 Prozent in 1.500 Warengruppen – und auch zu den USA (rund 350 Warengruppen) vergrößert sich immer mehr. Immerhin bescheinigen die IW-Ökonomen der deutschen Wirtschaft im Vergleich mit ähnlich großen Volkswirtschaften weiterhin eine starke Position. Italien dominiert lediglich bei 141 Warengruppen, Frankreich bei 73, und selbst Japan kommt nur auf gut 100. Andererseits könnten die EU-Staaten zusammen laut IW in mehr als doppelt so vielen Bereichen eine Exportdominanz vorweisen wie China.
Da Deutschland unter den EU-Mitgliedstaaten das mit Abstand größte Handelsvolumen und den größten Handelsüberschuß mit den USA hat (70 Milliarden Euro). So sind wir in den besonderen Fokus von Trump gekommen. 2024 lag der US-Zollsatz nur bei 2,5 Prozent – und fast jeder dritte Porsche und jeder sechste BMW wurde so mit Gewinn in Nordamerika verkauft. Bei VW, Audi und Mercedes lag der Anteil immerhin bei zwölf bis 15 Prozent. Allerdings berechnete die EU bislang umgekehrt zehn Prozent plus 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer. Und das galt nicht nur für verzichtbare Ford- oder Dodge-Modelle, sondern auch für BMW X3 und X5 aus dem Werk in South Carolina oder den großen VW Atlas aus Tennessee.
In Zeiten von Handelskonflikten ergebe sich ein „erheblicher Handlungsdruck in der Handelspolitik in den Bereichen Zölle, Investitionen, Wettbewerb und Globale Partnerschaften“, heißt es in der Bertelsmann-Studie. Erinnert wird daran, daß die Außenhandels- und Zollpolitik die ausschließliche Kompetenz der EU“ sei und jede neue Bundesregierung vor der Aufgabe stehe, ihre Vorstellungen auf europäischer Ebene einzubringen. Auch sei es Zeit, verhandelte Freihandelsabkommen endlich zu ratifizieren und künftig verstärkt auf sektorale Abkommen und Partnerschaften zu setzen.