BRÜSSEL. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat davor gewarnt, die Inflation könnte eine längere Zeit andauern. Zwar gehe die EZB davon aus, daß die Lieferkettenprobleme im Laufe des kommenden Jahres nachließen. „Doch der Rückgang wird länger dauern als ursprünglich gedacht“, sagte die Notenbankerin laut den Nachrichtenagenturen Reuters und dpa am Montag in einer Anhörung des EU-Parlaments.
Falls die Lieferprobleme anhielten und die Energiepreise weiter stiegen, könnte die Teuerung länger erhöht bleiben, als es die EZB derzeit erwarte, erklärte die Französin. „Mittelfristig“ gehe die Behörde aber davon aus, daß die Inflation unter dem Zwei-Prozent-Ziel bleibe. Welcher Zeitraum damit gemeint sei, konkretisierte Lagarde aber nicht.
Im Oktober hatte die Inflationsrate in der Eurozone bei 4,1 Prozent gelegen, was deutlich über der Zwei-Prozent-Marke ist. In Deutschland lag der Wert bei 4,5 Prozent. Eine höhere Rate gab es zuletzt im August 1993.
Kritik aus Deutschland: EZB zu zögerlich
Die Zentralbankchefin verwies auch auf die Corona-Pandemie. „Die Herausforderung ist noch nicht vorbei. Nicht nur der Verlauf der Pandemie, sondern auch die von den politischen Entscheidungsträgern getroffenen Entscheidungen werden weiterhin über die Stärke der Erholung entscheiden.“ Die Währungshüter hatten bei ihrer jüngsten Sitzung trotz der steigenden Preise einem Anstieg der Zinsen eine Absage erteilt.
Dieses Verhalten ruft zusehends Kritik hervor. „Das vermeintliche Allheilmittel in den vergangenen Jahren – niedrige Zinsen bei vermeintlich stabilen Preisen – hat seine Wirkung verloren, denn jetzt kämpfen wir mit deren Nebenwirkungen“, zitierte die dpa am Montag Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Die EZB müsse gegensteuern, „und das eher früher als später“.
Sewing, der auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken ist, mahnte: „Die Folgen dieser ultralockeren Geldpolitik werden sich immer schwerer heilen lassen, je länger die Zentralbanken nicht gegensteuern.“ (ls)