BERLIN. Führende deutsche Ökonomen haben sich gegen sogenanntes Helikoptergeld im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen in der Coronakrise ausgesprochen. „Jetzt brauchen spezielle Gruppen liquide Mittel, zum Beispiel Einzelunternehmer, Gastwirte, kleine Firmen“, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, laut der Nachrichtenagentur Reuters. Diesen müsse gezielt geholfen werden.
Beim Helikoptergeld, einer pauschalen Geldauszahlung an alle Bürger, würden die Mittel hingegen auch an Personen vergeben, die gar kein Geld brauchten, ergänzte Felbermayr. Ähnliche sieht das das gewerkschaftsnahe Institut für Markoökonomie und Konjunkturforschung. „Wir müssen gezielt den besonders betroffenen Gruppen helfen, also Kurzarbeitern und Arbeitslosen“, kommentierte dessen Wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien.
Die US-amerikanische Regierung kündigte in der Nacht zu Mittwoch ein 1,2 Billionen Dollar schweres Hilfspaket an. Mehreren Finanzportalen zufolge soll eine der Maßnahmen die Verteilung von Konsumschecks sein. Laut den Plänen sollen US-Bürger diese demnächst über die Steuerbehörde erhalten. Über die Höhe war zunächst nichts bekannt. Zuvor hatte bereits die Regierung in Hong Kong beschlossen, seinen Bürgern umgerechnet jeweils rund 1.200 Euro zu schenken.
Scholz: „Es wird heftige Verwerfungen geben“
Daß es in den kommenden Monaten auch in Deutschland zu einer deutlichen Konjunkturabschwächung kommen wird, davon ist auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) überzeugt. „Sicher ist: Es wird heftige Verwerfungen geben. Aber wir wollen den Schaden so gering wie möglich halten und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen“, sagte Scholz der Zeit.
Neben dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld habe er zusammen mit Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) ein Kreditprogramm auf den Weg gebracht, um die Liquidität von Unternehmen zu sichern. Weil dies möglicherweise nicht ausreichen könnte, überlege das Kabinett gerade, wie bestimmte Firmen und Betriebe direkt gefördert werden können.
„Wenn also zum Beispiel Miete gezahlt werden muß für Geschäftsräume, die aber wegen des Coronavirus nicht geöffnet werden dürfen, dann wird es nötig sein, daß wir helfen können. Wir diskutieren gerade darüber, wie sich das möglichst unbürokratisch umsetzen läßt“, verdeutlichte der SPD-Politiker. Auch schloß er Verstaatlichungen von Betrieben nicht aus. Überdies werde über eine Lockerung der Grundsicherung für Selbständige sowie über eine Unterstützung für Eltern nachgedacht, die wegen der Coronakrise zu Hause bei ihren Kindern bleiben müssen.
Ökonomen sagen schwerere Rezession als nach der Finanzkrise voraus
Wie das Finanzministerium am Mittwoch mitteilte, plant das Bundeskabinett auch für den Haushalt 2021 keine neuen Schulden zu machen. Das Haushaltsvolumen steige von 362 Milliarden auf etwas über 370 Milliarden Euro. Neben Investitionen in den Breitbandausbau und den Verkehr seien auch mehr Ausgabe für den Klimaschutz und die Verteidigung geplant.
In den Plänen nicht mit eingerechnet sind allerdings die Folgen und Kosten der Coronakrise, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Diese seien derzeit nicht seriös bezifferbar. Viele Ökonomen sagen eine Rezession voraus. Der Bankenverband BdB rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um vier bis fünf Prozent. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geht von einer schwereren Rezession aus als nach der Finanzkrise 2008. Damals war die deutsche Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent eingebrochen. (ls)