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Öffentliche Sackgasse

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Vielleicht ist der Gedanke so alt, wie es die öffentliche Unterstützung von Arbeitslosen gibt: Arbeitsfähige Menschen, die auf die Hilfe der Allgemeinheit angewiesen sind, sollten für diese auch Arbeiten ausführen – und durch diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme irgendwann zu einer regulären Beschäftigung finden. Aber wahrscheinlich ist auch die Kritik an dieser Maßnahme genauso alt: daß diese öffentlich geförderten Tätigkeiten nämlich zu unbeabsichtigen oder sogar schädlichen Effekten führen. Beispielsweise, indem sie möglicherweise in Konkurrenz zur herkömmlichen Erwerbsarbeit treten. Ein gutes Beispiel dafür könnten die 2005 in Deutschland eingeführten „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“, besser auch als „Ein-Euro-Jobs“ bekannt, werden.

Dabei waren sich die Initiatoren durchaus den Gefahren bewußt. So werden diese Arbeitsgelegenheiten in der entsprechenden Passage des zweiten Sozialgesetzbuches als „im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten“ charakterisiert (§ 16 Abs. 3 SGB II). Das dritte Sozialgesetzbuch grenzt entsprechend „öffentliches Interesse“ und „zusätzliche Arbeit“ von regulären Beschäftigungsformen ab, „deren Ergebnis überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient“ (§ 261 SGB III). Dadurch sollte ein schädlicher Einfluß auf den Arbeitsmarkt vermieden werden.

Ein frommer Wunsch, wie bereits voriges Jahr der Bundesrechnungshof in einem Bericht für den Bundestag feststellte. So entsprach damals jede vierte Stelle nicht den gesetzlichen Anforderungen, „weil die zu erledigenden Tätigkeiten nicht im öffentlichen Interesse, nicht zusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral waren“. Bei jeder zweiten Stelle konnte dies noch nicht einmal überprüft werden, da die betreffenden Behörden erst gar nicht über entsprechende Informationen verfügten.

Das der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) angegliederte Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IBA) stellte zu dieser Thematik nun eine empirische Untersuchung über „Soziale Arbeitsgelegenheiten. Einsatz und Wirkungsweise aus betrieblicher und arbeitsmarktpolitischer Perspektive“ vor. Die Autoren Anja Kettner und Martina Rebien gehen in diesem Forschungsbericht unter anderem der Frage nach, „ob durch Soziale Arbeitsgelegenheiten reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängt werden“.

Als Grundlage für ihre Untersuchung verwendeten die Autoren die jährliche Erhebung der IAB zum gesamtwirtschaftlichen Stellenangebot, die für 2005 und 2006 – seit der Einführung des Ein-Euro-Jobs – um zusätzliche Fragen zu diesen ergänzt wurde. Dabei wurden nicht nur „öffentliche und gemeinnützige Betriebe, Verwaltungen und Vereine“ befragt, sondern auch rein privatwirtschaftliche Unternehmen. Denn anders als allgemein häufig angenommen, können auch letztere „Ein-Euro-Jobber“ einstellen, insofern die Tätigkeit keine wirtschaftliche Rentabilität erfüllt.

Hälfte der Betriebe erfüllt nicht die gesetzlichen Auflagen

Die Autoren der Untersuchung kommen zu ähnlichen, wenn auch nicht so drastisch formulierten Ergebnissen wie der Bundesrechnungshof: „In fast der Hälfte aller Betriebe mit Sozialen Arbeitsgelegenheiten erfüllt unserer Einschätzung nach mindestens ein Teil der Sozialen Arbeitsgelegenheiten die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Einrichtung nicht.“

Hier findet also eine verdeckte Subvention von Betrieben statt, mit entsprechenden wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen. Auch ein wesentliches Anliegen der Maßnahme – die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten in den ersten Arbeitsmarkt – wird nicht erfüllt. „Nur bei zwei Prozent aller geeigneten Zusatzjobber wird beabsichtigt, diese in die Belegschaft zu übernehmen, bei weiteren fünf Prozent denken die Betriebe darüber nach. Für alle anderen besteht die Möglichkeit der Übernahme aus betrieblicher Sicht nicht.“

Deutlicher noch wird Christian Hohendanner in einem Diskussionspapier des IAB. Prinzipiell bezweifelt er, daß das Kriterium der Zusätzlichkeit überhaupt ausreichend von einer Substitution regulärer Arbeit abgegrenzt werden kann. Denn schlußendlich ist es Definitionssache des Maßnahmeträgers, ob anfallende Arbeit innerbetrieblich als „zusätzlich“ betrachtet wird und sie – wie das dritte Sozialgesetzbuch verlangt – „ohne die Förderung nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden“ kann. Gerade bei Kommunen sieht Hohendanner die Gefahr einer schlichten Auslagerung von Personalkosten: „Der ‚organisierte Wettbewerb‘ im Sozialsektor (…) führt dazu, daß Betriebe des Sozialsektors aus existenzieller Notwendigkeit heraus Ein-Euro-Jobs als Rettungsanker begreifen (müssen). Gerade im Dritten Sektor entscheidet die Fähigkeit der Akquise von Mitteln der öffentlichen Hand, das heißt auch die Akquise von Ein-Euro-Jobs (…), über die Fortführung sozialer Projekte oder gar über die Existenz einer Einrichtung.“

Durch Datenvergleich der IAB-Erhebungen aus dem Vor- und dem Folgejahr kann Hohendammer daher – wenigstens für den Osten Deutschlands – einen eindeutigen Trend ausmachen: „Zumindest ostdeutsche Betriebe, die im 1. Halbjahr 2005 Ein-Euro-Jobber beschäftigt haben, haben im gleichen Zeitraum mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte entlassen bzw. weniger eingestellt als Betriebe, die keine Ein-Euro-Jobber einsetzen.“

Die IAB-Untersuchung von Anja Kettner und Martina Rebien im Internet

Das IAB-Diskussionspapier von Christian Hohendanner im Internet

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