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40 Prozent Gewinner, 60 Prozent Verlierer

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Wo ein Kinderwagen als Darlehen gewährt und mit Krediten finanziert werden muß, werden Kinder bereits mit Schulden geboren“, erklärte Hans-Jürgen Marcus, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz (NAK) am 28. März bei der Vorstellung einer sozialen Bilanz der Hartz-IV-Reformen. Für eine Vielzahl der Arbeitslosengeld II-Bezieher (ALG II) habe sich die Lage dramatisch verschlechtert. „Die Instrumente des Forderns wurden stark ausgebaut, die Instrumente des Förderns aber eingeschränkt.“ Die NAK, in der 14 Verbände wie DGB, DRK oder Arbeitwohlfahrt (Awo) zusammengeschlossen sind, forderte daher unter anderem – auch wegen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung – eine pauschale Anhebung des ALG II von derzeit 345 auf einheitlich 420 Euro. „Enteignung“ langjähriger Beitragszahler durch Hartz IV Vergangenen Donnerstag debattierte auch der Bundestag auf Antrag der Linksfraktion erneut über das Thema Hartz IV. „Die drastische Kürzung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I hat zu einer Enteignung langjähriger Beitragszahler geführt“, hieß es im Antrag der Linkspartei. Die Anrechnung des Partnereinkommens müsse gerechter gestaltet werden, „um zu verhindern, daß insbesondere Frauen aus dem Leistungsanspruch herausfallen“. Renten bei Erwerbsminderung und bei Erwerbsunfähigkeit des Partners und Pflegegeld sollten nicht mehr auf das ALG II angerechnet werden. Die Pauschalkritik der Linkspartei, „Hartz IV ist Armut per Gesetz“, ist allerdings nicht gerechtfertigt. Zu diesem Schluß kommt eine aktuelle Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Unter dem Titel „Auswirkungen der Hartz IV-Reform auf die personelle Einkommensverteilung“ kommen die beiden Autoren, Irene Becker und Richard Hauser, darin zu dem Resultat, daß etwa 40 Prozent der ALG II-Empfänger finanziell gegenüber der alten Arbeitslosenhilfe oder der Sozialhilfe gewonnen haben. Die anderen rund 60 Prozent haben dagegen seit Anfang 2005 zum Teil deutliche finanzielle Einbußen zu beklagen gehabt. Deutlich schlechter gestellt sind seit der Neuregelung in erster Linie diejenigen früheren Empfänger von Arbeitslosenhilfe, die bis 2004 aufgrund der damaligen Koppelung an das vormalige Arbeitseinkommen (und damit verbundener hoher Steuer- und Sozialbeiträge) vergleichsweise hohe Leistungen erhielten. Im Durchschnitt erhält seither diese Gruppe rund 20 Prozent weniger. Während sich bei den alleinstehenden ehemaligen Arbeitslosenhilfebeziehern Gewinner und Verlierer immerhin noch annähernd die Waage halten (56,7 Prozent Gewinner gegenüber 43,3 Prozent Verlierer), sind fast 90 Prozent der Haushalte mit einem Arbeitslosenhilfe-Bezieher und einem in Vollzeit beschäftigten Partner schlechter gestellt als vor der Reform. Ein Viertel dieser Haushalte verlor durch die Anrechnung des Einkommens des (Ehe-)Partners den Anspruch ganz und mußte sich darüber hinaus darauf einrichten, nun die notwendigen Versicherungsbeiträge, beispielsweise Kranken- und Pflegeversicherung selbst zu übernehmen. Besser gestellt sind durch die neue Regelung beispielsweise ehemalige Arbeitslosengeld-Bezieher mit geringen Auszahlungen, die aus Unwissen oder sonstigen Gründen bis 2004 keinen Antrag auf ergänzende Sozialhilfezahlung gestellt hatten, da jetzt diese Beiträge automatisch an den Einheitssatz angepaßt werden. Hartz führte weiter dazu, daß sich die Schere zwischen den Einkommen aller Haushalte weiter vergrößerte. Die Anzahl der Hartz IV-Empfänger, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens erhalten und damit laut EU-Definition als relativ arm bezeichnet werden können, stieg insgesamt gegenüber der Zahl der Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger von 2004 nach der alten Regelung. Schere zwischen den Einkommen weiter vergrößert Die Zahl der einstigen Arbeitslosenhilfeempfänger, die unter diese Gruppe fallen, wuchs von etwa 50 (2004) auf 60 bis 65 Prozent (2005). Mehr Einkommensarmut in Haushalten mit mindestens einem Hartz IV-Empfänger gibt es auch bei den Familien mit Kindern. Während etwa in Nordrhein-Westfalen vor der Reform 965.000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren davon betroffen waren, ist die Zahl inzwischen auf 1,5 Millionen angestiegen. Für Verdruß bei den Empfängern von Hartz IV-Leistungen sorgen jedoch nicht nur diese Fakten. Kritik wird von Sozialverbänden, Kirchen und Arbeitnehmerorganisationen insbesondere daran geübt, daß sich das Versprechen der Reform, für eine bessere Betreuung, Vermittlung und stufenweise Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu sorgen, nahezu überhaupt „nicht erfüllt“ habe, wie etwa Heinz-Josef Kessmann, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (IDA) und Caritas-Direktor im Bistum Münster, urteilte. Gerade für junge Leute – eine Hauptklientel der Reform – hat sich, so Kessmann, die Lage „nicht verbessert, sondern eher verschlechtert“. Förderung und Weiterbildung finde aus Kostengründen kam noch statt. Die „Ein-Euro-Jobs“ hätten sich nur selten als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt erwiesen (JF 52/04). Statt dessen stelle die Caritas fest, daß sich Bedürftige zunehmend verschuldeten, weil sie mit dem Regelsatz von 345 Euro pro Monat nicht auskämen. Der Bedarf an Kleiderstuben und Essens-Tafeln sei seit Beginn der Sozialreform weiter gestiegen. Erste Korrekturen an Hartz IV gibt es inzwischen schon. So hat die schwarz-rote Bundesregierung die Angleichung des Grundbetrages Ost auf den bisherigen Bedarfssatz West (von 331 auf 345 Euro) beschlossen. Im Gegenzug wurde eine Kürzung des Leistungssatzes für bis zu 25jährige auf 288 Euro und Einschränkungen bei den Unterkunftskosten durchgesetzt. Das Hartz IV-Grundübel aber, daß Arbeitnehmer nach 30 oder gar 40 Jahren Arbeit mit 55 Jahren zum Sozialfall werden können und dann wie Mittzwanziger behandelt werden, die noch nie gearbeitet haben, harrt immer noch der Lösung. Irene Becker/Richard Hauser: Verteilungseffekte der Hartz-IV-Reform, Edition Sigma, Berlin 2006, kartoniert, 111 Seiten, 11,90 Euro Die „Sozialpolitische Bilanz 2005“ der NAK findet sich im Internet unter:
www.nationale-armutskonferenz.de/publications/Bilanz-Hartz-05.pdf

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