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Marc Jongen, ESN Fraktion

Nur ein Vorwand zum Abkassieren

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Nur ein Vorwand zum Abkassieren

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Cato, Palmer, Exklusiv

Deutsche Ornithologen ließen kürzlich mit einer Meldung aus der Kategorie „Technik gestaltet Natur“ aufhorchen: Heimische Singvögel ahmten in zunehmendem Maße die Klingeltöne von Mobiltelefonen nach. Der Grund für das neue Gesangsrepertoire: vormals scheue Waldvögel übersiedeln in die Städte und passen sich ihrem neuen Lebensraum, durch Annahme des herrschenden „Sprachgebrauchs“ an. Wie dieses Beispiel von Integration auch anderswo Schule machen könnte, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Vielmehr führt das mobile Federvolk von mobilen Telefonen zu dem, was die mobile Kommunikation erst möglich macht: den Sendeanlagen. Am 2. Juni 2005 kündigten ÖVP und SPÖ von Niederösterreich (NÖ) ein neues „Sendeanlagenabgabengesetz“ an. Am 20. Juni wurde selbiges im Landtag beschlossen. Seither gehen die Wogen, auch abseits der Donau, hoch. Die Mobilfunkbetreiber sprechen von „Willkür-Politik“ und „Existenzgefährdung“. Die FPÖ-NÖ sieht das „Raubritterteam“ von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Werk. Vizekanzler und Infrastrukturminister Hubert Gorbach nennt die Sendeanlagenbesteuerung „Mumpitz-Gesetz“ und „Geldbeschaffungsaktion“. „Durch derartige Gesetze werden die Bemühungen der Bundesregierung um Ausbau und Stabilität der Infrastruktur in Österreich konterkariert“, so der zum Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) enteilte Ex-FPÖ-Politiker. Gorbach will das Gesetz folglich „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ verhindern. Worauf gründet sich die breite Front der Empörung? Thomas Barmüller, Chef des Lobbyvereins Forum Mobilkommunikation (FMK), ortet Widersprüche im Gesetzestext und den erläuternden Bemerkungen. Die vorgeschriebene Selbstberechnung der Steuer sei aufgrund des unklaren „Kauderwelsch“ faktisch unmöglich. Eine falsch berechnete Steuer aber werde rigoros sanktioniert. Nur Anlagen auf privatem Grund werden besteuert Die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) moniert „rechtliche Bedenklichkeit“. Da nur Anlagen auf privatem Grund besteuert würden, sei das Gesetz gleichheitswidrig und führe zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. In die gleiche Kerbe schlagen weitere Kommunikationsfirmen. Die kommerziellen Antennenbetreiber müßten mit der Nökom konkurrieren, die zur Hälfte dem Land Niederösterreich und dessen Stromversorger EVN gehört. Die niederösterreichische Landesregierung werde sicher Möglichkeiten finden, zusätzliche Subventionen, im Gegenwert der Steuer, an die Nökom auszuschütten. Einig sind sich sämtliche Kritiker auch dahingehend, daß das Ziel einer Eindämmung des „Masten-Wildwuchses“ durch die neue Steuer nicht erreicht werden könne. Die unbeirrte Landespolitik indes geht weiterhin davon aus, die derzeit rund 400 in Betrieb befindlichen Anlagen, kraft ihres zungenbrecherischen Sendeanlagenabgabengesetzes auf ein Drittel reduzieren zu können. Mag sein, hier ist wieder einmal der fromme Wunsch Vater des Gedankens – die geplanten Mehreinnahmen von knapp 50 Millionen Euro rechtfertigen vorwändigen Erfindungsreichtum ja allemal. So darf man also gespannt sein, wer sich im Ringen der hohen Landesfürstlichkeit mit der mobilfunkenden Wirtschaftsmacht letztendlich durchsetzen wird. Für die um ihr Wohl besorgten Mobilfunkgegner, die jenen medizinischen Studien Glauben schenken, denen zufolge die unmittelbare Nachbarschaft von Sendemasten ein latentes Gesundheitsrisiko für Anwohner darstellt, sei gesagt: für derlei Bedenken haben weder Gesetzgeber noch Wirtschaft ein offenes Ohr. Für die eingangs erwähnte Vogelwelt dagegen eröffnet der, eher mediale Sommerlöcher als klaffende Budgetlöcher stopfende Zank der Streitparteien völlig neue, bestandssichernde Perspektiven. Kommt schlußendlich eine klassisch österreichische Lösung und damit ein substanzloses Gesetz zustande, das niemandem etwas bringt, dafür aber allen Beteiligten den befürchteten Gesichtsverlust erspart, schlägt erneut die Stunde der umtriebigen Steuererfinder. Wenn Amsel, Drossel Fink und Star schon darauf bestehen, Signal- und Klingeltöne nachzuträllern, könnte man diese Tonfolgen patentieren lassen und entsprechende Urheberrechte geltend machen. Sobald sich eine lernfähige Dohle jenen Klingelton ins Geäst „herunterlädt“, der regelmäßig aus dem vierten Stock, drittes Fenster, Westseite, erschallt, wäre der entsprechende Netz-Teilnehmer, unter Androhung eines Plagiatsprozesses, zur Zahlung der anfallenden Tantiemen verpflichtet. Für den solcherart zur Kasse geflöteten Mobilfunk-Kunden spielte es ja keine Rolle, ob sich sein Netzbetreiber durch Gebührenerhöhungen für die neue Sendeanlagensteuer an ihm schadlos hält oder eine Klingeltonimitierungsabgabe seitens der Kommune erhoben wird. Für die stimmbegabte, aber bedrohte Vogelwelt wäre die zweite Variante – geschützt wird bevorzugt, woran etwas zu verdienen ist – wohl vorzuziehen.

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