Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, daß die Gefahren der „Grünen Gentechnik“ möglicherweise unterschätzt werden. Wissenschaftler raten zum sorgfältigeren Umgang mit gentechnisch modifizierten Pflanzen. In Deutschland tut man sich schwer mit der „Grünen Gentechnik“, und der von Verbraucherschutzministerin Renate Künast ins Feld geführte Entwurf zum Gentechnikgesetz gilt als heißes Eisen. Das wurde nun deutlich, als selbst der Vermittlungsausschuß die längst überfällige Entscheidung nach der Pattsituation (rot-grüne Mehrheit im Bundestag – CDU-Mehrheit im Bundesrat) überraschend vertagte. Zuvor nämlich sickerte durch, daß das SPD-FDP-regierte Rheinland-Pfalz und das SPD-PDS-regierte Mecklenburg-Vorpommern mit den Unions-Ländern gegen den Entwurf stimmen wollten und dann eine für die Verabschiedung notwendige Zweidrittel-Mehrheit gefehlt hätte. Das vermeintlich innovationsfeindliche Gesetz wäre somit gescheitert. Überhaupt stehen schwere Zeiten für die Verfechter der „Grünen Gentechnik“ an: 2003 scherten 32 chinesische Lebensmittelproduzenten aus der Reihe und verbannten gentechnisch veränderte Produkte aus ihrem Angebot. Vor dem Schweizer Agro-Konzern fiel – trotz EU-Verkaufsfreigabe – der Genmais Bt11 von Syngenta in Ungnade: man könne „den gentechnisch veränderten Mais in der aktuellen Lage nicht vermarkten“. Selbst in den USA entsagte der Gentechnikkonzern Monsanto von selbst bis auf weiteres seinen bis dato aufwendigen Forschungsaktivitäten mit Bt-Weizen. Zudem wurde eine EU-weite Zulassung von Monsantos Genraps GT73 zunächst einmal von fast allen neuen EU-Ländern vereitelt. Zwar traut kaum einer diesen Wundertüten, die in den Hexenkesseln hermetisch abgeriegelter Laboratorien machthungriger Global Player geschaffen werden, und noch weniger dem Allerweltsegen, den diese versprechen. Im Schnitt denken zwei Drittel befragter Bürger so – in Deutschland, Großbritannien und mittlerweile auch den USA. Sorgfältiger mit Gen-Pflanzen umgehen Zu Recht, denn in jüngster Zeit wendet sich die Wissenschaft vermehrt an die Öffentlichkeit und läßt die Gentechnik in keinem guten Licht erscheinen. So wiesen US-Biologen DNA-Sequenzen von gentechnisch veränderten Pflanzen in traditionellen Sorten nach und schlußfolgerten, daß sich die Ausbreitung von DNA-Sequenzen nicht kontrollieren lasse. Dies bestätigt eine Studie der US-Umweltbehörde EPA, wonach Fremdgene in über 21 Kilometer entfernten konventionellen Pflanzen gefunden wurden (Proceedings der US-Akademie der Wissenschaften/Pnas, im Internet: www.pnas.com ). Pflanzenpollen, so befürchten die Experten, könnten noch weiter getragen werden. Eine andere Studie belegte zweifelsfrei die Gen- sowie die entsprechende Funktionsübertragung von genmanipulierten auf unveränderte Pflanzen selbst über eine Pollenbarriere hinweg. Mitunter warnen die Forscher davor, daß sich die Resistenzbildung bei Insekten erheblich beschleunigen wird. Ein vorläufiges Fazit ziehen die Amerikanische Akademie der Wissenschaften und das US-Agrarministerium in einem gemeinsamen Aufruf. Darin raten die Wissenschaftler, sorgfältiger mit gen-modifizierten Pflanzen umzugehen, und kritisieren jene Unternehmen, die zu schnell neue Pflanzen kreieren. Solche Ergebnisse lassen mitunter zwei Schlüsse zu: Zum einen ist die „Grüne Gentechnik“ keine konsequente Weiterentwicklung klassischer Zuchtmethoden. Bisher kreuzte man zielgerichtet Individuen, um ein oder mehrere Merkmale in der Nachfolgegeneration zu verbessern. Dieses Konzept ist überschaubar, und einen Fehlschlag hat man in der Regel im Griff. Ganz anders verhält es sich, wenn an der Erbsubstanz von Pflanzen geschnitten und gekittet wird – und das nach letztlich wirtschaftlichem Kalkül. Hier geht man im wahrsten Sinne des Wortes ans Eingemachte und spielt mit den Würfeln Gottes. Pflanzen mit gezielt veränderter Erbsubstanz in die freie Natur zu entlassen, das ist Evolution mit der Brechstange! Zum zweiten deuten die wissenschaftliche Ergebnisse darauf hin, daß man immer noch in den Kinderschuhen steckt. Dies und die Gefahr, daß sich die Politik zu weit hinauslehnt, machen weitere Erkenntnisse von unabhängiger Seite zwingend erforderlich. Die dazu unabdingbaren Versuche zu vereiteln und Versuchsfelder zu vernichten, wie dies in Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt durch radikale Hand bereits geschehen, ist im übrigen schärfstens zu verurteilen. Daß deshalb selbst mittelständige Unternehmen wie etwa die Kleinwanzlebener Saatzucht in der Magdeburger Börde ihre forschenden Aktivitäten außer Landes verlagert, liegt nicht im Interesse des Gemeinwohls. Zu befürworten ist viel eher, daß die kommerzielle Gentechnik im Pflanzenbau durch gentechnikfreie Anbauregionen vorerst verhindert wird. Zumindest so lange, wie man ins Blaue hinein experimentiert. Trotz des momentan angedachten Gentechnikgesetzes und der verlogenen Koexistenzregelung und trotz gegenstandsloser Hetzkampagnen gegen vermeintlich gentechnikverseuchte Milch à la Greenpeace steht fest: Gentechnische Methoden, betrieben nach ökologischen und selbstverständlich auch ökonomischen Motiven, werden einen festen Platz in einer modernen Pflanzenproduktion finden. Denn sonst würden wir ja noch immer über offenem Feuer kochen.
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