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Das Monster in der Suppe

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Mitte der sechziger Jahre bildete sich die Überzeugung, wonach ein Faktor im Schutz der Umwelt darin bestehen muß, Flora und Fauna der Erde vor dem Kommerz zu schützen. Aus diesem Ansatz entwickelte sich das Washingtoner Artenschutzabkommen (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora/Cites), welches 1975 von über 80 Staaten unterzeichnet wurde. Seitdem hat sich die Vereinbarung ständig ausgeweitet und hat inzwischen den Nimbus einer „Charta für die Rechte der Natur“, gegen die kein Staat mehr direkt auftreten kann, ohne einen beträchtlichen Imageschaden zu erleiden. Vom 3. bis 13. Oktober fand jetzt die 13. Cites-Konferenz in Bangkok statt. Die maßgeblichen deutschen Umweltverbände sind mit den dort erzielten Ergebnissen insgesamt zufrieden: „Die Staaten haben erkannt, daß Schutz und Nutzung von gefährdeten Tieren und Pflanzen Hand in Hand gehen müssen“, erklärte Volker Homes, der für den WWF an der Tagung in Thailand teilnahm. Die Entwicklung vor allem bei Fischen und Hölzern sei erfreulich. „In der Vergangenheit widmete sich Cites vor allem den bekannten Arten wie Elefanten, Nashörnern, Raubkatzen oder Walen. Seit der letzten Konferenz 2002 in Santiago de Chile ist jedoch ein neuer Trend erkennbar, der auch in Bangkok fortgesetzt wurde. Die wirtschaftlich relevanten ‚Mauerblümchen‘ rücken immer mehr in den Vordergrund“, freute sich Homes. Irrawaddy-Delphin, Weißer Hai, Napoleonsfisch und Minkewal sind die großen Gewinner der Artenschutzkonferenz, meint die Artenschutzexpertin des Naturschutzbundes (Nabu), Heike Finke: „Vor allem die Aufnahme des Weißen Hai in Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens kann als kleine Sensation gefeiert werden.“ Auch für viele Schildkröten-, Vogel-, Orchideen- und tropische Holzarten könnten nach der Konferenz bessere Zeiten anbrechen. Die japanische Delegation, die schon immer für eine Aufweichung des Meeresartenschutzes eingetreten war, mußte Bangkok als Verlierer verlassen. Für den bis zu zwei Meter langen und 190 Kilogramm schwere Napoleonsfisch beispielsweise, für dessen Fleisch Feinschmecker bis zu 175 US-Dollar pro Kilogramm zahlen, wurde der Handel eingeschränkt. Bei der Größe des Fisches bedeutet das pro Exemplar den stolzen Preis von bis zu 33.000 Dollar. Doch es gab auch – je nach Standpunkt – Rückschritte: So wurden Nashörner in Namibia und Südafrika zum Abschuß für Trophäenjäger wieder begrenzt freigegeben. Auch die Zulassung des touristischen Handels mit zertifizierten Elfenbeinschnitzereien aus Namibia trübt das insgesamt positive Ergebnis, erklärten die Sprecher einzelner Umweltverbände. Von diesen Zugeständnissen gingen falsche Signale aus, zumal nun wieder die Gefahr wächst, daß geschmuggelte oder umdeklarierte Ware in die Regale kommt. Der unangefochtene „Star“ dieser Konferenz war jedoch der Hai. Kaum ein anderes Tier der Meere scheint so viele Emotionen schüren zu können wie dieses Raubtier. Sein Scherflein dazu beigetragen hat ohne Zweifel der US-Film-Klassiker „Der weiße Hai“. Der Film schürte Alpträume und manifestierte den Fisch als Inkarnation des Bösen, als das menschenfressende Monster der Meere. Doch Untersuchungen und Vergleiche widersprechen diesen Vorurteilen: Es gibt jährlich weltweit rund 54 Haiunfälle, davon sieben mit Todesfolge. Das Risiko eines Hai-Unfalles steht 1 zu 300 Millionen. Dem gegenüber stehen 150 Todesfälle durch herabfallende Kokosnüsse – 20mal mehr als durch Haie! Dumm nur, daß Kokosnüsse nicht so gruselig sind. Eine fette Schlagzeile ist ihnen daher nicht gewiß. Daher läßt es die Menschen kalt, wenn der Hai auf bestialische Weise von den Fischern verstümmelt wird, um an seine Flosse zu kommen. Auf den schwimmenden Fangfabriken der Weltmeere werden Haien bei lebendigem Leib die Flossen abgeschnitten, denn kostbar ist nur der darin enthaltene Knorpel – er gilt in asiatischen Ländern als teure Delikatesse. Mit den Wunden werden die Tiere zurück ins Meer geworfen, ohne ihre Flossen. Sie können nicht mehr schwimmen und ersticken langsam durch Bewegungsmangel. Ohne den Körper können viel mehr Flossen im Laderaum der Schiffe verstaut werden. Sie müssen dort nicht einmal gekühlt werden. Der Knorpel ist mehrere hundert Euro pro Kilo wert. In asiatischen Ländern wie China, Korea, Malaysia, Taiwan und Singapur sowie entsprechenden Einwanderervierteln in den USA und Kanada wird daraus Suppe gekocht. Dabei geht es weniger um den ohnehin geringen Eigengeschmack. Wichtiger ist, daß der Knorpel überhaupt Zutat der Suppe ist und dadurch das Prestige des Gastgebers steigert. Es handelt sich hierbei also um einen Kulturfaktor, der sehr schwer zu verändern sein wird. Man könnte für die Suppe praktisch auch den Knorpel von Schweineohren nehmen – der Geschmack bliebe der gleiche. Das Problem ist ein wenig so gelagert wie bei „des Deutschen liebstem Kind“: Wenn der Kunde frei wählen kann, kauft er das große Auto mit möglichst viel PS. Trotz der Erfolge auf der Cites-Konferenz bleibt daher der Hai auch in den nächsten Jahrzehnten ein vom Aussterben bedrohter Zeitgenosse.

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