Gemeinsames Vorgehen in Sachfragen – über Parteigrenzen hinweg. Davon träumen viele Menschen in Deutschland. In der Finanz-Metropole Frankfurt ist diese Wunschvorstellung Wirklichkeit geworden. Ein breitgefächtertes Bündnis unter dem Namen „Rettet die U-Bahn“ (im Internet unter www.rettetdieubahn.de ) will den Verkauf der stadteigenen U-Bahn an einen US-Investor im Rahmen eines sogenannten Cross-Border-Leasing (übersetzt: grenzüberschreitender Verleih) verhindern. Anfang Juni faßte die Stadtverordneten-Versammlung der hochverschuldeten Stadt den Beschluß, einen solchen Cross-Border-Deal zu prüfen. Für 99 Jahre soll die Frankfurter U-Bahn an einen amerikanischen Konzern verkauft und umgehend zurückgemietet werden. Immer mehr Städte nutzen dieses kurios scheinende Finanzinstrument, um ihre maroden Haushalte vor dem Kollaps zu bewahren. Städtische Anlagen werden einem US-amerikanischen Investor verkauft und sofort zurückgemietet. Der ferne Investor macht damit von einer Möglichkeit der Steuerabschreibung in den USA Gebrauch. Von der Steuerersparnis gibt er einen kleinen Teil an die Stadt in Deutschland ab, den sogenannten Barwertvorteil. Die Frankfurter Parlamentsmehrheit aus CDU, FDP und SPD erhofft sich damit eine Einnahmequelle, die rund 100 Millionen Euro einbringen soll. Diese Geschäfte sind in Deutschland mittlerweile an der Tagesordnung. Reihenweise haben Stadtväter ihre Rathäuser in die Vereinigten Staaten verscherbelt. Die Stadt Dortmund hat die Westfalen-Halle veräußert, und in der Karnevalshochburg Köln haben die Entscheidungsträger ihre Verkehrsbetriebe aus dem ohnehin spärlichen Eigentum gestrichen. Deren Frankfurter Kollegen wollen es ihnen nun gleich tun. Doch wie an vielen anderen Orten auch regt sich massiver Protest. Beim geplanten Leasing-Geschäft mit der U-Bahn liegt das Risiko nach Ansicht der globalisierungskritischen Organisation Attac einseitig bei der Stadt. Aus der nichtöffentlichen Transaktionsbeschreibung gehe hervor, daß die Stadt bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung dem amerikanischen Investor bis zu 500 Millionen Euro zahlen müsse. Attac veröffentlichte unlängst Auszüge aus den vertraulichen Anlagen der Vorlage, die im Juni beschlossen wurde. Die 26 Seiten umfassende Transaktionsbeschreibung belegt nach Ansicht von Attac, daß das U-Bahn-Geschäft „verantwortungslos und völlig unannehmbar“ ist. Die Stadt würde sich mit dem Vertrag in eine „beispiellose Abhängigkeit“ von den US-Investoren begeben. Denn bei schwerwiegenden Verstößen hätten die Amerikaner das Recht, den Vertrag vorzeitig zu beenden. In diesem Fall müßte die Stadt eine Entschädigung zahlen: Nach sieben Jahren wären das laut Attac 300 Millionen Euro, nach zehn Jahren 400 Millionen Euro und nach 16 Jahren 500 Millionen Euro. Im Rahmen der Aktion „Rettet die U-Bahn“ hat Attac Mitstreiter in Frankfurt gefunden. Fünf politische Organisationen aus allen Lagern haben sich in dem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, darunter auch die „Freien Wähler – Bürgerbündnis für Frankfurt“ (BFF), die mit einem Abgeordneten in der Stadtverordnetenversammlung vertreten sind. Und an dieser überparteilichen Allianz stoßen sich nun vor allem linke Gruppierungen. Denn das BFF setzt sich zum Beispiel dafür ein, daß die Stadt Frankfurt einen Festakt zum 3. Oktober durchführen solle, moniert die linke Szene. In der Tat ist das BFF eher dem rechten politischen Lager zuzurechnen. Zur Kommunalwahl 1997 bestand eine Listenverbindung mit dem nationalliberalen Bund Freier Bürger (BFB), ebenso zur hessischen Landtagswahl 2000. Der BFF-Vorsitzende und Stadtverordnete Wolfgang Hübner engagierte sich zwar vor vielen Jahren in diversen kommunistischen Gruppen, hat aber die Fronten längst gewechselt. In der Attac-Gruppe Frankfurt ist der Konflikt nun an die Öffentlichkeit gelangt. Mitglieder der Gruppe fürchten die „negative Wirkung“ auf das Bürgerbegehren, wenn es unter seinen Trägern jetzt zu Streitereien käme. Die BFF-Kritiker sowie verschiedene Mitgliedsgruppen in Frankfurt haben sich nun öffentlich distanziert, weil diese Bündnispolitik „Gruppen wie den BFF als Bündnispartner ansieht, obwohl diese für eine ausländerfeindliche Politik stehen“. Die Frankfurter Jusos haben sich wegen der BFF-Präsenz mittlerweile aus dem Bündnis verabschiedet, andere fordern, Attac möge sich vom BFF trennen. „Seit Wochen fordern viele Mitglieder von Attac-Frankfurt und die Mehrheit des Koordinierungs- und Sprecherkreises den Ausschluß des BFF aus dem Bürgerbegehren beziehungsweise den Rückzug von Attac aus dem Bündnis“, heißt es. Für den Frankfurter Attac-Chef Michael Friedrich „sind dies Einzelmeinung, die nicht der Mehrheit der Frankfurter Gruppe entsprechen“. Er will – obwohl in linken Kreisen nunmehr gehörig unter Druck – an dem umstrittenen Bündnis festhalten. Und der Erfolg gibt ihm recht. Derzeit haben rund 40.000 Frankfurter das Bürgerbegehren unterzeichnet. Diese Unterschriften müssen nun noch vom Wahlleiter beglaubigt werden. Sollte sich die Gültigkeit von genügend Stimmen herausstellen, würden die Bürger der Finanzmetropole zur Wahlurne gebeten, um über den umstrittenen Cross-Border-Deal abzustimmen. Meinungsumfragen zufolge zeichnet sich eine deutliche Zustimmung für die Gegner ab.
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