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„Gender Mainstreaming“

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Die Tage der klassischen Hausfrau sind gezählt. Zumindest in der Fernsehwerbung. Kochende, backende, waschende Mütter dürfen künftig nicht mehr zu Reklamezwecken gezeigt werden. Mit großer Mehrheit beschlossen die Abgeordneten in Brüssel am 3. September letzten Jahres entsprechende Regelungen für die Werbewirtschaft. Begründet wurde das Werbeverbot von der schwedischen Antragstellerin damit, daß die beanstandeten Bilder „diskriminierende oder entwürdigende Botschaften auf der Grundlage von Geschlechterklischees“ vermittelten.

Der Wiener „fun & care“-Kindergarten, der sich großzügiger Förderung aus öffentlichen Mitteln erfreuen kann, wendet geschlechtssensible Pädagogik an. Was darunter zu verstehen ist? Um „traditionelle Rollenbilder aufzubrechen“, werden Mädchen ausdrücklich angeleitet, sich nicht „weiblich“ zu verhalten. Mädchen, die sich als Prinzessinnen verkleiden, sind im „fun & care“ nicht vorgesehen. Vielmehr wird es – wie auf der Internetseite www.fun-and-care.at zu lesen – als wünschenswert erachtet, wenn sie in der Krippe zwicken, andere vom Platz in der Garderobe verdrängen oder Spielkameraden Autos wegnehmen. Mädchen werden also zu dem aggressiven, typisch „männlichen“ Verhalten ermuntert, das bei Jungen unterbunden wird. Den Jungen nämlich werden „Massagen gezeigt und Kosmetikkörbe angeboten“. Sie sind es, die Prinzessinnenkleider anziehen und sich „die Nägel lackieren“ sollen.

Bislang sieht das österreichische Namensänderungsgesetz vor, daß die Änderung des Vornamens nicht bewilligt werden darf, wenn „der beantragte Vorname nicht dem Geschlecht des Antragstellers entspricht“. Damit können Transgender-Personen (Personen, die sich bei biologisch eindeutigem Geschlecht „im falschen Körper fühlen“) ihren ersten Vornamen nur ändern, wenn sie sich für einen geschlechtsneutralen Namen entscheiden oder wenn ihr Geschlechtseintrag aufgrund einer geschlechtsanpassenden Operation geändert wurde. Diese diskriminierenden Bestimmungen seien zu beseitigen, ist die Grüne Parlamentspartei überzeugt, und fordert in einem Antrag die ersatzlose Streichung. Damit soll gesichert werden, daß Transgender-Personen ihren ersten Vornamen „nach freiem Wunsch und ihrem Zielgeschlecht entsprechend“ wählen können.

Was verbindet diese drei Beispiele, was haben die zitierten Projekte gemeinsam? In diesen Beispielen zeigt sich eine Sichtweise, wird ein Konzept vorangetrieben, das unter der merkwürdigen Wendung „Gender Mainstreaming“ als Leitprinzip in Politik und Gesellschaft eingedrungen ist. Diesen Beispielen liegt die Überzeugung zugrunde, daß Männer und Frauen sich nur deswegen voneinander unterscheiden, weil sie von der Gesellschaft dazu erzogen werden; daß die Geschlechterrolle – „gender“ – ein Lernprogramm ist, das man umprogrammieren kann und muß. Von der rigorosen Ablehnung der traditionellen Geschlechterrolle, die in der Darstellung einer hausfraulichen Mutter eine entwürdigende Botschaft erkennt, führt der logische Weg zu einem Erziehungskonzept, das gezielt bei den Kleinsten ansetzt, um ihnen „geschlechterstereotypes“ Verhalten auszutreiben. Und endet schließlich konsequent damit, daß schon die Zuschreibung der Geschlechtsidentität durch das Gesetz als ein Akt diskriminierender Willkür gesehen wird, die der freien Wahl des Zielgeschlechts zu weichen habe.

Gender Mainstreaming ist keine Frauenförderung und nicht bestrebt, verkehrte Strukturen zu verbessern, sondern zielt darauf ab, das Verhalten von Männern und Frauen zu lenken. Es will nicht die Lage des Menschen ändern, sondern den Menschen selbst.

Die Anhänger und Befürworter von Gender Mainstreaming können sich über eine stolze Erfolgsbilanz freuen. Der Begriff ist inzwischen so verbreitet, daß er in die 24. Ausgabe des Duden aufgenommen wurde. Spitzenbeamte im Kanzleramt kennen ihn ebenso wie Sachbearbeiter in den Bezirksverwaltungsbehörden. Grundschullehrer stellen ihren Unterricht genauso darauf ein, wie Finanzfachleute ihre Budgetplanung daran zu orientieren haben – Gender-Budgeting eben. Daß kaum ein Bürger tatsächlich damit etwas anfangen kann, ist kein Widerspruch, sondern bezeichnend: Denn Gender Mainstreaming ist ein Projekt, auf das sich die politische Klasse verständigt hat, ein Projekt, das als Top-down-Strategie, von oben nach unten also, seine Wirkung entfalten soll.

Der politische Durchbruch gelang auf internationaler Ebene. Bei der von den Vereinten Nationen ausgerichteten vierten Weltfrauenkonferenz in Peking verabschiedete die Vollversammlung im Dezember 1995 eine Aktionsplattform, in der die „Genderperspektive“ erstmals als Leitprinzip jeder Politik verankert wurde. Das war der Auftakt für den Siegeszug der Gender-Idee: über die Organe und Behörden der Europäischen Gemeinschaft hinein in die Mitgliedsstaaten. Im Amsterdamer Vertrag, der seit dem 1. Mai 1999 in Kraft ist, ist Gender Mainstreaming als rechtlich verbindliches Prinzip verankert und damit auch eine verpflichtende Vorgabe für alle nationalen Verwaltungsebenen und Politikbereiche.

Heute ist die Gender-Idee allgegenwärtig, ist von ganz „top“ in „down“ angelangt. Wer ein Projekt im Rahmen der Dorferneuerung einreichen will, braucht es ohne „Gender-Check“ gar nicht erst zu versuchen. Daß Fördergelder nur an Jugendorganisationen ausgezahlt werden, die die Genderperspektive nicht vermissen lassen, ist eine Selbstverständlichkeit. Leitfäden, Pilotprojekte, Lehrgänge, Machbarkeitsstudien, Coachings gehen in großer Zahl über die Schreibtische von Politikern und Staatsdienern.

Daß am Anfang ein kleiner Trick dem Konzept auf die Sprünge geholfen hat, soll nicht unerwähnt bleiben. Während in Peking die Zustimmung der lateinamerikanischen, katholischen und der muslimischen Länder nur zu erreichen war, indem mit der Unverbindlichkeit des Papiers argumentiert wurde, fand die Übernahme in den Rechtsbestand der Europäischen Union unter entgegengesetztem Vorzeichen statt. Unrichtigerweise und wider besseres Wissen wurde behauptet, daß mit der Zustimmung der europäischen Konferenzteilnehmer zur Aktionsplattform deren Inhalte nun verbindlich umzusetzen seien. Da wollte man nicht zimperlich sein. Der „gute“ Zweck heiligt eben die Mittel.

Der gänzlich gleichberechtigte Rang der Frau gehört zu unserem Selbstverständnis, da kann es keine Abstriche geben. Und es ist notwendig, daß bestehende Benachteiligungen endlich ausgeglichen werden. Das geringe Lohnniveau der von Frauen dominierten Tätigkeiten etwa, auch wenn sie wie die Pflege- und Erziehungsberufe höchst belastend und besonders verantwortungsvoll sind, ist nicht zu rechtfertigen. Doch Gender Mainstreaming ist darauf keine Antwort. Es sei denn, man gibt sich damit zufrieden, daß eine ungerechte Bezahlung, die zur Hälfte auch Männer trifft, kein Ärgernis mehr darstellt.

Das nämlich wäre das Ergebnis der gender-indizierten „Girls Days“, die sich bemühen, Mädchen vor jenen klassischen Frauenberufen zu bewahren, für die man Jungs verstärkt gewinnen will. Ein gutes Beispiel, an dem man erkennen kann: Gender Mainstreaming ist nicht bestrebt, verkehrte Strukturen zu verbessern, sondern zielt darauf ab, das Verhalten von Männern und Frauen zu lenken. Hinter dem sperrigen Anglizismus steckt etwas anderes als klassische Frauenförderung, die bestehende Ungerechtigkeiten beseitigen will. Gender Mainstreaming will nicht die Lage des Menschen ändern, sondern den Menschen selbst.

Das englische Wort „Gender“ beschreibt die Geschlechterrolle, das soziale Geschlecht. Damit ist das Verhalten von Männern und Frauen und die Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen, gemeint – man kann es als Männlichkeit/Weiblichkeit verstehen. Die Gender-Theorie geht davon aus, daß die Geschlechterrolle nur als Ergebnis eines Lernprogramms und völlig unabhängig vom biologischen Geschlecht besteht. In klarer Konsequenz heißt es: „‘Gender-Studies’ haben nachgewiesen, daß es kein vorgefertigtes Geschlecht gibt – es ist ein Konstrukt, abhängig von historischen und kulturellen Kontexten.“ So formuliert Thorsten Voß, einer der in diesem Fach unterrepräsentierten männlichen Dozenten, der einen Studiengang Gender-Studies an der Universität Bielefeld leitet. Die Idee ist nicht neu. Die Idee nämlich, daß Männer und Frauen sich nur deswegen unterschiedlich verhalten, weil sie dazu gedrängt werden, ist durch Simone de Beauvoir einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Sie schrieb 1949: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“

Heute berufen sich die „GenderexpertInnen“ vor allem auf Judith Butler, die an jeder der Hochschulen, die Gender-Studien anbietet, zum Kanon gehört. Für die einflußreichste Theoretikerin der Gender-Idee, die im kalifornischen Berkeley lehrt, ist die Geschlechtsidentität der meisten Menschen eine „Komödie“, die sie von frühester Kindheit an aufzuführen gezwungen sind. Sie lehnt es ab, Menschen einmal grundsätzlich als männlich oder weiblich zu denken und meint: „Es gibt keinen Grund für die Annahme, daß es bei zwei Geschlechtsidentitäten bleiben muß.“ Und folgert konsequent, daß auch das sexuelle Begehren zwischen den Geschlechtern keine natürliche Grundlage aufweise; daß Heterosexualität vielmehr eine „Zwangsmatrix“, ein perfides Repressionssystem sei, das abzuschaffen sei. Nicht die „Gleichstellung“ der Geschlechter also, sondern deren Abschaffung und die Gleichstellung aller sexuellen Lebensformen ist gemeint.

Die Gender-Theorie ist in der Mitte von Politik und Gesellschaft angelangt. Ihre Auswirkungen vor allem in Kindergärten und Schulen sind ein Anschlag auf unsere Kinder, der schlimmste Folgen für den einzelnen und das Volk im gesamten
befürchten läßt.

Wer nun den Kopf schüttelt und sich mit der Absurdität von Butlers Thesen beruhigen möchte, droht ihre Wirkung gefährlich zu unterschätzen. Sie selbst bietet ihre Ideen für die politische Praxis an und begründet ihr Hauptwerk so: „Ich habe diese Texte zusammengestellt, um eine politische Annäherung von Feminismus, schwulen und lesbischen Perspektiven auf die Geschlechts­identität (…) zu ermöglichen.“ Und sie war erfolgreich. Je nach Gelegenheit und handelnden Personen wird die GenderTheorie gebremst oder aber auch in ihrer vollen Radikalität umgesetzt. Jedoch ist unübersehbar, daß aus einer akademischen Nischendisziplin ein bürokratisches Großprojekt geworden ist.

Wenn auch die Verwirklichung einer dermaßen lebensfeindlichen und überdrehten Ideologie nicht gelingen kann, so darf man zweierlei nicht verkennen: Zum einen haben sich Interessierte in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik gefunden, die den Theorien Butlers ernsthaft und unbedingt anhängen und an ihrer Realisierung arbeiten. Daß „Erfolgsmeldungen“ weltweit plaziert werden können, zeigt etwa das auch in Europa bekannt gewordene Beispiel des US-Amerikaners Thomas Beatie, eines „Mannes“, der eine „Frau“ war und – unterstützt durch massive medizinische Interventionen – als Mann ein Kind geboren hat.

Zum anderen sind die Auswirkungen der gender-bewegten Politik vor allem in Kindergärten und Schulen ein Anschlag auf unsere Kinder, der schlimmste Folgen für den einzelnen und die Gesellschaft im gesamten befürchten läßt. Ein Beispiel? Auch Vereine, die sich in der sogenannten „nicht-identitären Burschenarbeit“ üben, erfreuen sich mittlerweile bester Referenzen und werden regelmäßig von Behörden mit praktischen pädagogischen Projekten betraut. Nicht-identitäre Burschenarbeit setzt – so die Selbstdefinition – auf die „Zerstörung von Identitäten“. Gefragt, was denn das sei, hat es ein rühriger Burschenarbeiter jüngst ganz volkstümlich auf den Punkt gebracht: „Das Ziel ist nicht ein anderer Junge, sondern gar kein Junge.“ Es geht um viel mehr als um die die Verunstaltung von Texten durch das lästige Binnen-I. Es ist Feuer am Dach!

Die Gender-Theorie ist in der Mitte von Politik und Gesellschaft angelangt und hat auch den radikalsten Formen des Feminismus zur Aura einer gut etablierten Richtung verholfen. Am besten kann man das am Aufstieg prominenter Vertreterinnen sehen. So kann sich Alice Schwarzer – einstmals Schreckgespenst aller Bürgerlichen – mittlerweile bester Renommees erfreuen. Im Jahr 2005 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Und offenbar hat man sich nicht an dem gestoßen, was Schwarzer in ihren kämpferischen Jahren hat erkennen lassen. In ihrem Text „Der Geschlechterkrieg“ schreibt sie: „Der Feind ist nicht wie im großen Krieg der klar definierbare Fremde, sondern häufiger der eigene Mann, der Vater, der Bruder, Geliebte, Sohn.“ Läuft hier vielleicht etwas falsch? Wir müssen umkehren – jetzt!

Bild: Kleinkind mit seinem Spiegelbild:

Von der rigorosen Ablehnung der traditionellen Geschlechterrolle, die in der Darstellung einer hausfraulichen Mutter eine entwürdigende Botschaft erkennt, führt der logische Weg zu einem Erziehungskonzept, das gezielt bei den Kleinsten ansetzt, um ihnen „geschlechterstereotypes“ Verhalten auszutreiben.

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