Letztes Wochenende war meine Cousine zu Besuch. Sie bringt immer den Duft der großen weiten Welt mit: Modeln während ihres Studiums, Freunde rund um die Erde, Praktika in Shanghai und Dubai. Sie ist auf der Überholspur der Globalisierung. Gerade hat sie ihr Studium beendet, fliegt jede Woche von Berlin nach Westdeutschland, wo sie als „Trainee“ in einer großen Firma angefangen hat. Beiläufig erzählt sie davon, wie sie Freunde trifft oder an Wohnungen kommt. Sie ist in diversen Internet-„Communities“, seit einiger Zeit nicht nur in dem Geschäftskontakte-Portal Open-PC (neuerdings umbenannt in XING). Dort kann man relativ leicht Mitglied werden, und innerhalb kürzester Zeit trifft man weitere Bekannte und bekommt Kontakt zu anderen Mitgliedern. So entstehen sich immer weiter multiplizierende Netzwerke. Doch seit einiger Zeit etablieren sich Edel-Gemeinschaften, in die nicht mehr jeder einfach reinkommt. Meine Cousine erzählt, sie sei Mitglied bei asmallworld.net. „Da ist sogar Naomi Campbell Mitglied“, schwärmt sie. Jedenfalls hat sie schon eine Wohnung gefunden, einen Begleiter fürs Theater und eine Jagdeinladung erhalten, alles über die Kontakte aus dieser „kleinen Welt“, in der es „von Adligen nur so wimmelt“. Bester Umgang also. Bemerkenswert ist dieser – keineswegs neue – Trend insofern, weil er einer öffentlich postulierten Ideologie zuwiderläuft, nach der alles offener, freier, demokratischer werde, ganz besonders durch das Internet. Nach einer gewissen anarchischen Euphorie sortiert sich früher oder später doch alles wieder nach oben und unten, drinnen oder draußen. Das Perfide an der radikal-liberalistischen Ideologie, mit der in Jahrhunderten gewachsene und bewährte Schutzräume und natürliche Hierarchien planiert werden, seien es in Familie, Kirche, Volk, Nation, Staat, ist, daß es Offenheit und Freizügigkeit immer nur begrenzt geben wird. Wird also eine staatliche Grenze eingerissen, wird aus einem demokratischen Nationalstaat Deutschland ein multikulturelles Einwanderungsland, ein Club, in dem jeder Mitglied werden kann, dann suchen sich viele alternative Wege des Abschlusses – und sei es im virtuellen Raum. Stehen die früher exzellenten staatlichen Schulen dank explodierender Ausländerzahlen und Antipädagogik vor dem Kollaps, dann packen Eltern ihre Koffer: Trotz insgesamt rückläufiger Schülerzahlen ist seit 1992 die Zahl der Privatschüler um 52 Prozent auf 873.000 im Schuljahr 2005/06 hochgeschnellt. In den USA ziehen sich schon seit Jahren zunehmend wohlhabendere, überwiegend weiße Bürger in von privaten Sicherheitskräften abgeschirmten Bezirken vor der multikulturellen Wirklichkeit zurück. Löst sich der Staat auf, verlagern sich seine Aufgaben ins Private, nur daß nicht mehr jeder Bürger dabei ist. So ist in Lemgo jetzt die Idee geboren worden, daß Bürger gegen Entgelt per SMS Straßenlaternen in Außenbezirken anknipsen können. „If you have no friends who are members yet, please be patient“, lautet die vertröstende Mitteilung bei smallworld.net, für Leute, die draußen bleiben müssen. Für die Rentnerin in Lemgo heißt dies: Wenn Sie kein Handy haben, um die Straßenbeleuchtung anzuknipsen, üben Sie sich bitte ein wenig in Geduld. Morgen früh wird es wieder hell.
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