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Es gibt nichts zu feiern

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Am 25. März 1957 wurde der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen, die als Europäische Gemeinschaft die wesentliche Säule der Europäischen Union bildet. Das halbe Jahrhundert des „Wunders von Europa“ will gefeiert werden. Europa ist für Deutschland mehr als eine Zweckgemeinschaft für die Wirtschaft, für die innere und äußere Sicherheit etc. Europa ist in Deutschland Teil der Staatsreligion. Zur Schuldreligion ist die Hoffnungsreligion verordnet. Im Glück, Europäer zu sein, sollen die Deutschen ihr eigentlich unverdientes Leben weiter fristen dürfen. Dem ärgerlichen deutschen Wohlstand, der trotz verlorenen Krieges durch das Wirtschaftswunder größer war als der anderer Völker Europas, hat nicht zuletzt die Währungsunion energisch abgeholfen. Jetzt wird der Euro gar zum Symbol der Union erhoben, nachdem die Deutschen ihre D-Mark aufgeben mußten. Die Kaste der Priester und Hohepriester stellt in Europa die Parteien- und Medienoligarchie, weniger gewählt als ausgewählt. Sie werden die Religion, die ihre Macht und Privilegien trägt, nicht aufgeben und können das nicht, weil sie ihre jahrzehntelange Politik dementieren müßten. Religion drängt zur Mission. Europa erweitert sich stetig. Die Bundeskanzlerin reist gerade als Ratspräsidentin, um den Verfassungsvertrag, die neue Heilige Schrift, zu predigen. Der Festigung des Glaubens und der Bekehrung der Ungläubigen dienen Verkündigung, sprich Propaganda, Rituale und Feste, etwa die Salbung zu Aachen und jetzt der Geburtstag. Jeder Integrationsschritt wird zelebriert, jede Regierungskonferenz ist Konzil, jedes Datum ein historisches Ereignis. Allenthalben werden frohe Botschaften verkündet wie die Lissabon-Strategie 2000/2010, die Europa zum „wettbewerbsfähigsten und wachstumsfreudigsten Wirtschaftsraum der Welt“ entwickeln wollte – welche Illusion -, oder die Grundrechtecharta, in Nizza 2001 feierlich proklamiert, der kläglichste aller Menschenrechtstexte. Europa ist absolutes Gebot, das schlechthin Gute. Es ist der Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen. Beethovens Ode an die Freude muß als weiteres Symbol herhalten. Kritikern als Häretikern geben die korrekten Medien keine Stimme. Am 9. Mai wird „der Europatag in der gesamten Union gefeiert“ – aber von wem? Die Machtstrukturen der Union lassen nicht zu, daß sich die „Eliten“, in Parteienstaaten eher eine Negativauslese, dem Zwang zur „Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“ (Art. 1 des Europäischen Vertrages) entziehen. Wer wagt es schon, bei heiligen Messen Zweifel am Glauben zu äußern? Mit öffentlicher Zustimmung der Brüder im Glauben, überzeugt oder geheuchelt, kann er nicht rechnen. Das Echo der Tugendwächter in den Medien muß er scheuen. Die Absprachen unter den großen Brüdern, den Staats- und Regierungs­chefs, haben größte Verbindlichkeit, ganz unabhängig von ihrer Form. Den nationalen Parlamenten bleibt nichts als die formelle Umsetzung. Der „gemeinschaftliche Besitzstand“ der Integration ist unangreifbar (Präambel des Verfassungsvertrages). Dazu rechnet man sogar die Richtersprüche. Die materialreichen Verträge können nicht wie Gesetze revidiert werden. Nationale Wahlen sind darauf ohne Einfluß; denn Vertragsänderungen setzen die Zustimmung von 27 Staaten voraus, auch die von Malta. Wahlen zum Europäischen Parlament bewirken so gut wie nichts. Sie können den Vertrag nicht ändern. Der Europäische Gerichtshof, Motor der Integration, heilige Kongregation ohne jede demokratische Dignität, korrigiert jedes priesterliche Versagen. Wenn die Minister im Rat die vom Großinquisitor Kommission vorgeschlagenen Rechtssätze nicht beschließen, hilft er nach. Er gewinnt den Texten Glaubenssätze ab. Notfalls kommt er auch ohne Text zurecht, wie in seiner Grundrechtejudikatur. Allein um der Integration willen hat der Gerichtshof ohne jeden textlichen Ansatzpunkt eine ausschließliche Befugnis der Gemeinschaft zur Handelspolitik gegenüber dritten Ländern dekretiert und die Volkswirtschaften den Zwängen der neoliberalen, kapitalistischen Globalisierung ausgeliefert. Aus den Grundfreiheiten hat er entgegen den Texten das Herkunftslandprinzip gefolgert und damit den Völkern die Hoheit über ihre Gesetze genommen. Wo den Völkern Referenden über die Verträge verweigert werden, bleibt ihnen nur der Austritt aus der Union. Deutschlands Austritt würde erneut das Problem Deutschland aufwerfen, nach den Weltkriegen die Friedensfrage an sich. Der Frieden unter den europäischen Völkern bedarf keines Unionsstaates, sondern der Republiken, die freiheitlich und friedlich sind, wie Immanuel Kant in seiner Friedensschrift darlegt. Für die europäische Integration sollten die Völker nicht aufgeben, wofür sie Jahrhunderte lang gedacht, geschrieben und geblutet haben, die Aufklärung und die allgemeine Freiheit. Die Europäische Union ist all das nicht, was sie zu sein verspricht, und kann das vor allem wegen ihrer Größe nicht sein. Sie ist keine Demokratie. Ihre Rechtssätze werden von der Exekutive erlassen, nicht von einem Parlament, das den Namen verdient. Sie ist mangels Gewaltenteilung und mangels wirklichen Grundrechtsschutzes, aber auch wegen des Demokratiedefizits kein Rechtsstaat. Sie ist kein Sozialstaat, sondern eine Region des globalen Kapitalismus, dem die Europäer nichts entgegenzusetzen vermochten. Vielmehr haben sie die weltweite Kapitalverkehrsfreiheit eingeführt. Längst haben die Manager, ausschließlich am Profit orientiert, ein Bündnis mit den Funktionären geschlossen wie in jedem Herrschaftssystem. Es rechnet sich bestens. Die einen werden reich, die anderen sind wichtig. Wer kann in den Parteienstaaten „Politiker“ aus ihren Stellungen verdrängen? Das System ist zäh, eine sanfte Despotie, quasi religiös legitimiert. Mit viel Brot und vielen Spielen werden die Untertanen ruhiggestellt, die Obrigkeit unterstützt von Journalisten, Künstlern, Sportlern. Aufklärung verpflichtet zum Dienst an den Menschen, hier und heute, in dem Land, in dem wir geboren und zu Hause sind, ganz preußisch. Widerspruch sei unser Widerstand! Europa ist längst kein Friedenswerk mehr. Es gilt, ein europäisches Europa zu verteidigen, ja erneut zu begründen, ein Europa der Freiheit, des Rechts und der Staaten. Am 25. März gibt es nichts zu feiern. Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider lehrt Öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg. 2005 erhob er Verfassungsklage gegen das Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum EU-Verfassungsvertrag.

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