Der 1. Dezember ist ein schwarzer Tag für den Kampf der Sprachschützer. In einer Meldung teilte am vergangenen Freitag die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), bislang die größte Bastion gegen die umstrittene Rechtschreibreform, mit: „Die FAZ und FAZ.NET werden ihre Rechtschreibung zum 1. Januar 2007 den in den Schulen gebräuchlichen Schreibweisen weitgehend anpassen. Die Redaktion wird dabei nach Möglichkeit die wieder zugelassenen Schreibweisen der bewährten Rechtschreibung verwenden. Dieser Schritt dient der Einheitlichkeit der Rechtschreibung.“ Das Qualitätsblatt aus Frankfurt vollzieht den Schritt übereilt noch vor den Nachrichtenagenturen, die eine Umstellung erst für den 1. August 2007 angekündigt haben. Damit schwenkt das Schwergewicht im Kampf gegen das von den Kultusministern und Schulbuchverlagen gezeugte bürokratische Monster ein in die Reihe der Verlage, die sich dem staatlichen Diktat zur eigentlichen Zerstörung der Spracheinheit unterordnen. Denn natürlich wird die Spracheinheit durch diesen Schritt nicht gefördert, sondern das einheitliche Chaos noch um eine weitere Variante einer „Hausschreibung“ bereichert. Viele Verlage haben sich bereits nach Lust und Laune abweichende Listen mit Ausnahmen erarbeitet – die die reformierten und durch Reformen der Reform aufgeblähten und um einen Reichtum an zulässigen Varianten erweiterten Wörterbücher zulassen. Was wir jetzt haben, ist das nahezu einvernehmliche, einvernähmliche Eingeständnis einer Rückkehr zur orthographischen Anarchie der Vor-Dudenzeit. Die in einem Jahrzehnt durch arrogante, größenwahnsinnige Kulturbürokraten zertrümmerte Sprach-einheit war das epochale Werk Konrad Dudens (1829-1911) und seines Grundlagenwerks „Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“. 1872, kurz nach Beendigung der deutschen Kleinstaaterei durch die Gründung des Bismarckschen Kaiserreiches, klagte Duden: „Auf dem Gebiete der deutschen Rechtschreibung herrscht augenblicklich ein unerquicklicher und namentlich für die zum Lehren Berufenen unbefriedigender Übergangszustand.“ 140 Jahre später sind wir an diesen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Die deutsche Schriftsprache ähnelt derzeit einem mutwillig zerstörten Mosaik. Das in jahrzehntelanger mühsamer Arbeit organisch harmonisierte Kunstwerk liegt in Trümmern und muß nun wieder von neuem mühselig rekonstruiert werden. Es wird die kulturelle Potenz unserer Nation auf den Prüfstand stellen, ob die Berserkeraufgabe einer solchen Renaissance der gewachsenen Schreibungen gelingen kann. Die JUNGE FREIHEIT verzichtet jedenfalls auch künftig darauf, sich dem kultuspolitischen Diktat zur Reformrechtschreibung unterzuordnen oder gar die Vielzahl existierender Hausschreibungen um eine exklusiv JF-eigene zu bereichern. Wir halten der bewährten Rechtschreibung, wie sie bis 1999 gültig war, auch weiterhin die Treue und zweifeln nicht daran, daß dies von nachwachsenden jungen Lesern, die gezwungen sind, die Reformschreibung zu lernen, als Bereicherung wahrgenommen wird. Dieser existierende politische Dissens muß demonstrativ aufrechterhalten werden.