Dublin vor 20 Jahren: Das Goethe-Institut in der irischen Hauptstadt zeigt in einer Reihe mit modernen Filmen unter anderem Margarethe von Trottas „Die bleierne Zeit“. Der Streifen von 1981 erzählt in verharmlosender Anlehnung an die Biographie der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin die Geschichte zweier Schwestern. Ein Großteil des Publikums ist irritiert: Was will uns das offizielle Deutschland mit diesem Film bloß sagen? Zwei Jahrzehnte später: Noch immer mühen sich Goethe-Institute rund um den Erdball, dem vermeintlichen Zeitgeist auf den Fersen zu bleiben. Derzeit wird besonders viel Energie ins Thema Fußball gesteckt. Mit Blick auf die WM entwarfen die Goethe-Institute in Zusammenarbeit mit dem Bertelsmann-Verlag einen Fußball-Sprachführer. Die Vertretung in Singapur lud junge Modeschaffende zu einem Wettbewerb ein, in dem es um den Entwurf eines „Fan-T-Shirts“ für die Fußball-WM geht. Wer sich im Internet über die Angebote der weltweit 142 Goethe-Institute informiert, findet auf den Seiten der deutschen Kulturvertretungen vielfach englischsprachige Kurztexte und Erläuterungen. Der Mangel an sprachlichem Selbstbewußtsein ist offenkundig. Zwar bietet die schwierige Bestimmung dessen, was eine Nation als den Kernbestand ihrer eigenen Kultur definiert und auch nach außen darstellen möchte, Stoff für endlose Diskussionen. Aber man kann sicher festhalten, daß es spätestens in der Folge von 1968 eine einseitige Ausrichtung der Verantwortungsträger der Goethe-Institute an den Vorlieben einer prozentual gesehen kleinen „Kulturschickeria“ überwiegend linksliberaler Provenienz gibt. Machtbewußte Staaten mit umfangreicher Kulturarbeit Die Programme jenseits des Sprachkursangebotes kreisen um das „Moderne“ und Provokante, das häufig nur abseitig und vor allem unbedeutend ist. Tatsächlich arbeiten die rund 3.000 Beschäftigten der Auslandsinstitute an ihren Zielgruppen oft weitgehend vorbei. Statt jene breiteren Kreise der gebildeten Ober- und Mittelschichten der Zielnationen zu erreichen – die über deutsche Sprach- oder Literaturkenntnisse, menschliche Kontakte und Reisen oder durch Wirtschaftsbeziehungen ein tieferes Interesse an Deutschland und den Deutschen haben -, wird meist nur eine winzige kulturell interessierte Minderheit angesprochen. Doch „deutsche Kultur“ wird noch immer eher mit Goethe, Schiller, Beet-hoven oder Dürer verbunden als mit Beuys, Böll, Rinser, Faßbinder, Staeck oder Deutschpop. Doch das will man auf der Leitungsebene der Goethe-Institute sowie in vielen örtlichen Einrichtungen nicht wahrhaben. Man verweigert hartnäckig programmatische Schlußfolgerungen. Das ist ebenso unangemessen wie ärgerlich und erklärt zum Teil, warum die Kulturarbeit seitens der Goethe-Institute nicht gerade als Erfolgsgeschichte gilt. Vor diesem Hintergrund könnte man die aktuellen Debatte über massive finanzielle Einschnitte bei der auswärtigen Kulturarbeit gelassen verfolgen. Nachdem bereits in den letzten fünf Jahren die Förderung der Goethe-Institute seitens des Auswärtigen Amtes um 16,5 Millionen Euro auf 109,1 Millionen (2006) zurückgefahren wurde, wollen die zuständigen Regierungsvertreter jetzt offenbar ernst machen mit dem Kahlschlagsprogramm. Nachdem es bereits in den späten neunziger Jahren etliche Schließungen gegeben hatte – allein 1998 waren neun Auslands-Einrichtungen betroffen -, wurden im März 2004 drastischere Pläne mit Einschnitten von bis zu 38 Prozent vorgelegt. Doch wie nicht anders zu erwarten, erschwerte ein medial gestützter Aufschrei die rasche Umsetzung. In Zeiten drückender Schuldenlasten scheinen die Tage der Rücksichtnahme auf die um Geldmittel und Pöstchen fürchtende Kulturschickeria nun gezählt. Genaueres ist zwar noch nicht bekannt, aber es wird von bis zu 30 Instituten gemunkelt, die abgespeckt oder ganz geschlossen werden sollen. In einem hausinternen Papier der Goethe-Institute ist sogar von 40 bis 60 gefährdeten Auslandsinstituten die Rede. Auf jeden Fall läuten in der Münchner Zentrale und bei Präsidentin Jutta Limbach die Alarmglocken. Am 27./28. Mai will man mit einer öffentlichen Konferenz über Leitbilder der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in der Evangelischen Akademie in Tutzing für das möglichst ungeschmälerte Existenzrecht werben. Am 12. Juni soll eine Präsidiumssitzung über die „Zukunft des Goethe-Instituts“ folgen, und für den 13. Juni ist eine Mitgliederversammlung anberaumt. Kritisch sind die Kürzungspläne vor allem deshalb, weil einmal geschlossene Kulturinstitute und abgebaute Strukturen in absehbarer Zeit kaum erneuert werden dürften, selbst wenn es zu einem Umdenken in Sachen kultureller Selbstdarstellung und personellen Veränderungen größeren Stils käme. Daß 2004 der Anteil der Auswärtigen Kulturpolitik am Gesamthaushalt des Bundes bei nur 0,22 Prozent lag, ist in mehrerer Hinsicht ein Armutszeugnis. Machtbewußte Staaten wie China oder expandierende Großräume wie das von einem islamischen Sendungsbewußtsein getriebene Arabien – speziell die Saudis – betreiben eine immer umfangreichere auswärtige Kulturarbeit. In Afrika und Asien, teils auch in Europa, Amerika und Australien zeigen sie Präsenz, markieren Interessensphären und sichern Einflußgebiete. Während das chinesische Riesenreich jahrtausendelang weitgehend in sich selbst ruhte und erst jetzt als aufkommende Supermacht ökonomisch wie kulturpolitisch in alle Erdteile auszustrahlen beginnt, müssen sich die Länder des „alten Europa“ mit ähnlichen Finanzproblemen wie Deutschland herumschlagen. Franzosen, Briten und Spanier reagieren auf diese neue Lage, indem sie die Mittel zunehmend auf jene Räume konzentrieren, die sie als ihre Interessensphären begreifen. Verlagerung der Mittel in andere Weltregionen Bei den Franzosen ist dies Afrika mit seiner historisch starken Stellung der französischen Sprache. Als Berlin unlängst die kulturpolitische Tätigkeit im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika (Namibia) und Deutsch-Ostafrika (Tansania) einschränkte, verstärkte Paris dort umgehend seine Aktivitäten. Bei den Briten genießt das Gebiet des einstigen Empire Vorrang, und bei den Spaniern ist es Lateinamerika. Im Hintergrund steht stets die Einsicht, daß es erfolgversprechender ist, vorhandene kulturelle (und damit zugleich politisch-wirtschaftliche) Einflußsphären zu festigen bzw. auszubauen, statt nach dem Gießkannenprinzip weltweite Kulturangebote anzubieten. In Deutschland ist man zu einer derartigen Beschränkung aufs Wesentliche entweder (noch) nicht bereit, oder es werden zweifelhafte Umverteilungspläne mit Zielrichtung Naher Osten und Ostasien entworfen. Wenn Jutta Limbach auf einer Pressekonferenz des Goethe-Instituts am 3. Mai verkündete, daß statt der bisherigen Verwendung von 42 Prozent der Institutsgelder im „alten Westeuropa“ die „Verlagerung eines angemessenen Prozentsatzes dieser Mittel in andere Weltregionen“ geboten sei, dann ist dies nur mit Einschränkungen diskussionswürdig. Wenn dem Abbau der Kulturarbeit in den westlichen und südlichen Teilen des Heimatkontinents auf mittlere Sicht offenbar auch die Streichung von Kapazitäten folgen soll, die im ostmittel- und osteuropäischen Raum nach 1989 – entgegen dem Trend – sogar ausgebaut wurden, dann zeugt das vor allem von politischer Dummheit. Denn in keiner anderen Weltregion dürfte das deutsche Interesse heute größer sein als im östlichen Europa. Die in den letzten Wochen öffentlich gewordenen Verweise von Jutta Limbach & Co. auf die Tatsache, daß das British Council nur zehn Prozent seines Budgets für Westeuropa aufwende und London in diesem Raum zudem massive Einschnitte für seine kulturpolitischen Vertretungen plane, weisen in die Irre. Auf der britischen Insel hat man aus historischen wie geopolitischen Gründen nun mal eine ganz andere Perspektive als im europäischen Herzland. Und was soll man von der Berliner Kulturpolitik halten, wenn die Chefin des Goethe-Instituts anscheinend glaubt, dem „Kampf der Kulturen“ mit Kursen über moderne Konfliktstrategien oder das Selbstverständnis deutscher Frauen entgegenzuwirken. Will sie so Ordnung in das neue weltpolitische Zeitalter der multipolaren Unübersichtlichkeit bringen? Die globale Verzettelung ist der falsche Weg Bei solch politischer Naivität fehlen einem die Worte, oder man wird sarkastisch: „Auswärtige Kulturpolitik soll von nun an unter dem Motto stehen: Der Goethe-Vorposten im Land erspart das Bundeswehrkontingent“, schrieb Patrick Bahners in der FAZ vom 13. April. „Jetzt, da Deutschland mit den Nachbarn ’seit Jahrzehnten befreundet‘ ist, hat man trotz knapperem Geld noch Kapazitäten frei für den Nahen Osten. Die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts meint, künftigen Staatenkonflikten im Prozeß der europäischen Einigung werde die kulturelle Dimension der alten Großmachtgegensätze abgehen, weil inzwischen ‚alle Europäer‘ die ‚Grundsätze des modernen Verfassungsstaates‘ akzeptieren.“ Abgesehen von China, wo eine Aufstockung der derzeit nur anderthalb Goethe-Institute überfällig ist, und ebenso Indien sollte die deutsche Kulturpolitik ihr Augenmerk vielmehr gerade auf jene Gebiete lenken, in denen sie traditionell einen gut Stand hat: also auf Ostmittel- und Osteuropa, Nordeuropa, Irland, Südamerika, Georgien, Togo, Japan, Korea usw. Doch die globale Verzettelung ist der falsche Weg. „Goethe-Institute, zunächst in Kopenhagen, bald im ganzen Europa werden zerrieben dank gemeinsamen Einsatzes von Haushaltspolitikern, die das Budget des Bundes ohne Rücksicht auf die politischen Kosten ausgleichen wollen, Bürokraten, denen Einfühlungsvermögen in das Denken unserer Nachbarn ebenso fehlt wie langfristiges Denken, und Theoretikern, die vermeintliche globale Zusammenhänge und Friedensmissionen in fernen Ländern brennender interessieren als das Naheliegende und Bewährte“, mahnte Robert von Lucius am 20. April in der FAZ. Sparvorschläge könnten sich ergeben, wenn der Blick stärker auf andere Sprachrohre deutscher Kultur gerichtet würde: deutschsprachige Auslandszeitungen, deutsche Minderheiten, Sprachlehrer, Auslandsschulen. Hier wurden in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten massiv Hilfen gestrichen, obwohl in diesem Bereich mit wesentlich geringeren Geldern deutlich mehr zu erreichen wäre als mit dem Riesenapparat der Goethe-Institute. Die Zentrale der Goethe-Institute befindet sich in 80637 München, Dachauer Straße 122. Telefon: 089 / 159 21-0 Weiteres im Internet unter: www.goethe.de Foto: Kind mit Wörterbuch im deutsch-tschechischen Kindergarten Deutschneudorf: Sprachförderung statt Kultur für Minderheiten Foto: Goethe-Institute in Europa: Von den weltweit 142 Standorten sollen mindestens 30 geschlossen werden
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