Der Begriff ‚Tätervolk‘ ist völlig widersinnig und falsch. Es ist sehr bequem, das zu sagen. Die Deutschen sind ein wunderbarer Sündenbock, und sie spielen diese Rolle auch sehr gut.“ Wer sich in so eindeutiger Weise äußert, wird hierzulande schnell in die rechte Ecke gedrängt. Joachim Fest hat das nicht geschert, die politisch korrekte Vergangenheitsbewältigung war ihm ein Greuel. Mitten hinein in den Erinnerungsrummel anläßlich des sechzigsten Jahrestages des Kriegesendes am 8. Mai plazierte er im April 2005 in einem Interview mit der Berliner Zeitung unaufgeregt die Binse: „Es gibt keine Völker, die Täter sind. Das trifft nur auf einzelne Menschen zu. Ein Kollektiv kann nicht zum Täter werden.“ Den Zumutungen der fachfremden, wiewohl aber berufsmäßigen Vergangenheitsbewältiger in Politik und Medien begegnete Fest in den letzten Jahren zunehmend reserviert. „Die Leute sind übersättigt und können das nicht mehr hören“, erklärte der Historiker vor einem Jahr. Wolf Jobst Siedler (80) sagte jetzt über seinen langjährigen Weggefährten und Freund: „Fest besetzte die Position des politisch-historisch bewußten Intellektuellen, die die Berufshistoriker in der Bundesrepublik offen gelassen hatten.“ Er habe „das intellektuelle Profil der Bundesrepublik in politisch bewegten Zeiten entscheidend geprägt“, erklärte Kultursstaatsminister Bernd Neumann am Dienstag. Mit Joachim Fest verliere die deutsche Publizistik einen ihrer geistreichsten und wortmächtigsten Vertreter. Erst im Mai dieses Jahres hatte Fest für sein journalistisches Lebenswerk und seinen Beitrag zum Qualitätsjournalismus den Henri-Nannen-Preis erhalten. Von Joachim Fest, am 8. Dezember 1926 in Berlin-Karlshorst ins Bildungsbürgertum hineingeboren, in einem katholischen und NS-fernen Elternhaus aufgewachsen, erscheinen am 22. September im Rowohlt Verlag unter dem Titel „Ich nicht“ Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend. Die Süddeutsche Zeitung rühmte vorab schon Fests eleganten Stil und urteilte über das Werk: „Es ist das wichtigste und überraschendste Buch, das Fest seit seiner Hitler-Biographie von 1973 vorgelegt hat.“ In der JUNGEN FREIHEIT lesen Sie eine ausführliche Besprechung der Fest-Memoiren in der Literaturbeilage (JF 41/06) zur Frankfurter Buchmesse am 5. Oktober. Foto: Joachim Fest in seinem Haus im Taunus (1999): Viele Konservative waren von seiner Eleganz und Sicherheit im Auftreten eingenommen