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Eine Armee löscht ihr Gedächtnis

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Schilda bei der Bundeswehr. Was wie eine Posse klingt, ist ein geschichtspolitischer Skandal. Da stimmen vor einem fast leeren Haus spärliche 25 Bundestagsabgeordnete an einem späten Freitagnachmittag am 24. April 1998 einer von der PDS initiierten Resolution aus Anlaß des Jahrestages der Bombardierung der Stadt Guernica zu, nach der die Benennung von Kasernen nach ehemaligen Mitgliedern der im Spanischen Bürgerkrieg an der Seite Francos kämpfenden Legion Condor – wie beispielsweise Fliegerlegende Werner Mölders – rückgängig zu machen sei. Statt diese Resolution einfach zu ignorieren, säubert die Bundeswehr in vorauseilendem Gehorsam und mit der wohlwollenden Begleitung durch das Bundesverteidigungsministerium seitdem ihre Liegenschaften bis in den letzten Winkel. Jüngstes Beispiel dieser Kulturrevolution: Im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck wurden 30 Straßenschilder abmontiert, die die Namen der Fliegerlegenden Hans-Joachim Marseille, Ernst Udet, Max Immelmann, Oswald Boelcke, aber auch des französischen Fliegers Antoine de Saint-Exupery trugen. Die Gedankenlosigkeit, mit der die Verantwortlichen in Fürstenfeldbruck diesen im Kern barbarischen Akt vollziehen, ist typisch für die geistige Verfassung unserer Nation. Es ist ein schwindelerregender Verlust an Ehrgefühl, der Voraussetzung für dieses Handeln ist, Namen von Helden auszuradieren, die sich keine Nation der Welt nehmen lassen würde. Nicht aber die Bundeswehr. Ein verantwortlicher Offizier des Fliegerhorstes äußerte seelenruhig, selbst Offiziere hätten hinter der Marseille-Straße nur mehr eine Würdigung der südfranzösischen Stadt vermutet, „weil sie vom Flieger Hans-Joachim Marseille noch nie gehört hatten“. Spätestens hier muß jeden Soldaten fassungslose Scham ergreifen. „Vergiß mein Volk, die teuren Toten nicht und schmücke auch unsere Urne mit dem Eichenkranz.“ Dieses Zitat des als Lützower Jäger in den Freiheitskriegen 1813 gefallenen Dichters Theodor Körner mahnt daran, welche Pflicht die Nachgeborenen zur Erinnerung an die Helden haben – soll die Gemeinschaft nicht untergehen. Die deutsche Demokratie glaubt irrigerweise darauf verzichten zu können. Die aktuelle würdelose Debatte, ob den im Auslandseinsatz gefallenen Bundeswehrsoldaten überhaupt ein Ehrenmal errichtet werden soll – was eine Selbstverständlichkeit wäre – unterstreicht dies. Deutschland ist ein geschichtsvergessenes Land. Man möchte dies kaum glauben angesichts einer Erinnerungskultur, die geräuschvoll die Öffentlichkeit bestimmt. In bester Absicht demonstrieren die Deutschen Läuterung und kreisen in immer engeren Schleifen manisch um die im Namen ihres Volkes begangenen Verbrechen des Dritten Reiches. In immer größerer Dichte überziehen Gedenkstätten, Mahnmale, Stolpersteine das Land – immer gut gemeint und mit Bürgerfleiß befördert in der Absicht des „Nie Wieder“. Was als vernünftige Aufarbeitung begann, ist schon seit längerem ins Psychopathologische umgeschlagen, so wenn Joschka Fischer sagt, Auschwitz sei das Fundament der zweiten deutschen Demokratie. Die geschichtspolitische Wahnidee einer Neuschöpfung der Bundesrepublik Deutschland aus sich selbst heraus, die Vorstellung eines aprilfrisch-postnationalen Zeitalters, eine moralische Selbstabsolution mit der man die übrige deutsche Geschichte mit Auschwitz für final erledigt erklärt, dies ist wie in einem Brennglas bei der Bundeswehr zu beobachten. Es ist nachzuvollziehen, daß es die deutsche Armee nach der totalen Katastrophe von 1945 schwer hatte, neu zu beginnen und den Kern ihrer Tradition bruchlos zu bestimmen. So durchzieht ihre Entwicklung seit der Gründung vor 50 Jahren wie ein roter Faden das Ringen um eine lebendige Tradition, die sich an preußischer Armee, Reichswehr und Wehrmacht in ihren vorbildlichen Teilen orientiert. Die Offiziere des 20. Juli 1944 bilden deshalb auch zu Recht einen Kern der Traditionspflege. Doch auch ihre Namen geraten inzwischen ins Visier linker Kampagnen. Der für den Traditionserlaß von 1982 verantwortliche damalige SPD-Verteidigungsminister Hans Apel erklärte 2005 in einem Interview mit der Deutschen Militärzeitschrift selbstkritisch, daß die inzwischen erfolgten Bilderstürmereien von ihm nicht beabsichtigt waren: „Diese Art der Tabuisierung, die sich über unsere Geschichte legt, ist für mich immer schwerer erträglich. Natürlich müssen die Verbrechen der Nationalsozialisten scharf verurteilt werden – das ist auch für mich nicht debattierbar. Aber daß es auf der anderen Seite in diesem Krieg auf deutscher Seite untadelige Helden gab, die dann nach 1945 als solche Namensgeber von Kasernen und Bundeswehreinheiten wurden, das ist normal. Mit solchen Tabuisierungen können wir großen Flurschaden anrichten. Damit erschweren wir vor allem der jungen Generation den Zugang zur eigenen Geschichte. Die können dann wählen zwischen ‚Political Correctness‘ und Rechtsextremismus, und diese Wahl ist – mit Verlaub – ziemlich beschissen.“ Die Armee ist Spiegelbild der Nation. So schwer die Bundeswehr sich damit tut, Identität zu schaffen und Tradition zu pflegen, so schwer fällt dies dem Land insgesamt. Den Deutschen ist ihre Vergangenheit ein Danaer-Geschenk, das sie am liebsten ganz entsorgen würden. Das einfachste wäre wohl, wenn das „Deutsche“ ganz aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht würde. Doch hindert den Bundesbürger an seiner ersehnten Flucht in die weltbürgerliche Transzendenz der alljährliche Gedenkreigen, der ihn auf sein schuldbeladenes Kollektiv zurückverweist. Souverän ist, wer zu einer positiven Geschichtsinterpretation und -erzählung fähig ist. Gibt es überhaupt einen legitimen Weg der deutschen Nation im Sinne kollektiver Selbstbehauptung? Wenn man diese Frage bejaht, dann muß man auch der deutschen Geschichte Positives abgewinnen. Dann muß man sich auch dem Freiheitskampf der Deutschen im Rahmen ihrer Nationwerdung stellen. Dann treten die Staatsgründer, die Kaiser, Könige, die Reformer, die demokratischen Revolutionäre, dann treten aber auch die Heerführer und Soldaten hervor, die durch ihre Heldentaten (inzwischen ein Fremdwort in Deutschland) dafür sorgten, daß Reiche und Staaten nicht zerfielen, sondern verteidigt und zusammengeschlossen wurden. Vielen dieser vorbildlichen Soldaten und Offiziere, Heeresreformer und Strategen aus der Zeit Preußens, des Kaiserreichs, aber auch von Reichswehr und Wehrmacht setzte die Bundeswehr ein Denkmal, indem sie Kasernen, Straßen, Kriegsschiffe und Truppenteile nach ihnen benannte. Sie bot jungen Soldaten damit lebendige Identifikation mit der eigenen Geschichte an. An diese Tradition wird jetzt im Rahmen einer fortgesetzten Kulturrevolution die Axt gelegt – ein Akt nationaler Schande. Foto: Soldat des Wachbataillons in Berlin: In vorauseilendem Gehorsam säubert die Bundeswehr ihre Liegenschaften bis in den letzten Winkel von der Erinnerung an Wehrmachtssoldaten

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