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Ein Mord in Frankreich

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Jeder ernst gemeinte Versuch, sich die Qualen des jungen Pariser Juden Ilan Halimi vorzustellen, der von einer afrikanischen „Bande der Barbaren“ entführt und über Wochen zu Tode gefoltert wurde, muß in den Wahnsinn führen. Wenn die Jüdische Gemeinde das Verbrechen primär auf den Antisemitismus zurückführt, ist das verständlich. Andere wollen mit dieser verengten Interpretation lediglich ihren brüchig gewordenen „Antirassismus-Diskurs“ retten. Natürlich leiteten die „Barbaren“ der Pariser Vorstadt ihre Tat auch aus antisemitischen Zuschreibungen ab. Eine lautete: Die Juden haben Geld! Halimis Leben besaß in den Augen seiner Mörder nur insofern einen Wert, als es für sie verwertbar war. Wenn der Entführte schon keinen Tauschwert besaß, konnte man an ihm wenigstens noch die eigene Macht exekutieren. Die lumpenproletarischen Täter haben damit das, was radikalmarxistische Kapitalismuskritiker als die Konsequenz und Essenz des Kapitalismus herausstellen, beim Wort genommen. Sie konnten das mit einem um so besseren Gewissen tun, weil man ihnen stets bescheinigt, selbst Opfer des (neo-)kolonialistischen Kapitalismus zu sein. Als Jude war Halimi in den Augen seiner Mörder ein exponierter Vertreter dieses Systems. Die Tat besitzt damit eine generelle antiwestliche Stoßrichtung. Überraschend ist das Verbrechen nicht. In den Schriften des auf der karibischen Insel Martinique geborenen Frantz Fanon (1925-1961) wird es vorweggenommen. Die westlichen Dritte-Welt- und Sozialromantiker, zu deren Grundausstattung Fanons Aufsätze lange Zeit gehörten, haben sie nur nicht begriffen. Vor allem haben sie sich nicht vorstellen können, daß dieser Theoretiker des Antikolonialismus einmal in eine revolutionäre Praxis überführt werden würde. In dem Buch „Die Verdammten dieser Erde“ entwirft Fanon eine Umwertung der Werte: „Die Dekolonisation geschieht niemals unbemerkt, denn sie betrifft das Sein, sie modifiziert das Sein grundlegend, sie verwandelt die in Unwesentlichkeit abgesunkenen Zuschauer in privilegierte Akteure, die in gleichsam grandioser Gestalt vom Lichtkegel der Geschichte erfaßt werden. Die Dekolonisation ist wahrhaft eine Schöpfung neuer Menschen.“ Und: „Die nackte Dekolonisation läßt durch alle Poren glühende Kugeln und blutige Messer ahnen. Denn wenn die Letzten die Ersten sein sollen, so kann das nur als Folge eines entscheidenden und tödlichen Zusammenstoßes der beiden Protagonisten geschehen. Dieser ausdrückliche Wille, die Letzten an die Spitze rücken zu lassen (…) kann nur siegen, wenn man alle Mittel, die Gewalt natürlich eingeschlossen, in die Waagschale wirft.“ Diese Gewalt müsse eine „absolute“ sein. Der nackte, gefesselte, geknebelte Halimi war der Gewalt der neuen Privilegierten „absolut“ ausgeliefert. Jene West-Spezies, die heute „Gutmensch“ heißt, beschrieb Fanon als nützliche Idioten. Sie bestärkten „die Kolonisierten in dem Bewußtsein, daß man ihnen etwas schuldig ist, und die kapitalistischen Mächte in der Erkenntnis, daß sie zahlen müssen“. Die deutsche Unterwürfigkeit nach 1945 stellte für Fanon das Vorbild für die künftige Haltung des Westens gegenüber den „Verdammten“ dar, die nun nach der Macht greifen. Foto: Mordopfer Halimi

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