Das Goethe-Institut, die Visitenkarte deutscher Kultur im Ausland, will sich der Globalisierung stellen und neue weltpolitische Kraft- und Konfliktfelder erschließen. Nur reicht das Geld dafür nicht aus, weshalb die Ausdünnung seines europäischen Netzwerks droht. Von 2002 bis 2005 ist das Jahresbudget um 16 auf 109 Millionen Euro geschrumpft. Das allerdings ist ein politisches, kein finanzielles Problem, denn gleichzeitig bewilligte die Regierung jährlich 19 Millionen für Anti-Rechts-Programme. Die Dignität eines Staatswesens läßt sich daran ermessen, welche Prioritäten es setzt. Es wäre falsch, das Institut in diesem Konflikt zur Gralsburg des Wahren, Guten und Schönen zu stilisieren, die von banausischen Politikern geschleift wird. Es hat deren ideologisches Programm längst verinnerlicht, das die Kultur zum Instrument eines gesellschaftspolitischen Experiments herabstuft. Diese Beliebigkeit fällt ihm nun auf die Füße. Welches Konzept von deutscher Kultur vertritt das seit 2002 von der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, geleitete Goethe-Institut? Eine Frage, die auch innenpolitisch von Bedeutung ist, weil gutwillige Zuwanderer danach fragen, wohin sie sich denn integrieren sollen. Die Dauerpenetration durch Holocaust-Thriller und Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen, durch aggressives „Denglisch“ plus Musikantenstadl sei doch wohl nicht alles? Den Richt- und Leitlinien des Instituts, seinen Verlautbarungen und Internet-Auftritten zufolge ist die deutsche eine „Kultur in Bewegung“, wo sich „transkulturelle Versuchsfelder“ auftun, die „jenseits der deutschen Integrationslogik“ liegen, türkischer Ethno-Pop als der „Sound of Migration“ ertönt und „Nürnberger ‚Südstadtkids'“ die Stadt als Standort von „Döner, Rap und Rostbratwurst“ entdecken. Internet-Links verweisen auf „Kanak Attak“, das „Aktionsbündnis gegen die Unterwerfung durch eine hegemoniale Kultur“, und auf Projekte gegen Rechtsextremismus. Die verwelkte rot-grüne Gesellschaftspolitik des „Einwanderungslandes Deutschland“ soll als fortgesetzte „Öffnung der deutschen Kultur in der Nachkriegszeit“ verlängert werden. Man fühlt sich in die TV-Nonsens-Sendung „Veronas Welt“ aus den 1990er Jahren versetzt, in der die Moderatorin zu jedem substanzfreien Beitrag piepste: „So, das war jetzt wieder ein schöner Übergang!“ Oder, mit den Worten Brigitte Sauzays, der französischen „Madame Allemagne“: Deutschland, „für Generationen von Franzosen einst ein faszinierendes Wort, magisch und unheilbringend zugleich; heute ist es banal geworden … Je mehr es sich nach dem Zweiten Weltkrieg ’normalisierte‘, um so mehr verlor Deutschland seine Faszination für die lateinische Welt.“ Warum soll das in China anders sein? Oder in Indien? Solange diese Frage nicht geklärt ist, bleiben die aktuellen Diskussionen um Strukturreformen ohne Gehalt. Natürlich muß das Goethe-Institut auf die Verlagerung globaler Gewichte reagieren, woraus sich wichtige Fragen ergeben, etwa: Ist der „Dialog der Kulturen“ angesichts der machtvollen islamischen Renaissance in Wahrheit nicht eine Einbahnstraße, ein provinzieller Selbstbetrug? Kann und soll Deutschland mit Großbritannien, das aufgrund kolonialer Traditionen, der Übermacht seiner Sprache und angloamerikanischer Alltagskultur uneinholbare Trümpfe in der Hand hält, flächendeckend konkurrieren, oder soll es sich, bei gezielter Ausdehnung außereuropäischer Aktivitäten, als Europas Herzland profilieren? Aus dem Goethe-Institut erfährt man hinter vorgehaltener Hand soviel: Die Einrichtung trägt schwer daran, noch immer deutsche Kultur und Sprache verbreiten zu müssen. Die meisten Mitarbeiter würden liebend gern Europäer sein und mit dem französischen und britischen Kulturinstituten zusammenarbeiten. Doch das British Council arbeitet nur mit Einheimischen, und die Franzosen haben leicht süffisant bemerkt, daß es eine europäische Sprache und eine einheitliche europäische Kultur nicht gebe. Das Goethe-Institut hat sich in seinem dreigliedrigen Bereich (Kultur, Sprache, Literaturförderung) in sinnlose „Europa-Projekte“ verwickeln lassen, allein der „Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen“ hat sich unsäglich aufgebläht. Es ist so sehr mit sich selbst und dazu noch mit dem „Bologna-Prozeß“ zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes beschäftigt, daß die Hauptsache – die deutsche Sprache und Kultur – immer mehr in den Hintergrund gerät. Und personell schleppt Goethe das 68er Erbe mit, was man allein schon daran merkt, daß die Hälfte der Mitarbeiterinnen Doppelnamen tragen. Die Kultur wird nur ausschnittweise gezeigt, eine Pop-Gruppe wie Rammstein, die allein durch ihre Lieder mehr für die Verbreitung der deutschen Sprache getan hat als alle diese bundesdeutschen Kulturmittler zusammen (in Amerika wie in Rußland sind die Teutonenrocker die bekannteste deutsche Band), steht auf dem Index unter NS-Verdacht. Der Versuch, diesen Mehltau durch „projektorientierte“ Arbeit abzuschütteln, wird an den Mitarbeitern scheitern. Es sind immer dieselben, die sie einladen. Wenn es rechtlich möglich wäre, müßte man das Goethe-Institut weltweit abwickeln und sich die Mitarbeiter in Konkurrenz mit anderen Kandidaten neu bewerben lassen, analog zum Abwicklungsszenario der DDR-Universitäten nach 1989. Weil das illusorisch ist, werden die Goethe-Feministinnen weiter daran arbeiten, zum Jähzorn neigende arabische Moslems umzuerziehen mit ihren famosen Demokratiekonzepten und Richtlinien. In Kabul hat die für Wissenschaft zuständige Schwesterorganisation, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), einen Gender-Studies-Studiengang eingerichtet, aber daß in der Universität seit der Talibanherrschaft keine Toilette existierte, wollten sie nicht ändern, weil bauliche Umgestaltungen nicht in das Ressort des DAAD gehören. Tagsüber hörten die Musliminnen Vorlesungen über Frauenbefreiung, ihre körperlichen Bedürfnisse verrichteten sie später im Schutze der Dunkelheit. Und das Goethe-Institut beglückte die Afghanen mit Projekten über afghanische Folklore und Volksmusik der kleinen Stämme. Als der Universitätsrektor von der Institutschefin Deutschkurse forderte und sich gleich als ersten Schüler selbst anmeldete, reagierte diese sehr indigniert: Bevor die Afghanen Deutsch zu lernen begännen, sollten sie erst mal ihre eigene Kultur verstehen. Das also ist auswärtige Kulturpolitik im Interesse Deutschlands! Weil sie solche grundsätzlichen Probleme aussparen, sind die aktuellen Diskussionen nur Stürme im Wasserglas des Feuilletons.