Zwei Themen der vergangenen Wochen kollidieren derzeit auf pikante Weise: Da ist auf der einen Seite die Umfrage der Zeitschrift Eltern, die in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa ermittelte, daß der „fehlende geeignete Partner“ ein gewichtiger Hauptgrund für die Gebärunlust der Deutschen sei. Auf der anderen Seite brachte die Debatte um heimliche Vaterschaftstests Zustände und Zahlen zutage, die ein erschreckendes Licht auf eine anscheinend gängige Variante der „Vaterwahl“ warfen: Einmal mehr wird durch diese Sachbestände deutlich, in welchem Stadium der Auflösung sich familiäre Strukturen befinden. Von fünf bis zehn Prozent Kuckuckskindern wird heute nach vorsichtigen Schätzungen, gestützt durch medizinische Untersuchungen, ausgegangen. Der britische Evolutionspsychologe Robin Dunbar („Krieg der Spermien“) nennt selbst eine Quote von 15 Prozent als nicht zu hoch gegriffen, und die „U.S. Citizens against fraud“ gehen auf ihrer Netzseite davon aus, daß etwa dreißig Prozent aller Kinder bei einem Vater aufwachsen, der, ohne dies zu wissen, nicht der Erzeuger ist. Augenfällig ist, daß zu diesem Themenkomplex gerade in jüngerer Zeit eine beachtliche Zahl angloamerikanische Studien auch in renommierten Fachmagazinen erschienen ist, während die bundesdeutsche Forschung sich hierzu in Schweigen hüllt: Männerrechtler sehen hierin ein Zeichen, daß in „Zeiten feministischer Wissenschaft dergleichen zu erforschen hierzulande unter ein Tabu“ falle. Nimmt man für Deutschland eine global eher moderate Zehn-Prozent-Quote an, säßen, dies zur Verdeutlichung, zwei bis drei „Kuckuckskinder“ in jeder Schulklasse. Jährlich über 50.000 Vätern wird eine Vaterschaft untergeschoben, die Gesamtzahl „falscher Väter“ dürfte wohl deutlich in die Millionen gehen – eine Summe, die die Empörung über das in Aussicht stehende Verbot plausibel erscheinen läßt. Zypries‘ Rechtsidee ist klar feministisch geprägt Dennoch: Der Versuch, angemessen über das zur Diskussion stehende Verbot „heimlicher Vaterschaftstests“ zu urteilen, gleicht dem Bemühen, eine Waschmittelempfehlung für einen heillos verfilzten Pullover auszusprechen. Wer mag schon „Heimlichkeit“ lauteren Herzens ethisch begründen, und dies in der heiligen Sphäre der Ehe? Der Grundsatz, wonach als Vater eines Kindes derjenige gilt, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter zusammenlebt, hatte seinen wohlbegründeten Sinn: Er schützte die Familie und zuvörderst die Mutter – da im Normalfall lebenslang an das Kind gebunden – vor verantwortungslosem männlichen Sexualverhalten und stellte ein schwer widerlegbares Axiom gegen Einwände mißtrauischer Gatten dar: Das einmal gegebene Ja-Wort bezog auch Zweifelsfälle ein – dies auch zum Wohle des Kindes. „Mama’s baby, papa’s maybe“ – sollte die Tatsache, daß dieser in Afrika angeblich geläufige Spruch hierzulande aufgrund technischer Möglichkeiten der Vergangenheit angehört, zum Schaden des betroffenen Kindes sein? Technik, das wissen wir von Heidegger, hat immer ein Potential der Entbergung inne. Die Befürworter des BGH-Urteils, zu denen an prominenter Stelle Renate Schmidt, Renate Künast, Dieter Wiefelspütz und Volker Beck gehören, wissen das „Entbergende“ nach ihrem Gusto zu wenden: Da die Bedeutung der leiblichen Eltern schon vor längerer Zeit gesamtideologisch zugunsten der „Bezugsperson“ entmachtet wurde, wird nun das Recht und die Möglichkeit von Vätern und Kindern auf einen Herkunftsnachweis in die Mottenkiste einer kalten biologistischen Argumentation verwiesen: Vater ist, wen die Mutter als Betreuer -und im schlimmeren Fall als Financier – bestimmt. In anderem Zusammenhang, aber ebensogut hier anwendbar sprach Stefan Dietrich in der FAZ jüngst von einer „Mutation der Rechtsgemeinschaft zur Wertegemeinschaft unter der Fuchtel einer linken Leitkultur“, in der oftmals nicht einmal der rein soziale Bezug gegeben ist, betrachtet man die immer populärere „Kind ja, Mann nein“-Haltung willentlich Alleinerziehender und verweist damit die genetische Abkunft an den Katzentisch überkommener Denkweise: Sozialisation ist alles, Biologie kaum mehr als ein Gerücht. Für wie banal die Frage der leiblichen Vaterschaft angesehen werden kann, bezeugen die Worte von Brigitte Zypries, die einen heimlich durchgeführten Test unter dem leicht durchschaubaren Vorwand des „Vertrauensbruchs“ mit der Verletzung des Brief- oder Bankgeheimnisses verglich. Nicht allein, daß der Frau solcherart ein „Geheimnis“ über die leibliche Abkunft ihres Kindes zugestanden wird, bewirkt, daß Männergruppen und Vätervereine vom Zypries’schen Gesetzesvorhaben als einem „Schlampenparagraphen“ reden. Staunenswerte, deutlich feministisch geprägte BGH-Urteile und Berichte von Männern, die sich als „Samenspender und Zahlesel“ mißbraucht sehen, häufen sich seit Jahren und zeugen mitnichten von einer neuen männlichen Weinerlichkeit. Zuletzt war es die Pressesprecherin des OLG Naumburg, die bekundete, „wenn überhaupt spielen die Rechte der Väter im Familienrecht eine untergeordnete Rolle“. Einen jener sehr eindrücklichen, aber eben keineswegs einzigartigen Fälle stellt Michael W. ( www.kuckuckskinder.info ) aus Moers dar: Einige Monate nach dem Ende einer kurzen Liebe eröffnete dem jungen Mann seine Ex-Freundin, von ihm schwanger zu sein. Spätestens nach der Geburt des Kindes, das nach Auskunft des Mutterpasses „voll ausgetragen“, also in der 40. Schwangerschaftswoche geboren wurde, wurde Herrn W. klar, daß er rein rechnerisch nicht als Kindvater in Betracht kam. Als er die Unterzeichnung der Vaterschaftserklärung verweigern wollte, sah er sich durch den zuständigen Beamten unter Druck gesetzt: Entweder drohte ihm wegen Verweigerung der Unterhaltszahlung Beugehaft, oder er müsse auf eigene Kosten einen Vaterschaftstest machen lassen – seinerzeit war mangels ausgefeilterer Verfahren ein solcher Test nicht unter 10.000 Mark zu haben. Nach dem Hinweis, er könne die Vaterschaft jederzeit anfechten – was nicht stimmt, es gilt eine Frist von zwei Jahren -, unterschrieb der junge Auszubildende. Nach acht Monaten reichte Michael W. über einen Anwalt eine Vaterschaftsklage ein, die abgewiesen wurde mit der Begründung, der Lebenswandel der Kindesmutter lasse nicht darauf schließen, daß ein anderer Mann als Erzeuger in Betracht käme: Immerhin umfaßt der gesetzliche Empfängniszeitraum mindestens drei Monate. Oftmals lassen Mütter wider besseres Wissen Väter zahlen Da das Jugendamt von Geburt des Kindes an Unterhaltsvorschuß geleistet hatte, wurden künftig Lohn und Gehalt, das Michael W. als Bundeswehrsoldat und später als Berufstätiger erhielt, zu großen Teilen gepfändet. Nachdem die Preise für Vaterschaftstests gefallen waren, und mit dem Wissen, daß Gerichte hierzulande nur Bluttests anerkennen, ließ Michael W. für 2.000 Mark einen solchen durch ein staatlich anerkanntes Institut vornehmen. Resultat: Er ist nicht der leibliche Vater des ihm untergeschobenen Sohnes. Dennoch zog das wiederum angerufene Gericht den Test in Zweifel und merkte an, Michael W. habe immerhin über Jahre Unterhalt gezahlt – ungeachtet der Tatsache, daß der Scheinvater das nie freiwillig tat – und habe damit seine Vaterschaft stillschweigend anerkannt. Erst ein zweiter Test – Kostenfaktor 4.000 Mark – durch die Gerichtsmedizin ließ amtlich werden, daß Michael W. nicht der Vater ist. Die Rückzahlung sämtlicher Kosten darf der Hintergangene nun einklagen. Der „Männerrechtler“ Arne Hoffmann schildert in seinem über diesen Problemkreis hinaus lesenswerten Buch „Sind Frauen die besseren Menschen?“ eine Vielzahl ähnlich gelagerter aktenkundiger Fälle, die nicht weniger haarsträubend erscheinen. Hoffmann weist weiter darauf hin, daß die „Kuckuckskinderquoten“ nur über die geborenen, nicht aber die gezeugten Kinder Aufschluß geben: „Eine Frau, die damit rechnen muß, ihr Dauerpartner könnte herausfinden, daß er nicht der rechtmäßige Vater sei, wird ihr Kind eher abtreiben lassen.“ Auch der Spiegel-Reporter Matthias Matussek, der mit seinen Büchern über die „Vaterlose Gesellschaft“ von sich reden machte, nennt zahlreiche Beispiele „feministischer Justiz“ wie den Fall eines Düsseldorfer Vaters, der nach der Scheidung jahrelang für ein Kind zahlte, das er für seines hielt. Als der vergangene Ehebruch mit Folgen aufflog, wurde seine Klage auf Rückzahlung des Unterhalts zurückgewiesen: Das Gericht konnte keine „sittenwidrig schädigende“ Handlung seitens der Frau erkennen. Der moralisch verbrämte Aufschrei der Gesetzesbefürworter, es ginge den „heimlichen Testern“ allein um den schnöden Mammon, während das Kindeswohl unter den Tisch falle, vermag die Tatsachen so recht auf den Kopf zu stellen: Zum einen sind es die untreuen Frauen, die mit ihrem Verhalten den Grundstein für eine Erosion der Kinderseele legen, zum anderen läßt sich das Geldargument schlicht umkehren – sind es doch hier die Mütter, die wider besseres Wissen die Väter zahlen lassen. Nachdenklich muß hier das aktuelle Plädoyer des evangelischen Theologen Walter Diez stimmen, wonach „Männern unter den gegebenen Umständen von einer standesamtlichen Ehe dringend abzuraten“ sei. Auch Kinder haben ein Recht, den richtigen Vater zu kennen Das Argument, daß heimliche Tests die Ehe oder Lebensgemeinschaft weniger belasten als ein offen ausgesprochener Verdacht, mag scheinheilig anmuten, ist pragmatisch aber kaum von der Hand zu weisen. Hier gilt ähnliches wie für das umstrittene Gesetz, das Ende der Neunziger „Vergewaltigung in der Ehe“ unter Strafe stellte: Welche Ehe hätte nach einem aufwendigen, unter Verhandlung intimster Tatbestände abgeschlossenen Gerichtsverfahren noch Bestand? Heimliche Tests mögen zwar ein oft grundloses Mißtrauen bezeugen, vermögen dies aber diskret zu entkräften. Die relativ einhellig bekanntgegeben Zahlen der Testinstitute sprechen eine deutliche Sprache: bei etwa drei Vierteln der eingereichten Tests (es wird von bis zu 30.000 pro Jahr ausgegangen) erweist sich der mutmaßliche Vater als der tatsächliche; seit dem drohenden Testverbot ist die Quote bestätigter Elternschaft gar auf knapp 85 Prozent hochgeschnellt. Dabei betrifft das Verbot heimlicher Tests mitnichten allein Männer, auch wenn nach aktuellen, nicht repräsentativen Umfragen vier von fünf Frauen das Gesetz befürworten, während neunzig Prozent aller Männer es ablehnen. Nach Angaben der Anbieter der Vaterschaftstest, die derzeit mit Dumpingpreisen ab 229 Euro um Kunden werben, sind zirka dreißig Prozent der Klienten Frauen. Zum einen sind es Mütter mit Angst vor einer Vertauschung des Säuglings im stationären Wochenbett – ein eher unwahrscheinlicher und auch im Zeitalter der Klinikgeburten selten bestätigter Fall -, zum anderen mißtrauische Schwiegermütter und andere Verwandtschaft: gerade nach familiären Feiertagen häufe sich solcher Kundenkreis, wissen Labore zu berichten. Bei Maritta B. aus Hessen war es anders: Die neununddreißigjährige dreifache Mutter und ihr Ehemann hatten nach dem zweiten Kind vor zehn Jahren eigentlich mit der Familienplanung abgeschlossen, die „Spirale“ sollte weiteren Kindersegen vermeiden. Im Frühjahr 2001 leistete sich die Frau dann einen Fehltritt, eine „typische Faschingsaffäre“, wie sie sagt, die sie bereits am nächsten Morgen bitter bereute. Der Schock über eine erneute Schwangerschaft sei unglaublich gewesen – vor allem die Unsicherheit, wer denn der Vater sei, sei schier unaushaltbar gewesen. Über ein Jahr lebte Maritta B. in dieser selbstverschuldeten Ungewißheit – „das Kind sah einfach nur aus wie ich, und ein Test versprach erst ab dem vierten Lebensmonat Klärung“ -, bis sie schließlich eine heimlich entnommene Speichelprobe ihres Mannes zusammen mit der des Sohnes zur Untersuchung einschickte und bald darauf zu ihrer Erleichterung erfuhr, daß der Gatte „mit 99,999prozentiger Wahrscheinlichkeit“ – von 1,6 Millionen Menschen haben zwei die identische DNS – sei. Damit war der Fall für Maritta B. erledigt und darf als nachhaltige Lehre in ihre persönliche Lebensgeschichte eingehen. Wolfgang Wenger, Sprecher des Netzwerkes pro Vaterschaftstests gibt zu bedenken: „Als Frau sind Sie auch betroffen, weil es sein kann, daß Sie morgen ihre Mutter besuchen, und zwischen der ersten und der zweiten Tasse Kaffee sagt sie Ihnen, daß Ihr Vater nicht Ihr Vater ist. Vielleicht noch mit den Worten: ‚Eigentlich geht es dich ja nichts an, weil das mein informationelles Selbstbestimmungsrecht ist.'“ Jenes „informationelle Recht auf Selbstbestimmung“, in den letzten Wochen zum Schlagwort im Wortsinne geworden, entstammt eigentlich der Volkszählungsdebatte der achtziger Jahre und sollte ein Abwehrrecht des Bürgers gegenüber dem Staat verbriefen. Nun soll es erstmals Einzug in zivile Rechtsstreitigkeiten halten und wird – bezogen auf das Kind – in die Hände der Mutter gelegt, die bei einem verheimlichtem, folgenreichen Seitensprung freilich keinen Grund haben wird, einer Genprobe zuzustimmen. Als Beweis galt ein heimlicher Test ohnedies nie, allenfalls konnte er als Indiz dienen, eine Vaterschaftsklage anzustreben. Die zulässigen Verdachtsmomente, die einem Mann überhaupt eine Klage ermöglichen, sind begrenzt: Entweder muß der bezeichnete Vater zum Zeitpunkt der Zeugung – also mindestens drei Monate – nachweislich außer Landes gewesen sein, oder es muß ein „von Zeugen bestätigtes außereheliches Intimverhältnis“ vorliegen. Das alte Recht, wonach Vater genannt wird, wer zum Zeitpunkt der Geburt in Lebensgemeinschaft mit der Mutter lebt, beruht auf einem Nicht-wissen-Können. Es befolgte den Grundsatz des „in dubio pro reo“ und hatte darin seine Richtigkeit. Doch es ist ein veraltetes Gesetz, wo Zweifel heute ausgeräumt werden können. Zweifelsohne trifft der Hinweis einer Väterinitiative zu, daß eine Frau, die eine Vaterschaft unterschiebt, vier Personen betrügt: den vorgegebenen Vater wie den tatsächlichen, das Kind – und nicht zuletzt sich selbst.