Am Montag startete, so die Selbstdarstellung, die „größte Social Marketing Kampagne in der Mediengeschichte der Bundesrepublik“. Ihr Name: „Du bist Deutschland“. Mehr als 30 Millionen Euro groß ist das „Mediavolumen“, heißt es. Mit dieser Initiative, die von den 25 größten deutschen Medienunternehmen, allen voran Bertelsmann, Springer, Gruner & Jahr, Burda, ARD, ZDF, RTL, Sat.1 getragen wird, soll der schon lange geforderte „Ruck“ ausgelöst werden, der Deutschland wachrüttelt. Eine lobenswerte Idee. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft soll ein Stimmungswechsel angestoßen werden: weg von Verzagtheit, Nörgelei, Miesmacherei, hin zu mehr Optimismus, Tatkraft, ja Patriotismus. Daß Deutschland runter muß von der Couch, haben wir schon wiederholt geschrieben. Der Schlüssel aber, der zum Ausgang aus der deutschen Neurose führt, ist ein unverkrampftes Nationalbewußtsein. Immerhin: Die Initiative „Du bist Deutschland“ hatte dies wohl ursprünglich im Sinn. Nehmen wir aber den TV-Film. Er bringt in unfreiwilliger Weise den Kern des „deutschen Komplexes“ auf den Punkt. Jedes Volk hat seine nationale Ikonographie, die sich in einer Fahne, einem Symbol und einem Denkmal widerspiegelt. Im Streifen der Initiative „Du bist Deutschland“ schlendern, lehnen und sitzen Promis nicht am Brandenburger Tor, nein, nicht am Kyffhäuser – sondern um, auf und neben den Stelen des monumentalen Holocaust-Mahnmals. Nirgendwo anders scheint mehr deutsche Selbstvergewisserung möglich. Auschwitz als Kern des deutschen Nationalbewußtseins? Im Film wird von unterschiedlichen Prominenten ein „Manifest“ vorgetragen. Der Text ist gar nicht so schlecht. Das wenige Pathos wird jedoch in den Bildern nicht unterstützt, sondern gebrochen. So heißt es an einer Stelle: „Warum feuerst du dann deine Mannschaft im Stadion an, wenn deine Stimme so unwichtig ist? Wieso schwenkst du Fahnen, während Schumacher seine Runden dreht? Du kennst die Antwort: Weil aus deiner Flagge viele werden und aus deiner Stimme ein ganzer Chor.“ Nicht einmal an dieser Stelle wird die deutsche Fahne, die kein einziges Mal erscheint, gezeigt. Statt dessen spricht der Sänger Xavier Naidoo die letzten Worte dieses Satzes mit melodramatischem Gesicht vor einer Stele des Holocaust-Mahnmals! Es ist auch kein Zufall, daß nicht nur auf jedes nationale Symbol verzichtet wurde, sondern ebensowenig der Typus des Staatsdieners auftaucht, mit dem das Volk – immer noch! – das Opfer für die Gemeinschaft verbindet: der Soldat. Tausende davon stehen im Balkan und am Hindukusch, und sie haben geschworen, ihr Leben für dieses Land zu geben! Die Botschaft schmeckt abgestanden, verlogen. Der Film, der Mut machen und Entschlossenheit zeigen soll, ist unfreiwilliger Ausdruck der deutschen Angst vor der eigenen positiven nationalen Identität. Eine Selbstbespiegelung, Autosuggestion für Feuilletons, Verlagsetagen und Parteizentralen. Den Bürger erreicht dieser Pseudo-Patriotismus aus der Retorte nicht. Allenfalls Angehörige verklemmter Eliten. Informationen im Internet: www.du-bist-deutschland.de