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Die wahre Macht des Kapitals

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Franz Münteferings antikapitalistische Phrasendrescherei hat für die rot-grünen Genossen wie ein Befreiungsschlag gewirkt. Jetzt trauen sich etliche, ihr wahres Gesicht zu zeigen und ihren angestauten Frust auszuspucken: Den Frust über die ungeliebte Position der „Neuen Mitte“, die – weil lediglich ein ideologischer Mauscheltrick der Linken – bislang eine gewisse Verbaldisziplin und Verstellungskunst erfordert hatte. Was der SPD-Chef mit dem roten Popanz-Schal vorgemacht hat, das dürfen jetzt alle, nämlich draufschlagen auf die Sündenböcke, die schon lange für alles herhalten müssen, was die politische Kaste an Unheil, Destruktion und Bankrott anrichtet: auf die „Macht des Kapitals“, die Globalisierung, die „abgrasenden Heuschreckenschwärme“ internationaler Investoren, die „sozial verantwortungslosen“ Konzernchefs, die bei steigenden Gewinnen Personal abbauen, und auf die Arbeitsplatzverlagerer ins Ausland mit dem „kurzfristigen Profitdenken“. Zugleich werden nun wieder die Werkzeugkästen des sozialistischen Abzocker- und Zauber-Handwerks geöffnet. Hervor kommen Mindestlöhne, Erhöhung der Erbschaftsteuer, Steuer-„Harmonisierung“ (nach oben natürlich), Verringerung der Verlustabschreibung, Ausweitung des Entsendegesetzes auf alle Branchen (bisher nur in der Baubranche gültig) und steuerliche Hürden und Strafen gegen Auslandsverlagerung der Produktion. Kurz: Man will bei der Fahrt des Karrens Deutschland an die Wand noch einen Gang höher schalten. Nach den Erfahrungen mit der apokalyptischen Zerstörungswucht der marxistischen Ideen im 20. Jahrhundert müssen es starke Motive sein, die Müntefering veranlaßt haben, ins klassenkämpferische Arsenal zu greifen. Als Motive drängen sich auf: 1) Panische Angst, von den Hebeln und Futtertrögen der Macht verjagt zu werden (wozu die anstehende NRW-Wahl den Auftakt bilden könnte). Bei antikapitalistischen Ressentiments weiß man die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich (das war noch nie anders) und kann deshalb hoffen, die durch Hartz IV und andere Grausamkeiten vergrätzten Stammwähler wieder hinter sich zu scharen. 2) Das Bemühen, von den desaströsen Folgen der eigenen Politik abzulenken und Sündenböcke für die deutsche Misere vorzuführen. 3) Der Taktiker Müntefering will den Rebellen aus den eigenen Reihen, die im Begriff sind, sich abzuspalten und die SPD links zu überholen, mit seinem neomarxistischen Getöse den Wind aus den Segeln nehmen. Sie sollen sich – inklusive Oskar der Zukurzgekommene Lafontaine – wieder „daheim“ fühlen. 4) Nicht zuletzt könnte der Versuch Münteferings mitspielen, Kanzler Schröder als sozialdemokratisches Weichei vorzuführen und sich selbst – nach dem Motto „Endlich wieder ein Sozi nach echtem Schrot und Korn“ – als Kanzlerkandidaten für 2006 zu empfehlen. Die Münte-Attacke ist verhängnisvoll für unser Land. Schlimmer noch ist, daß die meisten Bürger (immer noch!) auf solche Parolen mit Zustimmung reagieren, mit denen die ohnehin schon stark beschädigten Grundfesten einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung geschleift werden. Der Finanzexperte Jens Ehrhardt hat recht, wenn er in der Finanzwoche über die Mängel unseres Bildungssystems schreibt: „Schon in der Schule müßte den jungen Menschen die Wirklichkeit der Weltwirtschaft beigebracht werden, damit man nicht auf die weltfremde Rattenfängerei eines Herrn Müntefering hereinfällt. (…) Wenn man, wie ein Teil unseres Research-Teams, in Hongkong die Müntefering-Thesen in der Zeitung liest und solche weltfremden Wünsche mit der einen umgebenden hoch wettbewerbsfähigen, eigenverantwortlichen Welt der Chinesen vergleicht, kann es einem nur bang werden um die Zukunft Deutschlands.“ Um dieser Zukunft willen sei hier der Versuch unternommen, ein paar der verfälschten Kampagne-Begriffe zurechtzurücken. Da wäre als erstes der Kapitalismus: Wer ein Wirtschaftssystem (ich schreibe bewußt System, und nicht, wie es für echten Kapitalismus richtig wäre: Ordnung) wie das deutsche – mit seinem staatlichen Bildungs-, Gesundheits- und Rentenwesen, mit staatlichem Papiergeld und mit seinen gesetzlich und gewerkschaftlich gefesselten Arbeitsmärkten, mit seinem Staatsanteil von 50 Prozent und seiner politisch-bürokratischen Überwucherung des gesamten Zivillebens – als Kapitalismus bezeichnet, der muß mit ideologischer Blindheit geschlagen sein. Die sozialökonomische Realität unseres Landes hingegen trifft ein Satz des Schweizer Wirtschaftsprofessors Reiner Eichenberger: „Gegen die heutigen Probleme des Kapitalismus gibt’s nur ein Mittel: richtigen Kapitalismus.“ (Wirtschaftswoche Nr. 17/05). Kapitalismus ist nicht nur der einzig mögliche Wohlstandsmechanismus, den wir kennen, sondern er ist auch eine Friedensordnung. Jedenfalls solange der Staat sich heraushält und die ökonomische Kraft nicht in politische Macht umsetzt. Offene Märkte und offene Grenzen für Güter, Dienste, Menschen und Kapital, kurz: Freihandel im weitesten Sinne, sind die einzigen wahren Friedensgaranten. Kaufleute schlagen sich nicht, egal welcher ethnischen Herkunft, Hautfarbe, Nationalität oder Religion sie sind; sondern sie tauschen und sie tauschen sich aus – zum wechselseitigen Vorteil und zum Vorteil aller Konsumenten und Beschäftigten, das heißt: zum Vorteil aller Bürger. In diesen Friedensprozeß wieder nationalistische Vokabeln einzustreuen, indem man ausländische Investoren als „Heu-schreckenschwärme“ bezeichnet, welche die inländischen Unternehmen „abgrasen“, sowie als Jobvernichter und Angreifer auf das deutsche Sozialidyll: Das ist Sozialnationalismus und erzeugt Feindbilder, die – nicht nur vom Wortklang her – denen der totalitären Vergangenheit gefährlich nahekommen. Der deutsche Wohlfahrtsstaat war von Anfang an ein Illusions-Modell und lebt von der Aufzehrung des Reichtums, den jener Rest-Kapitalismus geschaffen hat, den die politische Kaste gerade noch zugelassen hat, sowie von der Ausbeutung der Zukunft und der künftig lebenden und arbeitenden Menschen. Wenn dieses sozialsozialistische Wolkenkuckucksheim jetzt dem Bankrott zusteuert, so ist das nicht Folge des „ungezähmten“ Kapitalismus, sondern der politisch gelähmten und (wie Gulliver im Zwergenland) mit tausend kleinen Stricken gefesselten Marktwirtschaft – also von zu wenig Kapitalismus. Ludwig Erhard, dem der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ buchstäblich im Hals steckenblieb, ist nicht müde geworden, immer wieder darauf hinzuweisen, daß der freie Markt das eigentlich Soziale sei, daß nur eine freie Marktwirtschaft zugleich auch eine soziale sei. Die von der Polit-Murkserei des deutschen und kerneuropäischen Samtpfoten-Sozialismus erzeugte Dauer- und Massenarbeitslosigkeit schiebt man nun dem Modell des „angelsächsischen Raubtierkapitalismus“ in die Schuhe. Münteferings Kampfgeschrei unterlegte der niedersächsische SPD-Fraktionschef Gabriel mit den Uralt-Feindparolen einer längst vergangen geglaubten Zeit. „Wollen wir die 19 Millionen Arbeitslosen des Kontinents ausgrenzen“, so Gabriel, „für die in der entfesselten Marktwirtschaft kein Platz mehr ist, oder wollen wir dem internationalen Kapitalismus auch internationale Spielregeln geben?“ Mit „Spielregeln“ sind natürlich genau die Knebel gemeint, die erst zu jenen 19 Millionen Arbeitslosen geführt haben und mit denen man das deutsche und kerneuropäische Wohlfahrtsmodell sukzessive in den Bankrott steuert. Gelingt den rot-grünen Unbelehrbaren dieser alt-marxistische und neumerkantilistische Veitstanz, dann könnte aus der kerneuropäischen Zahl von 19 Millionen bald eine entsprechende deutsche Ziffer an Arbeitslosen werden. Das Quentchen mehr an Markt und Freiheit jedenfalls, das im vielgeschmähten angelsächsischen Kapitalismus in Großbritannien vom Befreiungsschlag Thatchers herrührt, hat bewirkt, daß dort die Arbeitslosigkeit verschwindend gering ist und das Wirtschaftswachstum ein Mehrfaches des deutschen beträgt. Gewiß sind die astronomischen Gehälter, die so mancher Konzernmanager einsackt, ein unerträgliches Ärgernis. Aber auch das liegt nicht an zuviel, sondern an zu wenig Kapitalismus. Manager sind keine Unternehmer, sondern Angestellte. Und die Rechte der Unternehmens-Eigentümer, der Aktionäre, sind viel zu schwach institutionalisiert. Insbesondere die Aufsichtsratsmitglieder müßten von den Aktionären (direkt oder via Aktionärsvertreter) gewählt werden – und nicht vermittels Kungelei zwischen Gewerkschaften und stimm-rechtsbündelnden Banken. Außerdem sind es gerade die antimarktwirtschaftlichen Steuer- und Abgaben-Exzesse, die politische Regelungswut und die arbeits- und tarifrechtlichen Hindernisse, welche den Mittelstand – und somit die echten (Eigentümer-)Unternehmer immer mehr schwächen und ausdünnen. Genau diese aber sind – oder wären – das Lebenselixier der Marktwirtschaft und könnten die Konzerne das Fürchten lehren. Die Konzerne aber, auch das muß gesagt werden, sind nicht prinzipiell oder generell „die Bösen“. Auch sie sind zur optimalen Versorgung der Verbraucher notwendig. Und wenn der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann fette Gewinne einfährt und gleichzeitig Personal entläßt, dann ist das nicht nur kaufmännisch geboten, sondern zugleich das „Sozialste“, was er machen kann. Wenn die Deutsche Bank nicht den schmerzhaften Weg der Hypo-Vereinsbank, der Commerzbank und der Dresdner Bank gehen (also den Personalabbau aus Sanierungsgründen vermeiden) will, dann muß sie das ertragreichere Auslandsgeschäft stärken und das kränkelnde Deutschlandgeschäft verringern oder kostengünstiger gestalten. Genau das wird ihre Position im internationalen Wettbewerb stärken und die verbleibende Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland dauerhaft sichern. Womit wir beim outsourcing wären, dem Verlagern von Produktionsteilen ins billigere Ausland, das von Rot-Grün gebrandmarkt wird und bestraft werden soll. Auch das outsourcing ist ein Jobsicherungs- und kein Jobvernichtungs-Geschäft. Jedenfalls wäre es das, wenn die Politik nicht auch hier die Vorzeichen verkehrt hätte. Während zum Beispiel in den USA jeder „ausgelagerte“ Dollar der heimischen Wirtschaft 1,14 Dollar einbringt – und somit den Wohlstand der Amerikaner erhöht -, spielt derselbe Vorgang in Deutschland einen heimischen Nettoverlust ein. Der Grund liegt in den hierzulande gefesselten Arbeitsmärkten, also wiederum bei zu wenig Kapitalismus und nicht bei einem Zuviel davon. Gelegentlich fallen bei der Kapitalismus-Schelte auch die Namen Internationaler Währungsfonds und Weltbank. Aber auch hier gilt: Fehlanzeige! IWF und Weltbank sind keine „Werkzeuge des Kapitals“, sondern ein Machtinstrument der Regierungen, insbesondere der US-Regierung. „Der internationale Handel“, schreibt der weise Ökonom Hans F. Sennholz, „braucht einen IWF genausowenig wie der Binnenhandel. Was innerhalb eines Landes funktioniert, das funktioniert auch bei den Beziehungen zu anderen Ländern.“ Insgesamt beurteilt, zeugt das Eindreschen von Rot-Grün und vom linken Jammerrand der CDU (Geißler & Co.) auf „das Kapital“ von grandioser Unkenntnis der ökonomischen Gesetze oder von verantwortungslosem Machtkalkül. Wer schon ständig von Moral faselt, der sollte wenigstens wissen, daß man moralisch nur in Freiheit handeln kann. Erzwungene Moral ist keine Moral. Und Freiheit kann es nur in einer Ordnung geben, in welcher die Eigentumsrechte respektiert werden. Am sichersten und besten geschieht dies im Kapitalismus. Deshalb ist der Kapitalismus eine moralische Ordnung – und jede Art von Sozialismus unmoralisch. „Markt oder Befehl“ lautet die Grundformel der Freiheit, wobei Markt für Freiwilligkeit und Friedlichkeit steht – und Befehl für Zwang, Unterdrückung, Gewalt und Krieg. Doch beschränken wir uns hier auf die Effizienz-Aspekte: Die Wohlstandsmehrung, die der Kapitalismus – trotz schwerer politischer Behinderungen und verheerender Kriege – im 20. Jahrhundert erzeugt hat, ist beispiellos in der Menschheitsgeschichte. Sogar im politisch geschundenen Deutschland hat sich das reale Bruttosozialprodukt versiebenfacht – und das bei halbierter Arbeitszeit. Das heißt (in den Worten von Meinhard Miegel): „Pro Stunde wird heute vierzehnmal so viel erwirtschaftet wie vor hundert Jahren.“ Hinzu kommt eine dramatische Erhöhung der Lebenszeit in den westlichen Industrieländern um 30 Jahre, eine um 90 Prozent gesunkene Kindersterblichkeit und eine fast vollständige Eliminierung der einstmals grassierenden schweren Infektionskrankheiten und Volksseuchen. Vom Verschwinden schwerer, schmutziger und gesundheitsschädigender Arbeit ganz zu schweigen. Oft hört man den Einwand: „Aber das ist doch nicht dem Kapitalismus zu verdanken, sondern dem Erfindergeist der Forscher und Mediziner, so wie auch der technische Fortschritt dem Erfindergeist von Ingenieuren und Wissenschaftlern aller Art entsprungen ist.“ In Wirklichkeit ist aber nicht das Wissen der entscheidende Faktor des Fortschritts, sondern das Kapital. Wissen und Erfindungen sind immer zur Genüge vorhanden; schon die alten Griechen kannten dampfbetriebene Geräte. Aber die von James Watt um 1760 erfundene Dampfmaschine konnte erst dann im großen Stil in der produktiven Praxis eingesetzt und weiterentwickelt werden, als die Kapitalakkumulation im England des aufkommenden Industriezeitalters das möglich machte. Der beste Beweis für diese Tatsache sind die unterentwickelten Länder. Sie haben die gesamte Technik der Industrieländer – jeweils auf neuestem Stand – greifbar vor Augen und bräuchten alles nur nachzubauen und nachzuahmen. Aber in die Tat umsetzen und anwenden können sie das alles nicht, wenn und weil ihnen das notwendige Kapital dazu fehlt. Das Kapital ist der entscheidende Schlüsselfaktor für allen Fortschritt, allen Wohlstand und alle Zivilisation. Das ist die wahre Macht des Kapitals – und auch seine einzige (wenn nicht skrupellose Regierungen seine reichtumsschaffende Kraft dazu mißbrauchen, ihre Herrschaftsmacht endlos auszudehnen – und dabei das „Großkapital“ einzubinden). Wer das einmal begriffen hat, kann nicht mehr verstehen, warum Kapital und Kapitalismus die Feindbilder Nummer eins der Menschheit darstellen; und der kann auch das Ausmaß an Unglück, Armut, Elend, Hunger und Leid ermessen, das die antikapitalistischen Polit-Zampanos über die Menschen und Nationen bringen können – und schon so oft gebracht haben. (Daß im Hintergrund eine weitere Gefahr lauert, nämlich das den Blutkreislauf des Kapitalismus zersetzende Gift des staatsmonopolistischen – sprich sozialistischen – Papiergeldes, das ist eine andere, aber nicht weniger traurige Geschichte). Dr. Roland Baader ist Nationalökonom, Sozialphilosoph und Autor zahlreicher Bücher und Schriften. Zuletzt ist von ihm im Resch-Verlag, Gräfelfing, das Buch „Geld, Gold und Gottspieler. Am Vorabend der nächsten Weltwirtschaftskrise“ erschienen.

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