Am 29. Mai 2004 wurde in Washington mit einem Festakt vor 140.000 Teilnehmern die Nationale Gedenkstätte für die 400.000 US-Gefallenen des Zweiten Weltkrieges eingeweiht. Präsident George W. Bush würdigte die „großartige Generation“, die für dem „Sieg über die Tyrannei gekämpft hat“. Und weiter: „Wir hissen unsere Flagge über einem Denkmal, das so lange stehen wird wie Amerika selbst“. Die Gedenkstätte hat umgerechnet 144 Millionen Euro gekostet. Vier Wochen vorher richtete die Bundesrepublik Deutschland die überdimensionale Statue eines Rotarmisten mit Schwert in der Faust im Rahmen des Sowjetehrenmals in Berlin-Treptow wieder auf. Sie hatte es sich mehr als 3,5 Millionen Euro kosten lassen, den marode gewordenen heroischen Kämpfer aufzumöbeln. Er gehört zu den drei riesigen sowjetischen Triumphmalen, die die Besatzungsmacht in den ersten Nachkriegsjahren in Berlin errichten ließ. Die ruhmreichen Sowjetarmisten umgaben Sarkophage, die mit Aussprüchen des „Vaters aller Werktätigen“, Josef Stalin, geschmückt sind; auch ihre Restaurierung ließ sich die Bundesregierung angelegen sein – mit einem Eifer, der alle Verpflichtungen überstieg, die man mit dem sowjetischen Truppenabzug in den neunziger Jahren übernahm. Ist die Restaurierung der Gesamtanlage Treptow abgeschlossen, wird der deutsche Steuerzahler dafür 5,3 Millionen Euro aufgebracht haben. Etwa zur selben Zeit zerstörten Deutsche in der kleinen Gemeinde Marienfels ein bescheidenes Denkmal, das an die 20.000 gefallenen Soldaten des 1. Panzerkorps der ehemaligen Waffen-SS erinnerte. Die Reste wurden von der Polizei weggeräumt (die JF berichtete mehrfach). Und in Halbe, jenem Ort, in dem Tausende von Soldaten und Flüchtlingen in den letzten Kriegstagen ihr Leben verloren, will man ein Denkmal nicht etwa für die Opfer, sondern für die Deserteure errichten, die es vorzogen, auf die Seite der Sowjets zu wechseln. Diese Ereignisse kennzeichnen die Geisteshaltung von zwei Siegerstaaten des Zweiten Weltkrieges, vor allem aber die des Verlierers. Die Sieger haben freie Hand, ihren Krieg zu rechtfertigen und die Art ihrer Kriegführung zu glorifizieren. Im Land der Besiegten bestimmen jene die Sinndeutung, die sich auf die Seite der Sieger geschlagen haben, obwohl sie genauso zu den Besiegten gehören wie die übergroße Mehrheit der Deutschen. Ein Denkmal ist als Teil der Erinnerungskultur ein Mittel der Geschichtspolitik. Sie soll die Herrschaft der heutigen Eliten rechtfertigen, wie der Autor Edgar Wolfrum in seinem Buch „Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland“ schrieb. Diese instrumentalisieren Geschichte, damit in ihrem Sinne Vergangenheit gedeutet, Gegenwart verstanden und Zukunft gestaltet wird. Sie tun alles in ihrer Macht stehende, um im Sinne der Siegermächte den Deutschen auch die leiseste Spur einer Rechtfertigung ihres Handelns in der Vergangenheit zu nehmen. In einer Zeit, in der Kriege so stark ideologisiert sind, daß es stets um den Kampf des „Guten“ gegen das „Böse“ geht, hat sich die politische Klasse auf die Seite jener geschlagen, der man unterstellt, sie verkörpern, da sie den Krieg gewonnen haben, „das Gute“. Und wer will nicht zu den „Guten“ gehören, zumal wenn sie Sieger sind? So bleibt für die Deutschen nur die Rolle der schuldbeladenen Täter. Die Folgen einer solchen Demoralisierung des Volkes zeigen sich immer deutlicher. Ein jahrzehntelang gedemütigtes Volk ist zu einer kraftvollen Politik, zu notwendigen Reformen, zum Aufbruch in die Zukunft nicht mehr fähig. Die JUNGE FREIHEIT hatte in der Ausgabe 22/04 vom 21. Mai 2004 ihre Leser aufgerufen, Schändungen und Zerstörungen von Denkmälern in ihrer Region zu dokumentieren: Wo laufen Kampagnen gegen Denkmäler, Straßennamen, öffentliche Einrichtungen? Eine Flut von Unterlagen erreichte die Redaktion. Offensichtlich begreifen immer mehr, daß die Beseitigung eines Soldatendenkmals oder die Umwidmung von Gedenkstätten nicht zufällig und nur punktuell erfolgt, sondern im Rahmen einer das Bewußtsein eines ganzen Volkes verändernden Maßnahme. Krawallgruppen Linksextremer sind nur eine Speerspitze. Sie übernehmen häufig genug die Dreckarbeit. Daß ihre Anschläge durchaus im Sinne führender politischer Kräfte sind, belegt die geringe Zahl von aufgeklärten Straftaten solcher Vandalen. Daß beide eines Geistes Kind sind, kann man auch aus dem Schicksal eines Antrages der CDU/CSU-Bundesfraktion schließen, mit dem die Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland gefördert werden sollten – und zwar beider Diktaturen. Er wurde am 17. Juni 2004 eingebracht – und mit der Mehrheit von Rot-Grün, FDP und den beiden PDS-Abgeordneten abgelehnt. Durch die teilweise heftige Diskussion zog sich wie ein roter Faden die Behauptung, wenn man deutscher Opfer in angemessener Weise gedenkt, bedeute das deren Gleichsetzung mit den Opfern des Nationalsozialismus. Und das würde die Aussage gefährden, Deutsche seien ausschließlich schuldbeladene Täter. Daß die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland (und erst recht jene der untergegangenen DDR) sich gescheut haben und noch scheuen, für würdige Ruhestätten der gefallenen deutschen Soldaten die Verantwortung zu übernehmen oder wenigstens die Organisation, die an ihrer Statt diese Aufgabe übernommen haben, in ausreichendem Maße finanziell zu unterstützen, mag demselben Motivgeschuldet sein. Ganze elf Prozent steuert die Bundesrepublik zu den Gesamtkosten bei, die dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge bei der Suche nach Gefallenen, ihrer Identifizierung und Bestattung überall, wo deutsche Soldaten im Ersten und im Zweiten Weltkrieg gefallen sind, entstehen. Für neunzig Prozent mag die private Organisation selbst sorgen. Sie ist auf Spender angewiesen, die angesichts des Schwindens der Erlebnisgeneration immer weniger werden. Die DDR-Regierung engagierte sich lediglich für die mehr oder weniger prächtigen Heldenfriedhöfe der Sowjetarmee und kümmerte sich nicht einmal um die Bergung deutscher Gefallener auf den Kampfstätten etwa an den Seelower Höhen. Gar so groß ist der Unterschied zwischen dem Verhalten beider Systeme nicht. Immerhin gibt es auch Beispiele dafür, daß private Initiative hier und da vermag, das Verschwinden von Gedenkstätten zu verhindern. Erinnert sei an das 76er-Denkmal am Hamburger Stephansplatz, das in jahrelangen Auseinandersetzungen mit der damals linken Stadtregierung und linksextremen Bilderstürmern von einem Zusammenschluß von Bürgern gerettet und mustergültig restauriert wurde. Das an einer großen Grabanlage in Kiel errichtete Ehrenmal für die Opfer des Luftkrieges, das man lange dem Verfall preisgegeben hatte, drohte, abgerissen zu werden, wie die JUNGE FREIHEIT noch im Mai meldete. Dem Einschreiten einiger CDU-Ratsmitglieder ist es zu verdanken, daß es von der Stadt wieder hergerichtet wurde – und das mit viel geringerem Kostenaufwand, als man vorher als Begründung für das Abrißbegehren behauptet hatte. Es gibt also Beispiele, daß durch den Protest von Bürgern der Kahlschlag an Gedenkstätten für deutsche Opfer sehr wohl verhindert werden kann. „Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht.“ Charles de Gaulle, Französischer General im Zweiten Weltkrieg und späterer Staatspräsident von Frankreich Foto: Geschändetes Ehrenmal der Gebirgsjägertruppe auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald in Oberbayern 2004
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