BERLIN. CDU-Chef Friedrich Merz hat sich offen für Gespräche über eine Änderung des Grundgesetzes noch durch den alten Bundestag gezeigt. Er wolle dazu in den nächsten Tagen das Gespräch mit SPD, Grünen und FDP suchen, sagte Merz am Montag in Berlin. Eine Journalistin hatte ihn zuvor auf ein mögliches „Sondervermögen“ angesprochen und darauf, daß AfD und Linkspartei dieses durch eine Sperrminorität im neuen, am Sonntag gewählten Bundestag blockieren können.
Hintergrund ist, daß die beiden Parteien im neuen Bundestag zusammen auf 216 der 630 Mandate kommen und damit mehr als ein Drittel der Abgeordneten stellen. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Im alten, aber noch amtierenden Bundestag verfügen Union, SPD, Grüne und FDP über eine solche.
Merz äußert „großes Bedauern“ über Sperrminorität
Merz äußerte sein „sehr großes Bedauern“ über die Sperrminorität „der ganz linken und der ganz rechten Seite“. Der Christdemokrat betonte, der vergangene Bundestag bleibe so lange im Amt, bis sich der neu gewählte konstituiere. „Das heißt also, wir haben jetzt noch vier Wochen Zeit, darüber nachzudenken.“ Auf die nochmalige Nachfrage eines Journalisten, ob er eine Auflockerung der Schuldenbremse also nicht ausschließe, ging Merz nicht explizit ein, sondern sagte, er wolle nicht öffentlich spekulieren.
Am Vormittag waren von den Grünen Forderungen laut geworden, die Schuldenbremse im Grundgesetz noch eilig zu reformieren, bevor der neue Bundestag zusammentritt. Man müsse „in den nächsten Wochen“ die Kraft finden, Investitionen für Frieden bereitzustellen, sagte etwa Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin.
SPD-Finanzminister Kukies hält Vorstoß für unrealistisch
Vertreter der SPD äußerten sich zurückhaltend. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte laut der Deutschen Presse-Agentur, sollte es zu Gesprächen kommen, müsse man alles Mögliche „mit größter Vorsicht“ erörtern. Es sei selten, daß der alte Bundestag nach einer Wahl noch einmal zusammenkomme. Finanzminister Jörg Kukies (ebenfalls SPD) führte aus, er halte eine kurzfristige Reform der Schuldenbremse für „unrealistisch“. „Aus meiner Sicht wäre es auch ein fragwürdiges politisches Signal, wenn man jetzt mit einer alten Mehrheit noch Verfassungsänderungen machen würde.“
Die CDU hatte vor der Wahl unter der Führung von Merz verschiedene Signale zur Schuldenbremse gesendet. In ihrem Programm versprachen die Unionsparteien, „an der grundgesetzlichen Schuldenbremse festzuhalten“. Sie habe ihre Flexibilität auch in Krisenzeiten bewiesen. Im Januar 2024 hatte Merz zudem eine Zustimmung seiner Fraktion „zu einer Aufweichung der Schuldenbremse“ ausgeschlossen. Im November sagte er indes, man könne sie „selbstverständlich“ reformieren.
Was passiert mit den Wahlen der Verfassungsrichter?
Die neue Sperrminorität von AfD und Linkspartei könnte künftig auch die Wahl von Richtern zum Bundesverfassungsgericht zu einer kleinen Herausforderung machen. Diese werden nach Artikel 93 des Grundgesetzes jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist dabei eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen nötig.
Allerdings haben die Parteien kurz vor Ablauf der Legislaturperiode noch für den Fall vorgesorgt, daß eine unliebsame Sperrminorität entsteht, wie sie nun eingetreten ist. Laut der im Dezember verabschiedeten Überarbeitung des Grundgesetzes kann das Wahlrecht künftig auf den Bundesrat übergehen, sollte der Bundestag in der Angelegenheit blockiert sein. (ser)