Ein makaberers Gedankenexperiment sorgt für Wirbel. Grünen-Stadträtin Julia Probst aus Weißenhorn fragte auf X, ob ihre Follower einer Organspende zustimmen würden, wenn der potentielle Empfänger AfD wählt. Mehr als 3.800 Nutzer nahmen an der Umfrage teil, rund ein Viertel stimmte mit Nein.
Stellt euch vor, ihr müsstet darüber entscheiden, ob die Organe eines Familienangehörigen gespendet werden sollen. Zufällig wisst ihr, dass das der Empfänger die Afd wählt. Würdet ihr spenden? Gerade große Diskussion darüber im Freundeskreis. Mich interessiert eure Meinung.
— @EinAugenschmaus (@EinAugenschmaus) June 14, 2025
In den Kommentaren stößt die Fragestellung auf breite Kritik. Nutzer werfen Probst vor, medizinische Hilfe an politische Gesinnung knüpfen zu wollen. Ein User, der sich als „AfD-Gegner“ bezeichnet, schreibt, als Ersthelfer helfe er „erst mal einem Menschen und keiner ‚Parteizugehörigkeit‘“. Eine Organspende an Wahlentscheidungen zu knüpfen sei für ihn nicht vorstellbar. Dieser Schlagrichtung folgt auch ein „Rechtshänder, aber Linksdenker“: „Nur die Fragestellung ist für mich sehr irritierend“, kommentiert der Nutzer. „Habe ich linkes oder rechtes Blut?“
Viele Kommentatoren, nicht selten mit grünen Herzen im Profil, lehnen die Fragestellung grundsätzlich ab. Sie halten es für unangebracht, politische Überzeugungen mit medizinischen Entscheidungen zu verknüpfen. Organspende, so der Tenor, dürfe keine Frage der Wahlabsicht sein.
Organe werden ohne Gesinnungsprüfung verteilt
Rein praktisch ist das ausgeschlossen. In Deutschland entscheidet über die Verteilung von Spenderorganen die Vermittlungsstelle Eurotransplant. Maßgeblich sind dabei medizinische Kriterien wie Dringlichkeit, Wartezeit, Gewebeverträglichkeit und Entfernung zum Spenderkrankenhaus. Persönliche Vorlieben oder politische Einstellungen spielen keine Rolle und werden nicht erfaßt. Auch Angehörige haben kein Mitspracherecht darüber, wer das Organ letztlich erhält.
Politisch ist das Thema Organspende ebenfalls umkämpft. Im November 2024 brachten Abgeordnete mehrerer Fraktionen erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchsregelung in den Bundestag ein. Dieser sieht vor, daß künftig auch jene als Spender gelten, die einer Entnahme nicht ausdrücklich widersprochen haben. Die Maßnahme soll helfen, die Zahl verfügbarer Organe zu erhöhen – bei einer anhaltend hohen Zahl von Patienten auf Wartelisten.
Während Befürworter die Regelung als notwendigen Schritt sehen, um Leben zu retten, äußerten unter anderem die Medizinethikerin Claudia Wiesemann sowie der Theologe und Ethiker Peter Dabrock ethische Bedenken. In einer Anhörung im Gesundheitsausschuß wurde betont, der Eingriff in die Selbstbestimmung sei schwer zu rechtfertigen, zumal eine Zunahme der Spendenzahlen nicht belegt sei. Der Bundestag hat über den Gesetzentwurf bislang nicht abschließend entschieden.
Auch grüne Herzen könnten an blaue Patienten gehen
Derweil blieben Union und SPD im Koalitionsvertrag vage. „Wir wollen die Zahl von Organ- und Gewebespenden deutlich erhöhen und dafür die Voraussetzungen verbessern“, heißt es. „Aufklärung und Bereitschaft sollen gefördert werden.“ Ein konkreter neuer Vorstoß findet sich dort nicht – das Thema scheint politisch zunächst wieder auf Eis gelegt zu sein.
Sollte sich die Widerspruchsregelung jedoch durchsetzen, könnten auch die Organe von Grünen-Politikern wie Julia Probst an AfD-Wähler vermittelt werden – ganz ohne Zustimmung und ohne Nachfrage nach Parteipräferenz. Denn das Gesundheitssystem fragt nicht, wer was wählt. Es rettet, wer gerettet werden kann.