BERLIN/ERFURT. BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hat eine neue Bedingung für eine Koalition mit CDU und SPD in Thüringen aufgestellt. „Nach der entsetzlichen Rede von Friedrich Merz diese Woche im Bundestag, in der er faktisch einen Kriegseintritt Deutschlands gegen Rußland gefordert hat, können wir mit seiner Partei nur in Koalitionen eintreten, wenn die Landesregierung sich von solchen Positionen klar abgrenzt“, sagte Wagenknecht dem Spiegel.
Ob die Landes-CDU, die bisher alles getan hat, um die frühere Linken-Fraktionsvorsitzende bei Laune zu halten, auch über dieses Stöckchen springt, ist noch unklar. Bisher will man sich dort nicht äußern.
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt hatte gemeinsam mit den Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), zunächst in der FAZ einen Beitrag veröffentlicht, in dem sie sich in der Ukraine-Frage von ihrer Parteilinie distanzierten und auf die des BSW einschwenkten. Auch für die Forderung nach einer sogenannten „Friedenspräambel“ im Koalitionsvertrag, die sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und die Stationierung von US-Raketen ausspricht, zeigten sich die drei zuletzt offen.
Wagenknecht behält sich Veto vor
Mit der Forderung nach einer Distanzierung vom eigenen Bundesparteichef dürfte es nun allerdings etwas schwieriger werden. Wagenknecht geht es um die Rede von Merz im Bundestag vergangene Woche. Dort hatte dieser darauf gedrängt, die Reichweitenbegrenzung für westliche Waffen in der Ukraine aufzuheben, damit diese auch Rußland beschießen könne.
Wagenknecht hat von Anfang an klar gemacht, daß es eine Koalition in allen drei ostdeutschen Ländern nur mit ihrer persönlichen Zustimmung geben werde. Aus ihrem Büro, zu dem Voigt zu einem ersten Austausch von Erfurt nach Berlin fahren mußte, werden dem Vernehmen nach immer wieder Formulierungen für den Koalitionsvertrag nach Thüringen geschickt.
Landeschefin Katja Wolf, eine frühere antifaschistische Hardlinerin aus der Linkspartei, ist darüber offensichtlich nicht glücklich. Über Kompromisse mit CDU und SPD zu den weltpolitischen Forderungen hatte sie am Wochenende Zeit-Online gesagt: „Es ist wie eine saure Zitrone, in die jeder von uns beißen und ungefähr denselben Schmerz empfinden wird.“
CDU, BSW und SPD haben keine Mehrheit
Via Spiegel rügte Wagenknecht nun ihre Thüringer Statthalterin für diesen Satz: „Es geht nicht darum, ob wir Schmerzen empfinden, sondern ob wir unsere Wähler enttäuschen.“ Und das werde ihre Partei nicht tun. Über mögliche Schmerzen und die Wählerenttäuschung bei ihrem potentiellen Koalitionspartner CDU ob der neuen beinharten Forderung sprach sie nicht.
CDU, BSW und SPD verfügen in Thüringen über 44 der 88 Abgeordneten. Für eine Regierungsmehrheit gegen die AfD, die mit Abstand stärkste Fraktion, bräuchten sie zusätzlich mindestens eine Stimme der Linkspartei. Kürzlich hatten die drei Parteien ein Papier mit den Ergebnissen ihrer Sondierungsgespräche vorgestellt.
CDU-Spitzenkandidat Voigt beansprucht seit dem Wahlabend am 1. September das Amt des Ministerpräsidenten als Chef der „stärksten Kraft unter den Parteien der Mitte“ für sich. (fh)