BERLIN. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast hat am Sonntag mit einem Beitrag über Jesus und die Weihnachtsgeschichte für Empörung gesorgt. Künast hatte auf dem Kurznachrichtendienst X einen Text des Journalisten Nils Minkmar zitiert. In diesem schlägt Minkmar einen Bogen von der Stärke der „radikalen Rechten“ zur Weihnachtsgeschichte.
„An diesen Tagen feiern alle die Geburt eines palästinensischen Juden, dessen Eltern mittellos umherziehen. Danach geht wieder das Rennen darum los, wer am gnadenlosesten abschiebt und Migranten öffentlich wirkungsvoll drangsaliert.“ schreibt @nminkmar in Der siebte Tag. 🙏
— Renate Künast (@RenateKuenast) December 22, 2024
Letztere sei doch „das perfekte Narrativ gegen Fremdenhaß, Tyrannei und Diskriminierung“, kommentiert er und fügte hinzu: „An diesen Tagen feiern alle die Geburt eines palästinensischen Juden, dessen Eltern mittellos umherziehen. Danach geht wieder das Rennen darum los, wer am gnadenlosesten abschiebt und Migranten öffentlich wirkungsvoll drangsaliert.“
Beck geht Künast hart an
Den letzten Teil zitierte Künast. Zahlreiche Nutzer stießen sich daran, daß der Text Jesus mit dem Attribut „palästinensisch“ versieht. So kommentierte Volker Beck, Parteikollege Künasts und Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Künast habe sich einen „peinlichen Ausrutscher“ geleistet.
Sorry @RenateKuenast,
>>Jesus war kein „ palästinensische[r] Jude[n]“. <<
Das ist ein peinlicher Ausrutscher in der theologischen Tradition von Kairos-Palästina & Deutschen Christen, die die Zugehörigkeit Jesu zum Jüdischen Volk aus der Geschichte herausschreiben wollen.
1/3 https://t.co/FfJ8FxYb7w— Volker Beck 🐋 🇺🇦🇮🇱🎗️ (@Volker_Beck) December 22, 2024
Beck stellte das Zitat in die theologische Tradition unter anderem der Deutschen Christen. Bei den Deutschen Christen handelte es sich um eine Strömung innerhalb der Evangelischen Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus, die die „Entjudung“ des Christentums anstrebte.
„Frau Künast, das ist unfaßbar peinlich“
Auch Jutta Ditfurth mischte sich ein und schrieb, beim weltweiten Anstieg des Antisemitismus könnten „auch viele Christ*innen nicht widerstehen“. Die Ex-Grüne führte aus, zur Zeit von Jesu‘ Geburt habe es „kein Palästina“ gegeben. Andere Nutzer wiesen ebenso darauf hin, daß die Römer die Provinz Judäa erst nach der Zeit Jesu‘ in „Syria Palästina“ umbenannten.
Empört zeigte sich auch Elio Adler, Vorsitzender der jüdischen Vereins Werteinitiative: „Getrieben von Ihrer politischen Agenda dichten Sie sich da eine Geschichte zurecht“, wandte er sich direkt an die Grüne. „Das, Frau Künast, ist unfaßbar peinlich.“
Das, Frau Künast, ist unfassbar peinlich. Getrieben von Ihrer politischen Agenda dichten Sie sich da eine Geschichte zurecht. Vielleicht können Sie die ja Herrn Trittin als Weihnachtsgeschichte erzählen?! https://t.co/Nq1pQYUAIP
— Elio Adler 🎗️ (@DrElioAdler) December 22, 2024
„Böswillige Interpretation“
Derweil sprangen andere Nutzer Künast zur Seite. Die Bezeichnung „palästinensischer Jude“ leugne Jesu‘ Judentum nicht, sondern gebe dieses gerade an, argumentierte etwa Patrick Bahners, Kulturredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Palästinensisch“ sei eine geographische Angabe, „analog zu nordafrikanisch und kleinasiatisch“.
Derweil beharrte Nils Minkmar, Autor des Ursprungstextes, auf seiner Formulierung. In einer Antwort an einen Kritiker sprach er von einer „böswilligen Interpretation“ seines Textes. Außerdem kritisierte er, Künast schlage ein „Furor“ entgegen. Bei der Grünen-Politikerin entschuldigte er sich dafür, „daß Sie Frust abbekommen, der mir galt“.
Papst zeigte sich vor Jesus mit „Palästinensertuch“
Die Aufregung steht im Kontext immer wiederkehrender politischer Versuche, den Juden Jesus als „Palästinenser“ zu vereinnahmen. So war im Vatikan jüngst eine Krippe enthüllt worden, in der Jesus auf einer Kufija liegt. Die Kufija ist auch als „Palästinensertuch“ bekannt und ist ein politisches Symbol der palästinensischen Nationalbewegung. Das Krippenspiel war unter Aufsicht der Palästinensischen Autonomiebehörde entstanden.
Derweil wiesen einige Nutzer darauf hin, daß auch die sonstige Darstellung der Weihnachtsgeschichte in dem Künast-Beitrag nicht passe – und setzten dem stattdessen ihre ganz eigene politische Interpretation entgegen.
„Selbstverständlich war Jesus‘ Vater auch kein mittelloser Vagabund“, führte etwa das FDP-Mitglied Mathias Münch aus, „sondern ein Handwerker, der wegen der Bürokratie in seinem Land, statt arbeiten und Geld verdienen zu können, persönlich auf’s Amt (in seine Geburtsstadt Bethlehem) mußte.“ (ser)