BERLIN. Die Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln, Güner Balci (parteilos), hat der deutschen Mehrheitsgesellschaft Naivität im Umgang mit Moslems und Integration vorgeworfen. Als Beispiel dafür sprach Balci über ihre Erfahrungen mit einer islamischen Frau, die Probleme habe, eine geeignete Moschee zu finden. Jedes Mal, wenn sie ein islamisches Gotteshaus besuche, fühle sie sich unwohl. „Weil die Moscheen hier so politisch sind, so ideologisch. Die machen euch etwas vor, sagt sie“, warnte Balci im Gespräch mit der Welt.
Radikale Islam- und Migrantenverbände betrieben „seit Jahrzehnten gute Lobbyarbeit“. Liberalere Vereine und Interessengruppen werden dagegen „viel weniger gehört“, monierte Balci. Außerdem unterschätze die Politik immer noch die gesellschaftliche Gefahr aus Teilen des Migranten-Milieus. „Wir haben eine extrem rechte, weiße Gruppe von Menschen, mit der AfD eine Partei, die wir klar lokalisieren. Aber wir haben zum Beispiel auch eine extrem rechte, türkische Gruppe, mit den Grauen Wölfen. Die wird manchmal in der Presse erwähnt, aber letztendlich spielt das politisch keine Rolle.“
Altkanzlerin Merkel habe „nie erkannt, daß Migranten nicht Streichel-Ausländer sind, sondern auf Augenhöhe mit ihr, und man genauso damit umgehen muß“.
Wer den Islam kritisiert, lebt gefährlich
Lobende Worte fand Balci hingegen für Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Diese hatte zuletzt gewarnt, die Hauptstadt sei für Juden und Homosexuelle teilweise nicht mehr sicher. „In Berlin hat die homophobe, antisemitische und frauenverachtende Gewalt zugenommen in muslimischen Nachbarschaften“, sagte die Integrationsbeauftragte dazu. Es sei „wichtig, daß Repräsentanten der Politik, aber auch der Polizei den Bürgern und Bürgerinnen vermitteln, daß sie sehen, was wirklich los ist. Es ist auch immer der erste Schritt zur Besserung“. Gleichzeitig gebe es seit etwa 20 Jahren mahnende Stimmen, die bisher stets ignoriert worden seien.
Noch immer seien große Teile der Politik zu blauäugig beim Thema Integration. Zudem werde der Begriff „Rassismus“ inzwischen als Einschüchterung mißbraucht. Zuletzt bei Cem Özdemir, „als er offen aussprach, daß er es schwierig findet, wenn seine Tochter im Alltag kraß sexualisiert wird – und zwar nicht von blonden deutschen Christians“.
Wer solche Probleme anspreche, erlebe viele Widrigkeiten und mache sich Feinde, konstatierte Balci. „Leute, die einen als Rassisten beschimpfen, und solche, die einem nach dem Leben trachten. Nicht umsonst laufen die Menschen, die heute besonders exponiert das Thema Migration und Islamismus angehen, mit Polizei- und Personenschutz rum.“
Balci: Linke leiden an Wohlstandsverwahrlosung
Deshalb mangele es an einer gesellschaftlichen Debatte, beklagte Balci. Bereits nach der Kölner Silvesternacht habe sich wenig geändert, die Empörung sei nach kurzer Zeit abgeflacht. „Statt dessen haben wir heute Politiker, die die Idee haben, Frauenabteile in U-Bahnen anzubieten. Das ist doch verrückt.“
Scharfe Kritik übte die in Berlin geborene Autorin an den Pro-Palästina-Demonstrationen und an Linken, die daran teilnehmen. „Das sind Leute, die voller Haß sind, Gewalt befürworten und sich eine Gesellschaft wünschen, in der sie selbst nicht überleben würden“, urteilte Balci. „Da laufen hinter schwarz verschleierten Frauen, die voller Inbrunst auf Arabisch ‚Tod den Juden‘ brüllen, halb nackte Frauen mit bunten Haaren her. Die verstehen nichts, es ist ihnen aber auch egal. Das ist doch Wohlstandsverwahrlosung.“
Güner Balci ist 49 Jahre alt, in West-Berlin geboren und in Neukölln aufgewachsen. Ihre Eltern sind türkische Gastarbeiter. Sie schrieb mehrere Bücher, drehte Dokumentationen und Reportagen. Sie ist seit 2020 die Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln. (st)