BRÜSSEL. Die EU geht einer Zitterpartie entgegen. Am kommenden Donnerstag soll das Europaparlament über die von sechs Staats- und Regierungschefs nominierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen abstimmen. Christ- und Sozialdemokraten sowie Liberale haben zugesagt, den Beschluß abzunicken.
Doch werden auch alle genau 400 Parlamentarier der drei Fraktionen mitstimmen? Die nötige Mehrheit liegt bei 361. Anders als in den Volksvertretungen der Mitgliedsstaaten ist die Zahl der Abweichler im EU-Parlament traditionell groß – wegen unterschiedlicher nationaler Interessen verweigern nicht selten zehn bis 20 Prozent der Abgeordneten die Zustimmung.
Vor fünf Jahren erhielt von der Leyen 383 Ja-Stimmen der damals noch 733 Parlamentarier (heute sind es 720). Das waren 16 Stimmen mehr als notwendig – aber 61 weniger als die drei Fraktionen Sitze hatten. Die Zahl der Abweichler lag bei 13,7 Prozent. Wäre sie diesmal ähnlich groß, würde die CDU-Politikerin eine Mehrheit deutlich verfehlen. Denn das entspräche 58 Abgeordneten: Die Zahl der Ja-Stimmen läge bei nur 342 – 19 zu wenig.
Von der Leyen verzichtet auf Nato-Gipfel
Es gibt nur einen einzigen Wahlgang. Wird von der Leyen nicht gewählt, kann sie auch nicht Kommissionspräsidentin bleiben. Um ihre Mehrheit zu sichern, hat die 65jährige auf die Teilnahme am Nato-Gipfel in Washington verzichtet. Sie wirbt lieber unter den Abgeordneten für ihre nächste Amtszeit.
Bei einer Wahlniederlage stünde die EU ohne Kommission da. So etwas hat es bisher noch nie gegeben. Die CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament droht bereits mit einem Chaos, sollte die Wahl schiefgehen. Ihr Vorsitzender Daniel Caspary fordert alle auf, für die Kandidaten zu stimmen – auch diejenigen, die „sich im Europawahlkampf gegen Ursula von der Leyen profiliert haben“, sagte er der Bild-Zeitung. „Sollte Ursula von der Leyen scheitern, dann tragen sie die Verantwortung für Chaos in Europa.“ (fh)