BERLIN. Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) hat sich nach dem Farbanschlag auf sein Wohnhaus über Doppelmoral mit Blick auf linke und rechte Gewalt beklagt. „Wären das Rechtsradikale gewesen, hätte es viel Solidarität aus Berliner Kulturszene gegeben“, sagte der ehemalige Sänger und Musikmanager am Donnerstag der Welt.
Mir fehlen die Worte für das, was hier passiert. Kultursenator @ChialoJoe hat unsere volle Unterstützung, aber es ist erschütternd, dass er jetzt Personenschutz und eine Schutzzone vor seiner eigenen Haustür braucht. Was für eine Welt ist das geworden? Es ist einfach nur krank…… pic.twitter.com/troUi69pa5
— Shlomo Afanasev (@ShlomoAfanasev) September 23, 2024
In der Nacht zum Montag hatten Unbekannte die Wohnadresse des Kultursenators großflächig mit roter Farbe und dem Schriftzug „Genocide Joe Chialo“ (zu Deutsch „Genozid Joe Chialo“) beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt.
Kultursenator nennt „Genocide Joe Chialo“-Graffitis „infam“
Chialo zeigte sich zuversichtlich, daß die Behörden bald erste Ergebnisse lieferten. „Es ist davon auszugehen, daß mutmaßlich propalästinensische Aktivisten und verdrehte Linksradikale dafür verantwortlich sind“, betonte der 54jährige.
Den mit der Schmiererei insinuierten Vorwurf, Chialo sei für die im Gaza-Krieg ums Leben gekommenen Zivilisten mitverantwortlich, bezeichnete er als „infam“ und „brutal aufmunitioniert“. „Es ist ein Labeling, daß mich persönlich direkt für das Sterben im Nahost-Konflikt verantwortlich macht – in Berlin, als Berliner Kultursenator“, unterstrich der Politiker.
Berlins erster schwarzer Kultursenator ein Rassist?
Auch Vorwürfen, er sei ein Rassist, erteilte der Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie eine Absage. „Ich halte das für eine geistige Verwahrlosung, mich als Rassisten zu bezeichnen“, mahnte er. Anfeindungen wie diese dienten eine Täter-Opfer-Umkehr und versuchten, ihn zu dämonisieren.
„Weil ich mich auch aus der geschichtlichen Verantwortung heraus als Kultursenator in Berlin für jüdisches Leben einsetze, werde ich als Unterdrücker der Menschen in Palästina gesehen, und somit auch als ein Rassist. Für mich ist das ein sehr verqueres Konstrukt“, erläuterte Chialo.
Zahl der Angriffe auf Politiker sinkt 2023 leicht
Neben Chialo ist zuletzt auch die Wirtschaftssenatorin und ehemalige Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), Opfer eines Angriffs geworden. Im Mai wurde die Sozialdemokratin bei einem Besuch in einer Bibliothek im Stadtteil Rudow von einem Senioren mit einem schweren Beutel angegriffen. Dieser habe ihr einen „Denkzettel“ verpassen wollen, wie er selbst dem RBB zufolge am Dienstag bei Prozeßbeginn aussagte.
Auch die beiden Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses Jian Omar (Grüne) und Lars Düsterhöft (SPD) wurden unlängst zur Zielscheibe von Angriffen in der Spreemetropole. Die vom Bundesinnenministerium im Mai herausgegebene Statistik zu politisch motivierter Kriminalität verzeichnete für das Jahr 2023 erneut einen hohe – wenn auch gesunkene – Zahl von Übergriffen auf Politiker. So seien allein im vergangenen Jahr 2.710 Mandatsträger angegriffen worden. Zum Vergleich: 2022 waren es 20.978. (fw)