BERLIN. Der Historiker Herfried Münkler hat die Europäische Union als gelungene Antwort auf die beiden Weltkriege bezeichnet. Die EU würdigte er im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung als „genialen Mechanismus, um Konflikte zu entpolitisieren und zu entschärfen“.
Die europäischen Regierungen hätten dem Krieg als politisches Mittel zur Durchsetzung ihres Willens abgeschworen. „Wirtschaftskontakte und der Austausch über Grenzen hinweg haben dazu geführt, daß sich die Menschen in einer Win-Win-Situation fühlen. Das hat über Jahrzehnte gut funktioniert.“
„Das ist das Gefährliche an Nationalisten“
Gleichzeitig warnte Münkler vor einem Wiedererstarken des Nationalismus. „Das ist das eigentlich Gefährliche an nationalen populistischen Bewegungen: International gehen sie Arm in Arm, solange sie ein gemeinsames Feindbild haben, Brüssel zum Beispiel, dagegen läßt sich trefflich polemisieren. Aber wenn sie dann untereinander etwas regeln müssen, wissen sie nicht so recht wie. Das ist wenig beruhigend.“
Europa dürfe sich nicht länger auf die Vereinigten Staaten als Garant für die Sicherheit verlassen. „Wir sehen den Niedergang eines ‘global cop’, eines Weltpolizisten. Die Amerikaner schauen jetzt vor allem auf den eigenen Nutzen, das ist das, was hinter ‘America First‘ steht.“ Der studierte Politikwissenschaftler geht von fünf großen Mächten aus: USA, Rußland, China, die EU und Indien.
In Bezug auf Rußland warnte Münkler, man dürfe das Land nicht „als den großen Gefährder hochstilisieren“. Die Russen könnten zwar unangenehm sein, „aber sie sind ziemlich rationale Akteure“. (ls)