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Bundeswehr: „Die Augeeeeen – links!“

Bundeswehr: „Die Augeeeeen – links!“

Bundeswehr: „Die Augeeeeen – links!“

Bundeswehr-Rekruten
Bundeswehr-Rekruten
Bundeswehr-Rekruten: Hier in Rennerod Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten
Bundeswehr
 

„Die Augeeeeen – links!“

Mit der Serie „Die Rekruten“ bei Youtube geht die Bundeswehr neue Wege in Sachen Nachwuchsgewinnung. Sie zeigt zugleich den „Kulturschock Bundeswehr“ für junge Erwachsene und dürfte für das jungendliche Zielpublikum durchaus ihren Unterhaltungswert haben.
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In der Nachwuchswerbung der Bundeswehr steckt der Wurm. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht vor fünf Jahren kommen nicht nur zuwenig Rekruten, sondern oftmals auch die falschen. In der vergangenen Woche wurde bekannt, daß der Militärische Abschirmdienst (MAD) in den Reihen der Bundeswehr mehr als zwanzig Islamisten sowie 60 Verdachtsfälle aufgedeckt hat.

Zudem sollen in den zurückliegenden Jahren 30 ehemalige Bundeswehrsoldaten nach Syrien und in den Irak ausgereist sein. Daher sollen nach Plänen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Bewerber künftig vor ihrer Aufnahme in die Bundeswehr auf einen extremistischen Hintergrund überprüft werden.

Stil einer „Doku-Soap“

Dieser Vorabüberprüfung mußten sich die derzeit wohl bekanntesten zwölf Bundeswehrrekruten noch nicht unterziehen. Dennoch sorgen die Hauptdarsteller der neuesten PR-Aktion der Truppe seit Tagen für Schlagzeilen in den Medien. Unter dem Titel „Die Rekruten“ können die Zuschauer auf der Internetplattform Youtube die Rekruten im Stil einer „Doku-Soap“ (Kennzeichen: schnelle Schnitte und verwackelte Bilder, die von den Protagonisten teilweise mit dem Handy selbst aufgenommen werden) durch die zwölfwöchige Grundausbildung bei der Marine im vorpommerschen Parow begleiten: vom Weg von zu Hause in die Kaserne über die Einkleidung bis zu den ersten Schießübungen.

Junge Leute ansprechen

Doch bei den jeweils vier bis fünf Minuten langen Filmen (Werbespruch: „Ab November wird draußen gespielt“) geht es der Bundeswehr nicht alleine darum, das Publikum zu unterhalten, sondern darum, den Nachwuchsmangel zu mildern. Denn die Zeiten, in denen die Armee aus dem Pool der jährlich zehntausenden Wehrdienstleistenden den Bedarf an länger dienenden Soldaten decken konnte, sind vorbei.

„Das heißt, die Bundeswehr muß jetzt selbst auf die jungen Leute zugehen und muß das auch in einem möglichst zeitgemäßen und attraktiven Format tun“, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, zum Start der Serie in der vergangenen Woche. „Die Zielgruppen, die insbesondere für den freiwilligen Wehrdienst interessant sind, sind jüngere Zielgruppen, die sich heute hauptsächlich im Netz bewegen.“

Präsentation einer Wohlfühl-Armee?

Daher läuft die 1,7 Millionen Euro teure Produktion, die nach Angaben der Bundeswehr keinem Drehbuch folgt, auch nicht im traditionellen Fernsehen, sondern auf Youtube. Daneben gibt es eigene Auftritte bei Facebook und Instagram. So weit, so innovativ. Doch die Kritik an den Werbefilmen ließ nicht lange auf sich warten. Ein Kritikpunkt: Die Serie zeige eine Wohlfühl-Armee und spare Themen wie Krieg und Tod aus.

„Für mich ist das zuviel Abenteuerspielplatze und zuwenig ernsthafte Auseinandersetzung mit den ernsten Seiten des soldatischen Dienens“, bemängelte etwa der Armee-Experte Sascha Stoltenow auf seiner sicherheitspolitischen Internetseite „Bendler-Blog“. Ein Vorwurf, den die Bundeswehr zurückweist.

Zu diesem frühen Zeitpunkt der Serie könne dies noch gar nicht thematisiert werden, da sich die Rekruten erst am Beginn der Grundausbildung befänden. Derzeit gehe es um Einkleidung und Essenfassen, „Aber ich kann Ihnen versichern, daß das noch kommen wird“, sagte der Sprecher mit Blick auf Themen wie Krieg und Tod.

Gehobener Bundeswehr-Standard gezeigt

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn natürlich geht es den Machern der Rekruten-Doku darum, ein möglichst positives Bild der Truppe zu zeichnen. Ziel ist es schließlich, Nachwuchs zu rekrutieren. Auch ansonsten ist alles auf Hochglanz poliert: So ist aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen, daß die Rekruten, unter ihnen Jerome („Steht auf Tatoos“), Nathan („Hofft auf eine gute Zeit“), Lukas („Schraubt gerne an Oldtimern“) und Anna-Lena („Geht gerne ins Fitneßstudio“), sicherlich nicht zufällig in relativ neuen und modernisierten Kasernen untergebracht sind. Das ist noch lange nicht überall in der Bundeswehr Standard.

Doch bei aller Kritik: Die Serie dürfte für das jugendliche Zielpublikum durchaus ihren Unterhaltungswert haben und das Interesse an der Bundeswehr wecken. Die in die Hunderttausende gehenden Klickzahlen der ersten Tage deuten zumindest in diese Richtung. Ob „Die Rekruten“ allerdings auch dafür sorgen werden, daß der Nachwuchs der Bundeswehr demnächst die Kasernentore einrennt, wird sich erst in einigen Monaten abschätzen lassen.

„Kulturschock Bundeswehr“

Nach der ersten Woche der Grundausbildung sind von den ursprünglich insgesamt 86 Männern und Frauen der Ausbildungseinheit (Inspektion) noch 80 übrig. „In den ersten beiden Wochen sind es immer dieselben Themen“, sagt ein Ausbilder mit Blick auf die sechs Abgänge: „Von Mutti weg, zu wenig Schlaf, zu stressig und ‘Das habe ich mir nicht vorgestellt.’“

Auch sonst ist die Serie lehrreich: So zeigt sie etwa, wie schwer es heute für junge Erwachsene offenbar ist, vor dem Geschäftszimmer an einer mit Panzerband markierten Linie auf dem Boden geduldig zu warten, anstatt gleich in den Raum zu platzen. Für manche Rekruten ist der Titel einer der ersten Folge der Doku-Soap somit tatsächlich Programm: „Kulturschock Bundeswehr“.

JF 46/16

Bundeswehr-Rekruten: Hier in Rennerod Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten
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