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Griechenland-Hilfe: Das System Merkel bekommt Risse

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Griechenland-Hilfe
 

Das System Merkel bekommt Risse

Wenige Wochen vor der Bundestags-Abstimmung zur Griechenland-Hilfe zeigt das„System Merkel” erste Risse. Immer mehr Abgeordnete gehen auf Distanz zur Euro-Rettungspolitik der Kanzlerin. Merkel droht ein„Herbst der Entscheidungen”, der vielleicht nicht in ihrem Sinne verläuft.
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Cato, Palmer, Exklusiv

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Angela Merkel bei einer Rede 2006: Das System Merkel zeigt Risse Foto: Wikimedia/ESMT mit CC-Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Koalitionskrise ist das falsche Wort für die Abläufe in Berlin. Dafür müßten sich zwei Parteien streiten. Die FDP befindet sich jedoch im freien Fall und Zerfall. Die Sollbruchstellen von einst sind keine mehr. Vielmehr werden Risse innerhalb der Union deutlich. Auch hier ist es an der alten Sollbruchstelle zwischen der bayerischen CSU und den „Nordlichtern“ ruhig.

Die Risse verlaufen zwischen der machtverwöhnten Funktionärskaste – etwa Fraktionschef Volker Kauder, Kanzleramtschef Ronald Pofalla und Generalsekretär Hermann Gröhe einerseits sowie volksnahen Abgeordneten wie Wolfgang Bosbach und Klaus-Peter Willsch andererseits. Kanzlerin Angela Merkel kann diesen Herbst noch überstehen, aber die Regierungschefin ist angezählt. Die deutsche Demokratie leider auch.

Wie es aussieht, erläuterte Peter Gauweiler, CSU-Abgeordneter und einer der Kläger gegen die Griechenland-Hilfe: „Ich wünsche Angela Merkel und Wolfgang Schäuble wirklich alles Gute bei ihrer Euro-Rettung – aber ich wäre halt dankbar, wenn man die Demokratie nicht abschaffen würde dabei.“ Die Warnung sollte ernst genommen werden. Wenn es tatsächlich, wie einige Medien bereits vorgerechnet haben, im Bundestag 23 Gegner der Euro-Hilfspakete in Union und FDP geben sollte, würde die Kanzlermehrheit von 311 Stimmen nicht mehr erreicht.

Im Bundestag gibt es keine Alternative

Das Gesetzespaket würde trotzdem beschlossen werden: Längst gibt es im Parlament bei den Griechenland- und Euro-Hilfen de facto nur noch eine Fraktion, weil alle für die Rettungspakete sind. Im Bundestag ist die Europa-Politik tatsächlich alternativlos, weil es keine Alternativen mehr gibt – ein für eine Demokratie höchst ungewöhnlicher Zustand.

Auch wenn Merkel und Europa-Enthusiasten wie eine Bleiplatte auf Deutschland liegen, deuten die Zeichen auf unruhige Zeiten hin. Denn am Mittwoch kommender Woche entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Griechenland-Hilfe. Zwar war das höchste deutsche Gericht in der Vergangenheit gegenüber jeder Regierung in außenpolitischen Fragen handzahm, aber zu Ermahnungen und Änderungswünschen für das parlamentarische Procedere kann es immer reichen. Beim letzten Urteil zum Lissabon-Vertrag vom Juni 2009 mußte das Gericht die Abgeordneten in die Schlacht tragen, indem der Bundestag aufgefordert wurde, sich mehr Rechte in Währungsfragen zu sichern.

Bleibt das Gericht so kritisch, könnte dies dazu führen, daß die Euro-Gesetze zur Verlängerung und Ausweitung des provisorischen Rettungsschirms bis 2013 und der Einführung eines dauerhaften Rettungsschirms mit heißer Nadel geändert werden müßten. In welcher Form der Bundestag an der nächsten Hilfstranche für Griechenland mitbeschließen muß, könnte auch wieder offen sein.  Am Parlament liegt das nicht. Wie Gauweiler urteilen nur wenige.

Auch Lammert knickt ein

Selbst Präsident Norbert Lammert (CDU), der lange Zeit als einsamer Mahner für Rechte des Hohen Hauses galt, ist inzwischen eingeknickt. Im Handelsblatt stellte Lammert zu der von der EU angestrebten Haushaltskontrolle der Mitgliedstaaten fest, es sei sicher kein Nachteil, wenn der Bundestag den Etatentwurf künftig unter Berücksichtigung der EU-Stellungnahme berate. „Von einer Entmachtung der Parlamente kann also keine Rede sein. Denn die abschließende, rechtswirksame Entscheidung trifft der Bundestag.“

Die Euro-Krise läßt in der CDU von Tag zu deutlicher Instabilität erkennen. Der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel war der erste, der Merkel die Leviten las. Nachdem auch der meist stille Bundespräsident Christian Wulff eingriff, die von der Europäischen Zentralbank getätigten Ankäufe von Staatsanleihen strikt ablehnte und auf Merkels Herbst der Entscheidungen einen „Sommer der Enttäuschungen” folgen sah, meldete sich Altkanzler Helmut Kohl zu Wort. Der Regierung fehle der politische Kompaß, klagte Kohl und warf Merkel indirekt vor, keinen Führungs- und Gestaltungswillen zu haben. Ein Eigentor schoß die bisherige Merkel-Unterstützerin Ursula von der Leyen, die wie die Finnen Sicherheiten von Euro-Schuldenländern verlangte und damit Wasser auf die Mühlräder der Euro-Kritiker goß.

Zu den Verwerfungen in der CDU gehört auch, daß nicht nur schon früh exponierte Eurokritiker wie Willsch auf den Plan treten. Inzwischen gehört auch der Innenausschußvorsitzende Wolfgang Bosbach dazu, der jetzt forderte, für die Griechenland-Abstimmung den Fraktionszwang aufzuheben. Ihm werden persönliche Motive unterstellt: Er sei nicht Minister geworden und kühle jetzt an Merkel sein Mütchen.

„Herbst der Entscheidungen“

Das kann man zwei jungen CDU-Abgeordneten nicht vorwerfen. Carsten Linnemann (Paderborn) und Patrick Sensburg (Hochsauerlandkreis), die aus den konservativsten Regionen Nord-rhein-Westfalens stammen, forderten in der Financial Times Deutschland, daß Schuldnerländer wie Griechenland in die Pleite geschickt werden können.

Es zeichnet sich mittlerweile deutlich eine Absetzbewegung von CDU-Konservativen ab. Wie weit die Kraft der Bewegung reicht und wohin der Weg führt, ist allerdings noch äußerst unklar. Auf jeden Fall kann Merkel mit einem „Herbst der Entscheidungen“ rechnen – aber vielleicht nicht mehr in ihrem Sinne.

JF 36/11

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