HANNOVER. Die niedersächsischen Grünen haben Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) aufgefordert, kein Grußwort oder andere „Gunstbezeugungen“ auf dem diesjährigen Deutschlandtreffen der Schlesischen Landmannschaft (SL) abzugeben, wenn die Vertriebenen sich zuvor nicht klar zu „Versöhnung und Völkerfreundschaft“ bekennen.
Dies sagte der Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, Stefan Wenzel, gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ). Der Politiker forderte außerdem, die SL dürfe keine Plattform für „rechtsextremes Gedankengut“ bieten: „Es wäre fahrlässig und ein beschämendes Signal gegen die Verständigung und Integration Osteuropas, wenn der niedersächsische Ministerpräsident sich auf eine Bühne stellt, die mit großdeutschen Hirngespinsten dekoriert wird“, so Wenzel in der HAZ.
Der Vorsitzende der Schlesischen Landsmannschaft, Rudi Pawelka, betonte im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT dagegen, seine Organisation habe sich seit jeher für Versöhnung und Völkerfreundschaft ausgesprochen. „Aber wir meinen eine Versöhnung auf der Grundlage der Menschenrechte“. Wer dagegen die Vertriebenen als eine gerecht behandelte Gruppe ansehe, der „kann nicht mit unserer Zustimmung rechnen“, so Pawelka gegenüber der JF.
Beziehung zu Schlesiern unter Rot-Grün abgebrochen
Das Deutschlandtreffen wird vom 27. bis 28. Juni auf dem Messegelände der Landeshauptstadt Hannover stattfinden. Dies ist seit den fünfziger Jahren Tradition, nicht zuletzt da die Schlesier die größte Volksgruppe unter den nach Niedersachsen gelangten Heimatvertriebenen stellten.
Die rot-grüne Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) brach 1990 die traditionell gute Beziehung zwischen dem Land und der Schlesischen Landsmannschaft ab. Seit dieser Zeit fanden die Treffen der Schlesier in Bayern statt.
Die von Wulff geführte CDU/FDP-Regierung hatte dann in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Kooperation mit der SL wieder aufzunehmen. Beim Deutschlandtreffen 2007 hatte Wulff dann ein Grußwort gehalten, in welchem er die Vertreibung einen Teil der deutschen Geschichte nannte, über den mehr in den Schulen gelehrt werden müßte.
Zensurmaßnahme sorgte für Empörung
Wegen der bereits im Vorfeld laut gewordenen Kritik an seinem Auftritt hatte Wulff vor zwei Jahren die Schlesier davor gewarnt, sich von Rechtsextremisten unterwandern zu lassen. Außerdem mußte die Landsmannschaft im voraus der Messegesellschaft eine Liste aller Bücher vorlegen, die während des Schlesier-Treffens von dort ausstellenden Verlagen oder Buchhändlern angeboten werden sollten.
Mitarbeiter des niedersächsischen Innenministerium hatten daraufhin einige der Titel, von denen kein einziger verboten oder von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert war, gestrichen und entsprechende Kontrollen während der Veranstaltung durchgeführt. Diese Zensurmaßnahme hatte unter Teilnehmern des Deutschlandtreffens für Empörung gesorgt, zumal sie offensichtlich ohne ausreichende Rechtsgrundlage durchgeführt worden war.
Auch in diesem Jahr werden wieder rund 50.000 Teilnehmer zum Treffen der Schlesier in Hannover erwartet. Ob Ministerpräsident Wulff persönlich daran teilnehmen wird, ist noch unklar. (vo)