Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wird in diesem Jahr die „alternative Weihnachtsansprache“ des kommerziellen britischen Fernsehsenders Channel 4 halten, wie der Sender heute auf seiner Internetseite bekannt gab.
Wie Channel 4 mitteilte, soll es sich bei der in persischer Sprache gehaltenen Rede mit englischen Untertiteln um eine geistliche Botschaft handeln, der eine Einführung durch einen Moderator vorangehen wird. Sie soll die Rede des umstrittenen iranischen Präsidenten in den richtigen Kontext stellen, wie es hieß.
In seiner Rede, die der Sender in Auszügen bereits öffentlich machte, gratuliert der iranische Präsident den „Gläubigen im abrahamitischen Glaubensbekenntnis, insbesondere den Nachfolgern Christi und dem englischen Volk“ zum Weihnachtsfest. Heutige gesellschaftliche Probleme seien, so Ahmadinedschad, darauf zurückzuführen, daß die Botschaft der Propheten, einschließlich der Botschaft Jesu, abgelehnt werde. Er kritisierte die „Gleichgültigkeit einiger Regierungen und Mächte“ gegenüber den Lehren der „göttlichen Propheten“.
Geistliche Rede enthält auch politische Untertöne
Doch Ahmadinedschad schlägt unter Bezug auf die Person Christi auch politische Töne an: „Würde Christus heute leben, er stünde ohne Zweifel auf Seiten derer, die sich schikanösen, launischen und expansionistischen Mächten widersetzen. Würde Christus heute leben, er würde ohne Zweifel das Banner der Gerechtigkeit und Liebe zur Menschheit hochhalten, um Kriegstreibern, Besatzern, Terroristen und Tyrannen Einhalt zu gebieten. Würde Christus heute leben, er würde ohne Zweifel gegen die tyrannische Politik des bestehenden ökonomischen und politischen Systems kämpfen, so wie er es zu seinen Lebzeiten auch tat.“
Kritiker der Ansprache: Milder Ton der Rede ist irreführend
Inzwischen ist um die „alternative Weihnachtsbotschaft“ des iranischen Präsidenten in England eine heftige Debatte entbrannt. Der Vorsitzende des britischen Holocaust-Zentrums, Stephen Smith, sagte, die Rede Ahmadinedschads, der unter anderem in einem Vortrag vom Dezember 2005 den Holocaust als „Mythos“ bezeichnet und der zudem die Zerstörung Israels gefordert habe, dürfe nicht zum Nennwert genommen werden. „Viele seiner historischen und politischen Ansichten,“ so Smith, „sind höchst gefährlich und widersprechen den in seiner Weihnachtsbotschaft geäußerten Meinungen. Ihr milder Ton ist eine Täuschung.“ Henry Grunwald, Vorsitzender des Abgeordnetenausschusses der britischen Juden, ergänzte: „Daß man ihn zu einer Weihnachtsansprache einlädt, selbst einer sogenannten „alternativen“, erfüllt mich mit Abscheu. Was immer er in seiner Botschaft sagen mag, seine Worte bei anderen Gelegenheiten und seine Handlungen gegenüber Minderheiten im Iran sollten ihn eigentlich für diesen Fernsehauftritt disqualifiziert haben.“ Zu den verfolgten und mit dem Tode bedrohten Minderheitsgruppen zählen im Iran auch Homosexuelle.
Redaktionsleitung sieht Entscheidung für Ahmadinedschad im Einklang mit Sendeauftrag
Doch der Sender, der zwar privat finanziert ist, aber im öffentlichen Auftrag steht, darf sich durchaus im Einklang mit seinem gesetzlichen Sendeauftrag wissen. Dorothy Byrne, Redaktionsleiterin für Politik bei Channel 4, erklärte, der Sender sei durch seine Statuten dazu verpflichtet, „alternativen Weltsichten“ Gehör zu verschaffen. Laut diesen Statuten hat der Sender den Auftrag, „Innovation, Experimentierfreude und Kreativität“ in die formale und inhaltliche Gestaltung seiner Programme einfließen zu lassen.
Byrne begründete die Entscheidung ihres Senders, Ahmadinedschad mit einer Weihnachtsbotschaft zu Wort kommen zu lassen, auch mit der „höchst einflussreichen Rolle“, die ihm „als Staatschef eines der mächtigsten Staaten des Nahen Ostens“ zukomme. Das Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen werde im Jahr 2009 für die Weltpolitik von entscheidender Bedeutung sein.
Für eine Provokation war Channel 4 schon öfter gut. Seit 1993 strahlt der Kanal am ersten Weihnachtsfeiertag eine „alternative Weihnachtsbotschaft“ just zur selben Uhrzeit aus, zu der die BBC und ITV die traditionelle Weihnachtsansprache von Königin Elisabeth II. übertragen. In der ersten Sendung 1993 trat Quentin Crisp, eine Ikone der britischen Schwulenbewegung auf. Weitere Gäste seither waren die Schauspielerin und Tierschutzaktivistin Brigitte Bardot, ein Afghanistan-Veteran, der amerikanische Prediger und Bürgerrechtler Jesse Jackson oder die Figur Marge aus der Trickfilmserie „Die Simpsons“. Und vor zwei Jahren nutzte eine vollständig verschleierte Muslimin die Gelegenheit, in ihrer Rede die Kritik des damaligen britischen Innenministers Jack Straw am Gesichtsschleier zu verurteilen.
In diesem Jahr will man bei Channel 4 immerhin etwas mehr Rücksicht auf die Rede der Königin nehmen: die alternative Ansprache wird erst um 20:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit gesendet, vier Stunden nach der Weihnachtsbotschaft von Elisabeth II. (ric)