MITTWEIDA. Im Fall des mutmaßlichen rechtsextremistischen Überfalls auf eine junge Frau im sächsischen Mittweida hat sich die 17jährige offenbar das Hakenkreuz selbst in die Hüfte geritzt. Das geht nach Angaben der Staatsanwaltschaft Chemnitz aus zwei rechtsmedizinischen Gutachten hervor.
Die Frau hatte angegeben, Anfang November von vier Rechtsextremisten mißhandelt worden zu sein, nachdem sie einer sechs Jahre alten Spätaussiedlerin zu Hilfe gekommen war, die von den Männern bedrängt wurde.
Die „Glatzköpfe“, die nach ihren Angaben „Bomberjacken mit NSDAP-Aufnähern“ trugen, hätten sie zu Boden geworfen, festgehalten und ihr ein Hakenkreuz in die Haut geritzt. Zusätzlich hätten sie versucht, ihr Runen ins Gesicht zu schneiden, was aber an ihrer heftigen Gegenwehr scheiterte.
Trotz 5.000 Euro Belohnung bislang keine Zeugen
Das Mädchen gab zudem an, daß zahlreiche Anwohner den Angriff beobachtet hätten. Trotz umfangreicher Ermittlungen und einer ausgesetzten Belohnung in Höhe von 5.000 Euro meldeten sich bislang aber keine Zeugen, die den Tathergang bestätigen konnten.
Ein gegen einen 21jährigen beantragter Haftbefehl wurde vom zuständigen Gericht abgelehnt – aus „nachvollziehbarer Begründung“, wie die Staatsanwaltschaft Chemnitz jetzt eingestand.
Da zwei verschiedene rechtsmedizinische Gutachten die „Selbstbeibringung“ des Hakenkreuzes „zumindest nicht ausschließen“ könnten, erwägt die Staatsanwaltschaft nun auch gegen das 17 Jahre alte Mädchen wegen Vortäuschens einer Straftat zu ermitteln.
Dies sei auch deshalb notwendig, „da offensichtlich wohl der falsche Eindruck entstanden war, daß Teile der Mittweidaer Bevölkerung nicht über genügend Zivilcourage verfügen würden“, teilten die Staatsanwaltschaft Chemnitz und die Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge zusätzlich mit.
Vorschnelle Berichterstattung in den Medien
Dieser Eindruck war vor allem durch die Berichterstattung diverser Medien entstanden. So hatte Welt online beispielsweise von einer „Neonazi-Attacke auf ein sechsjähriges Mädchen“ und von der „Verstümmlung einer Frau“ geschrieben. Spiegel online hatte zudem berichtet, daß „mehrere Menschen“ „den Übergriff von umliegenden Balkonen aus“ verfolgt hätten, aber niemand eingegriffen oder die Polizei alarmiert habe.
Zudem hieß es in den meisten Berichten zu dem Vorfall, daß das Spätaussiedlermädchen die „Aussagen ihrer Retterin“ (Spiegel online) bestätigt hätte. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet sogar in ihrer heutigen Ausgabe (18. Dezember 2007), daß es „keine Zweifel“ daran gebe, daß „die junge Frau dem Mädchen tatsächlich half“.
Dagegen teilte die Staatsanwaltschaft nun mit, daß „das von der Geschädigten genannte 5 bis 6jährige Kind“ „bislang nicht ermittelt werden“ konnte.