KIEW. Trotz des Krieges gegen Rußland sind sich Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kiews Bürgermeister, Vitali Klitschko offen in die Haare geraten. Mit scharfen Worten griffen sich die beiden prominentesten Politiker des Landes gegenseitig an.
Begonnen hatte es vorige Woche, als das Staatsoberhaupt die Kiewer Stadtverwaltung wegen angeblich nicht funktionierender Aufwärmpunkte an den Pranger stellte – ein klarer Angriff auf den Bürgermeister. Klitschko wies die Vorwürfe zurück, ließ sogar eine Kontrolle von Abgeordneten der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ über sich ergehen. Angeblich hätten die Politiker nichts auszusetzen gehabt, sagt der Hauptstadt-Chef.
Klitschko erhebt schwere Vorwürfe gegen Selenskyj
Doch dann seien die Dokumente gefälscht worden, wirft er Selenskyj vor. Manipulationen werde er nicht zulassen, giftete der 51jährige in Richtung Präsidentenpalast. Klitschko brachte dabei auch die Verbündeten ins Spiel und sagte, das sehe unglaubwürdig aus: „Sowohl für die Kiewer, als auch für die ausländischen Partner.“ In der Tat zerstört die Affäre das Bild von der Ukraine, die sich über alle Parteigrenzen hinweg vereint gegen den russischen Aggressor stellt.
Hintergrund: In 16 Monaten stehen in der Ukraine die nächsten Präsidentschaftswahlen an. Der überaus populäre und umtriebige Kiewer Bürgermeister könnte dann für das höchste Amt im Staate kandidieren. Selenskyj sieht in dem ehemaligen Profiboxer einen gefährlichen Rivalen. Mit offensichtlichem Blick auf den Präsidenten sagte Klitschko jetzt: „Die stürmische Aktivität des Bürgermeisters, so höre ich, verursacht ständiges Unwohlsein bei gewissen Personen.“
Auch die Selenskyj-nahen Medien haben sich seit einiger Zeit auf Klitschko eingeschossen. Beobachter halten es für möglich, daß der Präsident bereits jetzt versucht, Klitschko als mit der Hauptstadt-Verwaltung überfordert darzustellen. Das wäre ein starker Minuspunkt im Wahlkampf – gerade, wenn es um den Wiederaufbau des Landes geht. Kommt allerdings heraus, daß der 44jährige Dokumente hat manipulieren lassen, um seinen Konkurrenten in Mißkredit zu bringen, würde Selenskyj Vertrauen in der Bevölkerung verspielen. Und wahrscheinlich nicht nur dort. (fh)