KAFF-RAMBEL. Die Streubomben sind Realität. Der Automechaniker Dschihad Sahtur hat eine von ihnen mit nach Hause genommen. Der drei Meter lange Metallkörper fiel in der Schlacht um Hiesch auf den Boden, ohne seine tödliche Ladung zu entleeren. „Was Du wissen mußt“, so der mit drei Frauen verheiratete Familienvater, „ist, daß diese Bombe an einem Fallschirm vom Himmel gleitet.“ Das Kampfflugzeug werfe stets zwei der Sprengkörper ab. Über eine Linie von 200 Meter würden die jeweils 200 Kleinbomben dann niederregnen. „Die Geschosse verteilen tödliche Splitter in einem Umkreis von zehn Metern“, so Dschihad Sahtur. In einem Haus wäre man jedoch sicher. „Deshalb schmeißt die Armee vorher auch mal eine Riesenbombe runter.“
Zerstörungen wie nach einem Erdbeben
Beim Besuch in Hiesch ist das Ergebnis dieser Kriegsführung deutlich zu erkennen: Einige Häuser sind vollkommen zerbombt, gut die Hälfte beschädigt. Zwischen den Trümmern erspäht Dschihad eine scharfe Handgranate. Alle Zivilisten, je nach Gesprächspartner mal 10.000 oder 15.000, sind geflohen.
Mit Beginn des „Endkampfes“ um Maarat an-Numan (Provinz Idlib, Nord-Syrien) vor drei Wochen brach auch hier, zehn Kilometer südlicher, der offene Krieg aus. Wie Mohamed Abdul Majid (35) stolz verkündet, habe man bereits am ersten Tag die Kontrollpunkte entlang der Autobahnstrecke Aleppo-Damaskus angegriffen. Zuvor sei er nur Arbeiter im Libanon gewesen. Mittlerweile habe er jedoch seinen Lebenssinn als gläubiger Muslim wieder gefunden. Er führt 40 Kämpfer einer Gruppe namens „Khatiba Derra al Ansar“ an.
Der hiesige Mohamed erklärt: „Wir haben 50 Assad-Soldaten getötet. Dann kamen die Panzer aus Hama. Auch die haben wir zurückgeschlagen. Und schließlich hat die Armee am dritten Tag versucht, Hiesch einzunehmen. Wir haben sie gestoppt. Nun fällt ständig etwas vom Himmel. Die ganze Zeit Attacken von Panzern. Die ganze Zeit Bomben von Flugzeugen und Hubschraubern.“ Alles dreht sich schlicht und einfach um die Kontrolle der Region um Maarat an-Numan. Und um diese nicht zu verlieren, setzt die Luftwaffe auf alles.
Streumunition läßt sich aufschrauben
Die versprochenen „großen Bombenlöcher von 12 Meter Tiefe und 30 Meter Breite“ entpuppen sich als ein wenig kleiner: Vier Meter tief und acht Meter breit. Diese Detonation überlebt niemand, der näher als 50 Meter entfernt ist. Diese normalen Sprengsätze sind im Gegensatz zu den Streubomben nicht geächtet. Den Unterschied versteht hier niemand. „Guck mal“, so Dschihad Sahtur, der Waffensammler unter den Aufständischen. In der Hand hält er einen der Streu-Sprengsätze. Er schraubt die Spitze ab und verweist auf das komprimierte Sprengpulver.
Mit einem Messer läßt es sich herauskratzen. Du brauchst keine Angst zu haben, meint er. Zum einen habe Allah bereits vor langer Zeit den genauen Tod eines jeden Menschen festgeschrieben. Und zum anderen könne gar nichts explodieren. Nach einer halben Stunde ist die Bombe geleert – und ein Aschenbecher mit dem grauen Brandstoff gefüllt. Alles wird auf ein Blatt Papier gestreut, und selbiges mit dem Feuerzeug entzündet. Wenig später: erst eine große, intensive, weißgelbe Flamme, dann merkwürdiger Dampf und schließlich brüchige schwarze Rückstände. Kein Explosivstoff. Nur der Druck sprengt die Bombe.
Die Streumunition, erstmals im Zweiten Weltkrieg eingesetzt, wird in deutschen Medien als international geächtet dargestellt. Tatsache ist, daß 76 Staaten ein entsprechendes Abkommen ratifiziert und 35 weitere unterschrieben haben. Neben Syrien gehören bedeutende Staaten dieser Welt nicht dazu: Die USA, Russland, China, Indien, Brasilien, Argentinien, Südkorea, Thailand, Pakistan, Türkei, Iran, Israel und die meisten arabischen Länder. Militärs schätzen die effektive Vernichtung der beweglichen Gegner im weiten Gelände. In Syrien gelingt dies der Armee mit dem alten russischen Waffenmaterial jedoch nur bedingt.