Nein, Veteranen des Zweiten Weltkriegs reisen derzeit nicht nach Tobruk im Osten Libyens. Die Schüsse würden sie aktuell vielleicht mehr denn je an die alte Zeit erinnern. Damals, 1941 und 1942, als es kein Freudenfeuer war, sondern blutige Realität. Die östlichste Großstadt des aktuellen Krisenstaats zählte damals nicht einmal 2000 Einwohner (heute 121.000) – und war doch Schauplatz einer der entscheidenden Schlachten im Wüstenkrieg. Zwischen Januar 1941 und Juni 1942 versuchten Erwin Rommel und seine italienischen Verbündeten mehrfach, die alliierte Festung mitsamt ihrem Tiefseehafen einzunehmen.
Nach massiven deutschen Luftangriffen fiel Tobruk. 32.000 alliierte Soldaten gingen in Gefangenschaft. Der „Wüstenfuchs“ wurde zum Generalfeldmarschall ernannt. Erst die Niederlage der Achsenmächte bei El Alamein im heutigen Ägypten brachte fünf Monate später die Wende, auch im Gebiet des heutigen Libyens. Von den heftigen Auseinandersetzungen finden sich heute, 67 Jahre später, keine Spuren mehr.
Keine Wut auf Deutsche und Italiener
Die Menschen gehen offen mit dem Thema um. Es gibt keine Wut auf die ehemalige Kolonialmacht Italien und die deutschen Helfer. Im Gegenteil: Bereits Anfang der 50er Jahre gewährte Koenig Idris I. dem Volksbund Kriegsgräbervorsorge die Exhumierung der deutschen Gefallenen und sogar die kostenlose Ausbeutung von zwei Steinbrüchen zur Errichtung eines eindrucksvollen Denkmals. Es entstand eine eindrucksvolle Burg von vierzig mal vierzig Metern Grundfläche und zwölf bis vierzehn Metern Höhe. Trotz der sandfarbenen Tönung seiner Umgebung, fällt das Bauwerk weithin ins Auge: Es steht auf einer Anhöhe außerhalb Tobruks.
Das Gelände ist im Moment ziemlich verwaist. Nur in zwei Steinhütten wohnt eine libysche Großfamilie. Sie paßt auf den Schlüssel auf, mit dem sich das eiserne Eingangstor öffnen läßt. In der dunklen Eingangshalle – ein schwarzer Metallkranz. „Das deutsche Volk seinen in Libyen gefallenen Soldaten und ihrem Feldmarschall Rommel“ steht unter der dichten Staubschicht geschrieben. 6.026 Tote ruhen zwischen den mächtigen Mauern. Trotz des Bürgerkriegs – niemand hat sie angerührt.
Friedhof blieb unbeschädigt
Um wie viel freudiger kann man in diesen schwierigen Tagen darüber gestimmt sein, daß der offen zugängliche Friedhof der Alliierten ebenfalls unbeschädigt geblieben ist. Keiner der Grabsteine von Soldaten aus dem Vereinigten Königreich, Australien, Südafrika, Polen und Tschechei ist umgestoßen worden. Keine Wüstenblume wurde zertrampelt. Sogar jene Denkmäler für die jüdischen Soldaten mit großem David-Stern leuchten wie jeher in der Sonne.
Die Reportageserie von Billy Six wird fortgesetzt, sobald er sich bei der JF-Redaktion gemeldet hat.