BERLIN. Als einziges europäisches Land hat die Bundesregierung kürzlich Corona-Einschränkungen für den Herbst beschlossen. Doch das geht Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht weit genug. Er schließt jetzt auch die Ausrufung einer „epidemischen Lage“ im Winter nicht mehr aus. Dann könnte es wieder zu einem Lockdown mit Schul- und Geschäftsschließungen sowie zu Ausgangssperren und Kontaktverboten kommen.
Er hoffe, betonte der SPD-Politiker in der Welt am Sonntag, „daß es nicht zu einem gravierenden Variantenwechsel kommt“. Wenn dieser ausbleibe, „werden wir nicht in so eine epidemische Lage kommen“. Trotzdem benötige Deutschland für den Notfall Mittel und Maßnahmen gegen die Pandemie. Lauterbach, der sich nach eigenen Aussagen trotz vier Impfungen mit dem Virus infizierte, sagte: „Viele Menschen glauben fälschlicherweise, daß sich im Laufe einer Pandemie immer nur die leichteren Varianten durchsetzen. Das ist ein Irrtum.“ Es gebe keinen sogenannten Selektionsvorteil für leichtere Varianten. Er warnte: „Wir müssen auf alles gefaßt sein.“
Lauterbach: Ich mache das nicht aus Spaß
Lauterbach erklärte seine Motivation für die Maßnahmen: „Wir schlagen das ja nicht einfach aus Spaß vor, es geht um den Schutz der Bevölkerung vor Ansteckung und möglichen schweren Krankheitsverläufen.“ Daher gehe er auch davon aus, dass die bereits beschlossenen Einschränkungen sehr bald angewendet werden: „Ich rechne damit, dass viele Länder die Regeln schon Anfang Oktober breit nutzen werden.“
Es sei wichtig, daß Mund und Nase in Restaurants bedeckt werden, auch wenn dies nur vom Tisch zur Toilette geschehe. Denn „es geht von der Maske immer auch ein Signal aus: an diesem Ort kann man sich infizieren. Das macht Menschen vorsichtig.“
Keinen Zweifel ließ der Minister daran, daß Deutschland wegen Corona „schwierige Zeiten“ bevorstehen. Wörtlich sagte er: „Der Corona-Herbst wird kein Zuckerschlecken.“ Wenn der „Aufenthalt in Innenräumen wegen der kalten Temperaturen zur Regel wird“, werde Deutschland „einen Anstieg der Fallzahlen erleben“. Lauterbach: „Es wird dann zu Ausfällen in den Betrieben und der kritischen Infrastruktur kommen, etwa in Krankenhäusern. Es stehen uns also schwierige Zeiten bevor.“
Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“
Hintergrund: Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ liegt laut Infektionsschutzgesetz dann vor, „wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil die Weltgesundheitsorganisation eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet“. Ob eine epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt, entscheidet der Deutsche Bundestag. (fh)