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Verfaulte Orangen

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Der Sieg der Orangenen Revolution von 2004 war ein klassischer politischer Umsturz. Die Pseudo-Elite das langjährigen Präsidenten Leonid Kutschma wurde gegen eine andere Pseudo-Elite ausgetauscht. Der angekündigte Prozeß der ökonomischen Reformen nahm daraufhin ein jähes Ende“, erklärte der Kiewer Historiker Walerij Bebyk der JF. „Andererseits gab es eine wahrhafte Revolution des nationalen Bewußtseins. Wir haben uns besonnen, daß wir Ukrainer sind – ein Volk mit eigener Kultur, Sprache, Geschichte. Was bleibt davon – Brot oder Nation? Ich bin überzeugt, daß die Wiedergeburt der nationalen Identität für uns wichtiger war, weil sie die Fundamente gelegt hat für die Einheit unserer Heimat.“

Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am 17. Januar waren 18 Kandidaten angetreten – und der pro-russische Wahlfälscher von 2004, Viktor Janukowytsch, erhielt mit 35,3 Prozent die meisten Stimmen. Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko erreichte nur 25 Prozent, Amtsinhaber Viktor Juschtschenko nur noch 5,4 Prozent (JF 4/10). Ob am Sonntag erneut zwei Drittel der 36,8 Millionen Wahlberechtigten abstimmen, ist fraglich – was Ex-Premier Janukowytsch auch ohne Manipulationen den Sieg bringen könnte, denn Tymoschenko kann wohl nicht auf alle Stimmen der  Janukowytsch-Gegner zählen.

„Ein verlogenes, machtversessenes Weib, das vorgibt, Mutter unseres Landes zu sein. Eine Ausländerin, die kaum Ukrainisch beherrscht, weil sie privat Russisch spricht?“ ereifert sich Mykola Trojan, ein junger arbeitsloser Manager aus dem einst österreichischen Tarnopol (Ternopil). „Es ist völlig egal, ob sie oder ein weiterer Ausländer (derrussischsprachige Janukowytsch) unser Präsident wird. Die beiden sind Moskaus Günstlinge und Hampelmänner unserer eigenen Oligarchen-Mafia. Darum bleibe ich dieser Wahl fern!“ Die schwachen Ergebnisse für beide Kandidaten in der ersten Wahlrunde in Galizien und der Westukraine bestätigen dieses Stimmungsbild.

Das Wahlergebnis hat abermals verdeutlicht, was in der Ukraine seit 1991 ungelöst ist: Zum einem ist das die etwa acht Millionen Menschen umfassende russische Minderheit, die jegliche Form der ukrainischen Souveränität ablehnt. Hinzu kommt die ungebrochene Oligarchen-Allmacht aus dem Süden und Osten des Landes, die im Hintergrund agiert und entscheidet, wie es in Kiew über kurz oder lang weitergeht. Etwa 95 Prozent der 8,7 Millionen Janukowytsch­-Stimmen stammten aus dem pro-russischen Lager. Für Juschtschenko stimmten fast ausschließlich ethnische Ukrainer.

Das Institut für Reform der nationalen Strategie der Russischen Föderation (INSR) konstatierte daher schon im März 2009: „Wir gehen davon aus, daß das ‘Projekt Ukraine’ sich politisch, ökonomisch und kulturell-ideologisch erschöpft hat, wodurch der Erhalt der Landeseinheit in den derzeitigen Staatsgrenzen unmöglich sein wird.“ Es zog die Schlußfolgerung: Rußland solle aufhören, die fremden und feindlichen Projekte zu unterstützen, statt dessen soll es mit der Realisierung seines eigenen Projekts beginnen, das auf der Konsolidierung des vorhandenen pro-russischen Segments in der Ukraine basiert. „Die politisch-ökonomische Krise in der Ukraine liefert uns die einmalige Gelegenheit – und womöglich auch die letzte – dieses Land oder zumindest den mit dem Rußland historisch verbundenen Teil wieder in unsere Einflußsphäre zurückzuholen.“

Verhelfen solche Aussichten Tymoschenko doch noch zum Sieg? Ein Drittel der Wähler des mit 13,1 Prozent drittplazierten Ex-Zentralbankchefs Serhij Tihipko könnte zu Tymoschenko wechseln, aber einige dürften auch zu Janukowytsch überlaufen, glaubt Wolodymyr Fesenko, Direktor des Informationszentrums Penta. Sollte Tymoschenko Tihipko das Ministerpräsidentenamt in Aussicht stellen, dann könnten 40 bis 60 Prozent seiner Anhänger für sie stimmen.

Juschtschenko forderte seine Anhänger übrigens zum Wahlboykott am 7. Februar auf. „Ein Landesverräter“ sei er, giftete Tymoschenko zurück, die vorige Woche im Parlament eine weitere Niederlage erlitt: Die Volksvertretung wählte mit den Stimmen von Janukowytschs Partei der Regionen und der Kommunisten Innenminister Jurij Luzenko ab. Tymoschenko ernannte Luzenko daraufhin zum ersten Stellvertreter des Innenministers – der Abgewählte kann sich so interimistisch selbst vertreten. Und das politische Hickhack in der Ukraine geht nach der Präsidentenwahl nur in die nächste Runde.

Foto: Ukraine-Karte mit Tymoschenko und Janukowytsch: Politische Spaltung des Landes in West und Ost

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