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Schluß mit der Toleranz

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Am 20. September wählt Vorarlberg, das nicht nur geographisch der Schweiz näher ist als Wien, seinen Landtag. Und diesmal ist es richtig spannend. Die jahrzehntelang regierende ÖVP und ihr Landeshauptmann Herbert Sausgruber müssen um die absolute Mandatsmehrheit zittern. Laut Umfragen kommt die ÖVP nur noch auf 44 Prozent (2004: 54,9 Prozent). Der FPÖ droht indes ein Pyrrhussieg, denn trotz des prognostizierten Zugewinns von 12,9 auf 17 bis 20 Prozent könnten die Freiheitlichen um Parteichef Dieter Egger aus der Regierung fliegen. Der SPÖ wird ein Abrutschen von 16,9 auf 15 bis 13 Prozent vorausgesagt. Die Grünen könnten sich von 10,2 auf 12,5 Prozent verbessern. Der FPÖ-Abspaltung BZÖ werden geringe und den anderen drei Kleinlisten keine Chancen eingeräumt. Die Sozialdemokratie, die in Wien seit zwei Jahren wieder den Bundeskanzler stellt, fährt in Vorarlberg einen seltsamen Kurs. Dort, wo selbst die Arbeiterschaft ÖVP wählt und die Arbeiterkammer „schwarz“ dominiert wird und gerade noch der Gewerkschaftsbund ÖGB in roter Hand ist, proben die alemannischen Junggenossen eine linke Erneuerung der besonderen Art: Sie feiern Wahlkampfpartys unter dem dem Motto „Back in the USSR“ – Lenin-Konterfei inklusive.

Für den Landeschef der Sozialistischen Jugend (SJÖ), Lukas Riepler, steht der Revolutionär „stellvertretend für die russische Revolution von 1917, in der sich die Arbeiter und Bauern vom zaristischen Regime befreiten“. Die SPÖ hat damit natürlich nichts zu tun – doch der 24jährige kandidiert auf Platz 10 der Landesliste.

Die FPÖ sorgte zunächst mit Forderungen wie „Schluß mit der Toleranz“ oder „Elterngeld nur für heimische Familien“ für gehörige Aufregung im beschaulichen Vorarlberg. Der Intendant der Bregenzer Festspiele, David Pountney, nannte diese Plakate kurzerhand eine „Schande“. Der in Frankfurt am Main geborene Leiter des jüdischen Museums in Hohenems, Hanno Loewy, bat den FPÖ-Spitzenkandidaten Egger in einem offenen Brief um Aufklärung, wer denn mit „nicht heimisch“ gemeint sei. Als Antwort forderte dann Egger im August den vermeintlichen „Exil-Juden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum“ öffentlich auf, sich nicht in die österreichische Politik einzumischen. Das Rauschen im Blätterwald war Egger ebenso sicher wie mehr Sendezeit in den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiostationen sowie der tägliche Schlagabtausch auf den Leserbriefseiten der Tageszeitungen.

Da Egger nicht einlenkte, versagte Landeshauptmann Sausgruber daraufhin der FPÖ postwendend eine mögliche erneute Zusammenarbeit in der Landesregierung – „absolut inakzeptabel“ sei die Aussage Loewy über gewesen. Vom Bundespräsidenten abwärts beklatschte das politische Establishment diese Entscheidung. Grundsätzlich ist der ÖVP-Landeschef für eine schwarzblaue Zusammenarbeit: 2004 hatte er den Freiheitlichen erneut einen Sitz in der Landesregierung überlassen, obwohl er eine absolute ÖVP-Mehrheit hinter sich hatte.

Doch auch der Biedermann Sausgruber greift in die Trickkiste der Wählermaximierung. Mit dem Satz „Vorarlberg wählt seinen Landeshauptmann“ lächelt der ÖVP-Frontmann in der heißen Wahlkampfphase von den Plakaten. Denn im Gegensatz zu den für die ÖVP eher ernüchternden Wahlprognosen sehen sämtliche Umfragen den amtierenden Landeshauptmann in einem Personen-Vergleich klar vor seinen Konkurrenten. Bei einer Direktwahl könnte Sausgruber mit über 60 Prozent der Stimmen rechnen, hat das Umfrage- Institut OGM herausgefunden.

Dem makellos-biederen Image des ÖVP-Saubermanns tut diese subtile Wählertäuschung freilich keinen Abbruch. Nur die Opposition durfte sich über die Starallüren des langjährigen Chefs im Ländle einmal mehr ärgern – im Ländle wird schließlich am 20. September nicht der Landeshauptmann gewählt, sondern der Landtag.

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