Am Ende kam es wie erwartet: Gewalttätige Demonstranten lieferten sich in Straßburg während des Nato-Gipfels Straßenschlachten mit der Polizei und setzten mehrere Gebäude in Brand. In der Nähe der Rheinbrücke, die das badische Kehl mit der elsässischen Metropole verbindet, brannten ein Hotel, eine Apotheke, ein Touristen-Informationsbüro und eine ehemalige Zollstation.
Die etwa 1.000 „Militanten“ seien extrem gewaltbereit gewesen, teilten die Sicherheitsbehörden mit. Wie die elsässische Zeitung Dernières Nouvelles d’Alsace berichtete, konnte die Polizei bei einigen Demonstranten sogar Schußwaffen sicherstellen. Die französischen Sicherheitskräfte mußten Wasserwerfer und Tränengas einsetzen. Fast fünfzig Personen, darunter auch Polizisten und Feuerwehrleute, wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei sollen während des Treffens führender Staats- und Regierungschsefs aus Anlaß des sechzigsten Jahrestags der Nato-Gründung rund 16.000 Menschen zu beiden Seiten des Rhein gegen das Militärbündnis demonstriert haben.
Die Strategie der deutschen Sicherheitsbehörden, durch umfangreiche Kontrollen sowie durch strikte Auflagen eine Eskalation zu verhindern, hat offensichtlich gefruchtet. Allein auf deutscher Seite waren etwa 15.000 Beamte im Einsatz. In Baden-Baden, einem der Tagungsorte auf deutscher Seite, sorgte die massive Polizeipräsenz für einen ungestörten Ablauf des Treffens. Am Freitag demonstrierten lediglich 300 Personen gegen das Militärbündnis. Die Veranstalter waren zuvor von mehreren tausend Teilnehmern ausgegangen und machten die abschreckende Wirkung der Sicherheitsmaßnahmen für die geringere Zahl der Mitmarschierer verantwortlich.
Die nach Meinung der Demonstrationsanmelder allzu repressiven Auflagen der Ordnungshüter waren zuvor vom Verwaltungsgericht bestätigt worden. In welchem Umfang deutsche Gewalttäter an den Ausschreitungen in Straßburg beteiligt gewesen sind, ist unklar. Allerdings sollen die anläßlich des Gipfels wieder eingeführten Grenzkontrollen dafür gesorgt haben, daß der Zustrom potentieller Krawalltouristen von Frankreich nach Deutschland ausblieb. Offensichtlich befürchteten sie, bei den Kontrollen auf der Rheinbrücke abgewiesen zu werden und dadurch die Teilnahme an der Hauptkundgebung in Straßburg zu verpassen. Das „Widerstandscamp“ der Nato-Gegner befand sich am französischen Ufer des Rhein.
Im Elsaß befanden sich gut 10.000 Polizisten und Gendarmen im Einsatz. Sie mußten schon vor Beginn des Gipfels gegen Gewalttäter vorgehen, die in der Nähe des Protest-Zeltlagers Barrikaden errichtet und angezündet hatten. Bei einem Zusammenstoß mit den Sicherheitskräften hatten Chaoten einen Geländewagen des französischen Militärs angegriffen und dabei mit einer Eisenstange die Windschutzscheibe zertrümmert und den Fahrer bedroht. Wiederholt zogen sich die Ordnungshüter nach Verhandlungen mit selbsternannten Unterhändlern der gewalttätigen Demonstranten zurück. Allerdings hatten die Deeskalationsmaßnahmen nicht immer den erwünschten Erfolg.
Die heftigsten Übergriffe aus den Reihen der Gegendemonstranten erfolgten in der elsässischen Metropole dann am Samstag. Vermummte Teilnehmer aus dem sogenannten „autonomen“ Spektrum griffen die Polizei mit Steinen, Eisenstangen und Molotow-Cocktails an. Nachdem die Gebäude in der Nähe der Rheinbrücke von den Randalierern in Brand gesetzt worden waren, verhinderten die deutschen Sicherheitskräfte einen Marsch von 6.000 Protestlern aus Kehl in Richtung Straßburg. Presseberichten zufolge mußten sich französische Feuerwehrleute, die während der Löscharbeiten von den Gewalttätern angegriffen worden waren, unter den Schutz der deutschen Polizei auf dem östlichen Rheinufer begeben. In Straßburg wurden während der Krawalle über 300 Personen festgenommen, darunter mehrere Deutsche.
Sprecher des „No to Nato“-Bündnisses, zu dem unter anderem die Grüne Jugend, aber auch eindeutig linksextreme oder „linksextrem beeinflußte“ Parteien und Organisationen wie die Linkspartei, die Deutsche Friedensgesellschaft/ Vereinigte Kriegsdienstverweigerinnen (DFG-VK), die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN) oder die Interventionistische Linke gehörten (JF 6/09), machten die starke Präsenz und das aggressive Auftreten der Polizei für die Gewalteskalation verantwortlich.
Der für die Sicherheitsmaßnahmen auf deutscher Seite verantwortliche Stuttgarter Innenminister Heribert Rech (CDU) sprach dagegen von einer erfolgreichen Taktik seiner Einsatzkräfte. Allerdings stellte der baden-württembergische Polizeipräsident Erwin Hetger Verbesserungsbedarf bei der Koordination zwischen deutschen und französischen Behörden fest. Nach Informationen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sollen während der Ausschreitungen an der Rheinbrücke zwischen Straßburg und Kehl die französischen Sicherheitskräfte deutsche Hilfsangebote ausgeschlagen haben.